Papst Benedikt XVI gegen „Titanic“

Das Landgericht Hamburg hat gegen das Satiremagazin Titanic eine einstweilige Verfügung erlassen, mit dem der Vertrieb dieses Titelbildes untersagt wird. Drucken Sie es sich also aus, solange der Vatikan noch nicht gegen diesen Blog vorgegangen ist und das Titelbild hier noch gezeigt wird.

Mit diesem Titelbild hatte Titanic auf den Geheimnisverrat im Vatikan angespielt.

Ich bin ein großer Fan von Titanic und verdanke der Titanic-Redaktion oft minutenlange Lachanfälle, aber dieses Titelbild fand ich selbst nicht lustig. Ich fand es ein bißchen lahm, nicht besonders kreativ, und Fäkalienhumor oder Anspielungen darauf liegen mir sowieso nicht. – Allerdings ist mein Geschmack keine Richtschnur dafür, was im Rahmen der Meinungsfreiheit und der Kunstfreiheit an Äußerungen und Veröffentlichungen erlaubt ist. Das gleiche gilt für den Geschmack von Päpsten. Wenn Grundrechte nur Äußerungen schützen würden, an denen niemand Anstoß nimmt, dann bräuchten wir sie nicht.

Einstweilige Verfügungen werden schnell erlassen, insbesondere vom Landgericht Hamburg. Sie ergehen ohne Anhörung des Antragsgegners, also hier ohne daß Titanic sich vor der Entscheidung des Gerichts äußern konnte. Ich war dennoch von der Entscheidung überrascht, weil auch ohne daß ein Antragsgegner darauf hinweist, die Richter beim Landgericht Hamburg die Meinungsfreiheit sowie die Kunstfreiheit und die Rechtsprechung zum weiten Spielraum satirischer Äußerungen, insbesondere gegenüber Personen des öffentlichen Lebens, kennen müßten. Ich habe es selbst wärend meiner Anwaltstätigkeit leider auch erlebt, daß manchen Richtern nicht bewußt ist, daß sie eine einstweilige Verfügung nicht erlassen müssen, nur weil ein diesbezüglicher Antrag vorliegt. Zu viele Richter nicken und stempeln solche Anträge ab und denken sich: „Der Antragsgegner wird sich (nachträglich) schon wehren, wenn es ihm nicht paßt.“

Wenn Titanic Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung einlegt, wird es zu einem interessanten Prozess kommen. Noch viel interessanter finde ich jedoch die Entscheidungsfindung im Vatikan:

Das Titelbild war sicher nicht eines der besten von Titanic. In einigen Wochen wäre es – wenn nicht der Vatikan so überzogen reagiert hätte – in Vergessenheit geraten. Als Rechtsanwalt des Papstes hätte ich ihm geraten:

„Herr Papst, sicher ist das Titelbild ärgerlich und gemein und schundhaft. Aber wenn wir gegen alle Gemeinheiten gegen Sie gerichtlich vorgehen, dann haben Sie überhaupt keine Zeit mehr, sich um wichtige Angelegenheiten zu kümmen. Wie z.B. Kindesmißbrauch durch Priester, Holocaustleugnung durch Bischöfe, Korruption bei der Vatikan-Bank, Diskriminierung von Frauen in der Kirche, die taliban-ähnliche Sexualmoral, die Verbreitung von AIDS wegen des Kondomverbots u.s.w.

Entweder es kommt dem Vatikan also gerade recht, den Papst auch mal als ungerecht Behandelten darzustellen, oder die Katholische Kirche will grundsätzlich ein härteres Vorgehen gegen kirchenkritische Äußerungen einleiten.

„Ich will die totale Zensur!“

Bei letzterem findet Rom schnell Mitstreiter unter den üblichen Verdächtigen. So hat Thomas Goppel (CSU) bereits gesagt: „So geht man mit Menschen nicht um, mit dem Papst schon gar nicht“, womit er den Papst als Übermenschen darstellt, dem anscheinend mehr Rechte zukommen sollen als allen anderen Erdenbürgern. Der komplette Logikausfall bei Herrn Goppel geht jedoch noch weiter: Er wolle dem Chefredakteur „die Lizenz zum Schreiben entziehen“. Na sowas. Ersten wußte ich gar nicht, daß man zum Schreiben eine Lizenz braucht (dieser Blog funktioniert vollkommen lizenzlos), und zweitens wüßte ich nicht wieso gerade Herr Goppel von der CSU darüber entscheiden sollte – und zwar noch schneller als das Landgericht Hamburg – wann und weshalb diese Lizenz gewährt und entzogen wird.

Ich erwarte von der bayerischen Regierungspartei jetzt eine Klarstellung, ob sich die CSU in Zukunft bei juristischen Auseinandersetzungen zwischen ausländischen Staatsoberhäuptern und deutschen Presseorganen immer grundsätzlich auf die Seite der Ersteren schlagen wird. Ahmadinedschad, Lukaschenko und Kim Jong-Un würde es freuen.

Und jetzt zum lustigen Abschluß noch eine Titanic-Papst-Satire aus den Zeiten des Gammelfleischskandals. Diese fand ich viel lustiger.

Über Andreas Moser

Travelling the world and writing about it. I have degrees in law and philosophy, but I'd much rather be a writer, a spy or a hobo.
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7 Antworten zu Papst Benedikt XVI gegen „Titanic“

  1. Robert Gessner schreibt:

    Sehr guter Artikel, der es nüchtern betrachtet und nicht emotionalisiert hochpusht. Ich bin dem Link auf Lachettas Beitrag zu dem Thema gefolgt den du im Kommentar gepostet hast.

  2. Der Rufer schreibt:

    Verzeihung, aber Menschen, die behaupten, nicht auf Fäkalienhumor zu stehen, sind mir sehr unsympathisch. Das klingt immer so nach sich für etwas Besseres halten.

  3. Wolfgang schreibt:

    Wäre es hübscher von „Titanic“ gewesen, sie hätten den Papst am Kreuz gezeigt, nackt, blutig, Dornenkrone auf dem Haupt, Essiglappen im Mund? Auch eine Beleidigung?

    Mit dem Jesus am Kreuz darf man es ja machen. Das ist Religion! Makaber, makaber!

  4. Maps Inta schreibt:

    Ich finde es nicht nur nicht lustig, sondern einfach nur geschmacklos. Und den Begriff „Meinungsfreiheit“ finde ich hier fehl am Platze, denn das Bild vertritt ja keine Meinung. Es hat keinerlei Aussage (etwa Kritik am Vatikan etc.), sondern sein einziger Sinn ist es, Herrn Ratzinger (ich schreibe bewusst diesen Namen, denn es greift ihn nicht als Papst, sondern als Person an) um eines (eventuellen Lachers willen) zu diffamieren. Solche „Satire“ brauchen wir nicht! Sie lenkt von den wirklichen Probleme nur ab. Dabei gäbe es ja sowohl in Deutschland als auch im Vatikan genug, was wirklich einer Karikatur bzw. einer wirklichen Satire würdig ist.

  5. Pingback: UNZENSIERT: Das antireligiöse Hass-Video, mit dem alles begann | Mosereien

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