Mein bolivianischer Mitbewohner Henry arbeitet irgendwas mit Computern, schaut gerne Fußball und trinkt Bier. Aber manchmal sagt er plötzlich „gehen wir doch heute mal in die Natur“, so spontan wie wenn er ein paar Stunden am Computer zocken will. Und genauso unvorbereitet. Vor zwei Wochen hat uns das in den Bergen im Tunari-Nationalpark fast das Leben gekostet. Wir waren in einer Schlucht gefangen, in die wir über einen Wasserfall gelangten, den wir hinabschlittern aber natürlich nicht wieder hochklettern konnten. Wir mussten also eine Felswand von 150 Metern Höhe hinaufklettern, deren Stein so brüchig war, dass man kaum Tritte und Griffe fand. Wir kamen so langsam vorwärts, dass wir etwa eineinhalb Stunden in der Wand hingen. Noch nie zuvor in meinem Leben hatte ich solche Angst, zu sterben. Einmal glitt ich aus und konnte mich nur retten, indem ich mich an einem kleinen Baum festhielt, der aus dem Fels wuchs. An jenem Tag bekam ich graue Haare und eine neue Wertschätzung für das Leben.
Als Henry diese Woche fragte “wieso gehen wir nicht mal ein paar Tage in den Regenwald?” sagte ich also sofort zu.
Wir brechen noch heute auf, denn eine längere Wartezeit würde nur bedeuten, dass wir uns vorbereiten oder gar nützliche Dinge wie Zelt, Schlafsack oder Moskitonetz besorgen könnten. „Nein, das brauchen wir alles nicht. Wir finden schon einen Platz zum Schlafen“, beruhigte mich mein Reiseleiter, bevor er zugab dass es auch für ihn der erste Besuch im Tipnis-Nationalpark sein würde. Aber mit der Zeit habe ich gelernt, dass die wichtigsten Charaktereigenschaften eines Reisepartners Optimismus und Humor sind. Mit diesen beiden Werkzeugen bekommt man alles andere schon irgendwie hin.
Und tatsächlich leben im Tipnis-Nationalpark Menschen, also wieso sollten wir keine Herberge finden? Na gut, vielleicht weil es das Zentrum der bolivianischen Kokainproduktion ist und die Drogisten nicht so scharf auf neugierige Ausländer mit Kameras sind. Andererseits haben Drogenschmuggler Flugzeuge, mit denen wir mitfliegen können, wenn wir uns im Dschungel verlaufen haben.
Falls nicht, müssen wir halt auf ein Boot warten
oder die Flüsse zu Fuß durchqueren.
Letzteres bereitet mir nur wegen der Schlangen, Krokodile und Delphine Sorgen.
Wenn ich bis Sonntag oder so nicht zurück bin, wisst Ihr, wo Ihr zu suchen anfangen könnt. Und falls ich niemals zurückkomme, tut es mir leid um all die Artikel über meine Reisen der letzten Jahre, die ich aus Zeitmangel noch nicht geschrieben habe. Dann müsst Ihr eben selbst reisen und die Welt erkunden!
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