Islam, Judentum, Beschneidungen, Strafrecht – mit dieser Kombination von Reizthemen tobt natürlich die Diskussion nach dem „Beschneidungsurteil“ des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012.
Es wurde schon Alles gesagt, auch schon von fast jedem, also bedarf es meines Kommentars nicht – obwohl ich mir am Ende dieses Artikels einen kurzen Meinungsbeitrag nicht verkneifen konnte. Daß es mich als Juristen schmerzt, die unsachgemäße und unfundierte Diskussion über eine Gerichtsentscheidung mitverfolgen zu müssen, ist auch nichts Besonderes. Spätestens seit dem „Kruzifix-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts bin ich diesbezüglich auf das tiefstmögliche Niveau der öffentlichen Debatte vorbereitet.
Was mich dann aber doch wundert, ist daß diesmal von vielen, die sich lauthals in die Diskussion einbringen, selbst der Inhalt des vergleichsweise knappen Urteils überhaupt nicht zur Kenntnis genommen zu worden sein scheint. Wie sonst ließe es sich erklären, daß viele von einem „Verbot der Beschneidung“ sprechen?
Deshalb ganz knapp der Tenor des Urteils: Der Arzt, der die Beschneidung vorgenommen hatte, wurde vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen. Das Landgericht Köln stellte zwar fest, daß seiner – und auch meiner – Meinung nach eine medizinisch nicht angezeigte Beschneidung den Tatbestand der Körperverletzung erfülle und daß das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit höher wiege als die eventuelle Religionsfreiheit der Eltern, stellte dem Arzt jedoch zu Gute, daß hierüber die Meinungen so weit auseinander gingen, daß er in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum und damit ohne Schuld gehandelt hatte. Ergebnis: Freispruch.
Da das Landgericht Köln ausdrücklich ausführt, daß es hierüber die unterschiedlichsten Meinungen gibt, ist dem Urteil nichts zu entnehmen, womit die Unvermeidbarkeit dieses Verbotsirrtums in Zukunft beseitigt würde. Da zudem Gerichtsurteile in solchen Fällen keine Wirkung außerhalb dieses Einzelfalls beanspruchen, sind Beschneidungen in Deutschland also mitnichten „verboten“.
Und nun zur Versachlichung der Diskussion das Urteil des LG Köln im Volltext:
= = = Beginn Volltext des Urteils = = =
151 Ns 169/11
Vorinstanz: Amtsgericht Köln, 528 Ds 30/11
Rechtskraft: rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 21.09.2011 wird verworfen.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
G r ü n d e :
2
I.
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Die Staatsanwaltschaft Köln wirft dem Angeklagten vor, am 04.11.2010 in Köln eine andere Person mittels eines gefährlichen Werkzeugs körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Alternative 2 StGB):
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Am 04.11.2010 führte der Angeklagte in seiner Praxis in der S-Straße in Köln unter örtlicher Betäubung die Beschneidung des zum Tatzeitpunkt vierjährigen K1 mittels eines Skalpells auf Wunsch von dessen Eltern durch, ohne dass für die Operation eine medizinische Indikation vorlag. Er vernähte die Wunden des Kindes mit vier Stichen und versorgte ihn bei einem Hausbesuch am Abend desselben Tages weiter. Am 06.11.2010 wurde das Kind von seiner Mutter in die Kindernotaufnahme der Universitätsklinik in Köln gebracht, um Nachblutungen zu behandeln. Die Blutungen wurden dort gestillt.
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Das Amtsgericht Köln hat den Angeklagten mit Urteil vom 21.09.2011 (528 Ds 30/11) auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Köln form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Das Rechtsmittel hatte im Ergebnis keinen Erfolg.
6
II.
7
Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft hat sich in tatsächlicher Hinsicht in der Hauptverhandlung bestätigt. Der Angeklagte hat das äußere Geschehen in vollem Umfange eingeräumt. Ergänzend hat die Kammer festgestellt, dass die Familie des Kindes dem islamischen Glauben angehört. Der Angeklagte führte die Beschneidung aus religiösen Gründen auf Wunsch der Eltern durch. Aufgrund des von der Kammer eingeholten Sachverständigengutachtens steht fest, dass der Angeklagte fachlich einwandfrei gearbeitet hat. Ein Behandlungsfehler liegt nicht vor. Außerdem besteht – so der Sachverständige – jedenfalls in Mitteleuropa keine Notwendigkeit Beschneidungen vorbeugend zur Gesundheitsvorsorge vorzunehmen.
8
III.
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Der Angeklagte war aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
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Der äußere Tatbestand von § 223 Abs. 1 StGB ist erfüllt. Nicht erfüllt sind die Voraussetzungen von § 224 Abs. 1 Nr. 2, Alternative 2 StGB. Das Skalpell ist kein gefährliches Werkzeug im Sinne der Bestimmung, wenn es – wie hier – durch einen Arzt bestimmungsgemäß verwendet wird (vgl. BGH NJW 1978, 1206; NStZ 1987, 174).
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Die aufgrund elterlicher Einwilligung aus religiösen Gründen von einem Arzt ordnungsgemäß durchgeführte Beschneidung eines nicht einwilligungsfähigen Knaben ist nicht unter dem Gesichtspunkt der sogenannten „Sozialadäquanz“ vom Tatbestand ausgeschlossen. Die Entwicklung der gegenteiligen Auffassung durch Exner (Sozialadäquanz im Strafrecht – Zur Knabenbeschneidung, Berlin 2011, insbesondere Bl. 189 f.) überzeugt nicht. Die Eltern bzw. der Beschneider sollen demnach nicht über § 17 StGB entschuldigt sein. Der Veranlassung der Beschneidung durch die Eltern soll auch keine rechtfertigende Wirkung zukommen, da dem Recht der Eltern auf religiöse Kindererziehung in Abwägung zum Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung kein Vorrang zukomme, so dass mit der Einwilligung in die Beschneidung ein Widerspruch zum Kindeswohl festzustellen sei. Gleichwohl soll der gegen das Kindeswohl verstoßende und nicht entschuldigte Vorgang sozial unauffällig, allgemein gebilligt und geschichtlich üblich und daher dem formellen Strafbarkeitsverdikt entzogen sein.
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Nach richtiger Auffassung kommt der Sozialadäquanz neben dem Erfordernis tatbestandspezifischer Verhaltensmissbilligung keine selbstständige Bedeutung zu. Die Sozialadäquanz eines Verhaltens ist vielmehr lediglich die Kehrseite dessen, dass ein rechtliches Missbilligungsurteil nicht gefällt werden kann. Ihr kommt nicht die Funktion zu, ein vorhandenes Missbilligungsurteil aufzuheben (vgl. Freund in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., vor §§ 13 ff. Rn. 159; im Ergebnis ebenso: Fischer, StGB, 59. Aufl., § 223 Rn. 6 c, anders noch bis zur 55. Aufl., § 223 Rnr. 6 b; wie hier ferner: Herzberg, JZ 2009, 332 ff.; derselbe Medizinrecht 2012, 169 ff.; Putzke NJW 2008, 1568 ff.; Jerouschek NStZ 2008, 313 ff.; a.A. auch: Rohe JZ 2007, 801, 802 und Schwarz JZ 2008, 1125 ff.).
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Die Handlung des Angeklagten war auch nicht durch Einwilligung gerechtfertigt. Eine Einwilligung des seinerzeit vierjährigen Kindes lag nicht vor und kam mangels hinreichender Verstandesreife auch nicht in Betracht. Eine Einwilligung der Eltern lag vor, vermochte indes die tatbestandsmäßige Körperverletzung nicht zu rechtfertigen.
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Gemäß § 1627 Satz 1 BGB sind vom Sorgerecht nur Erziehungsmaßnahmen gedeckt, die dem Wohl des Kindes dienen. Nach wohl herrschender Auffassung in der Literatur (vgl. Schlehofer in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., vor §§ 32 ff. Rn. 43; Lenckner/Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., vor §§ 32 ff. Rn. 41; Jerouschek NStZ 2008, 313, 319; wohl auch Exner a.a.O.; Herzberg a.a.O.; Putzke a.a.O.) entspricht die Beschneidung des nicht einwilligungsfähigen Knaben weder unter dem Blickwinkel der Vermeidung einer Ausgrenzung innerhalb des jeweiligen religiös gesellschaftlichen Umfeldes noch unter dem des elterlichen Erziehungsrechts dem Wohl des Kindes. Die Grundrechte der Eltern aus Artikel 4 Abs. 1, 6 Abs. 2 GG werden ihrerseits durch das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung gemäß Artikel 2 Abs.1 und 2 Satz 1 GG begrenzt. Das Ergebnis folgt möglicherweise bereits aus Artikel 140 GG i.V.m. Artikel 136 Abs. 1 WRV, wonach die staatsbürgerlichen Rechte durch die Ausübung der Religionsfreiheit nicht beschränkt werden (so: Herzberg JZ 2009, 332, 337; derselbe Medizinrecht 2012, 169, 173). Jedenfalls zieht Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG selbst den Grundrechten der Eltern eine verfassungsimmanente Grenze. Bei der Abstimmung der betroffenen Grundrechte ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Die in der Beschneidung zur religiösen Erziehung liegende Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist, wenn sie denn erforderlich sein sollte, jedenfalls unangemessen. Das folgt aus der Wertung des § 1631 Abs. 2 Satz 1 BGB. Zudem wird der Körper des Kindes durch die Beschneidung dauerhaft und irreparabel verändert. Diese Veränderung läuft dem Interesse des Kindes später selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden zu können zuwider. Umgekehrt wird das Erziehungsrecht der Eltern nicht unzumutbar beeinträchtigt, wenn sie gehalten sind abzuwarten, ob sich der Knabe später, wenn er mündig ist, selbst für die Beschneidung als sichtbares Zeichen der Zugehörigkeit zum Islam entscheidet (zu den Einzelheiten vgl.: Schlehofer a.a.O.; a.A. im Ergebnis Fischer, 59. Aufl., § 223 Rn. 6 c; inzident wohl auch: OLG Frankfurt NJW 2007, 3580; OVG Lüneburg NJW 2003, 3290; LG Frankenthal Medizinrecht 2005, 243, 244; ferner Rohe JZ 2007, 801, 802 jeweils ohne nähere Erörterung der Frage). Schwarz (JZ 2008, 1125, 1128) bewertet die Einwilligung unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Kriterien als rechtfertigend, er geht jedoch nur auf die Elternrechte aus Artikel 4 und 6 GG, nicht hingegen – was notwendig wäre – auf die eigenen Rechte des Kindes aus Artikel 2 GG ein. Seine Auffassung kann schon aus diesem Grunde nicht überzeugen.
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Der Angeklagte handelte jedoch in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum und damit ohne Schuld (§ 17 Satz 1 StGB).
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Der Angeklagte hat, das hat er in der Hauptverhandlung glaubhaft geschildert, subjektiv guten Gewissens gehandelt. Er ging fest davon aus, als frommem Muslim und fachkundigem Arzt sei ihm die Beschneidung des Knaben auf Wunsch der Eltern aus religiösen Gründen gestattet. Er nahm auch sicher an sein Handeln sei rechtmäßig.
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Der Verbotsirrtum des Angeklagten war unvermeidbar. Zwar hat sich der Angeklagte nicht nach der Rechtslage erkundigt, das kann ihm hier indes nicht zum Nachteil gereichen. Die Einholung kundigen Rechtsrates hätte nämlich zu keinem eindeutigen Ergebnis geführt. Ein unvermeidbarer Verbotsirrtum wird bei ungeklärten Rechtsfragen angenommen, die in der Literatur nicht einheitlich beantwortet werden, insbesondere wenn die Rechtslage insgesamt sehr unklar ist (vgl. Joecks in: Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl., § 17 Rn. 58; Vogel in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 17 Rn. 75; BGH NJW 1976, 1949, 1950 zum gewohnheitsrechtlichen Züchtigungsrecht des Lehrers bezogen auf den Zeitraum 1971/1972). So liegt der Fall hier. Die Frage der Rechtmäßigkeit von Knabenbeschneidungen aufgrund Einwilligung der Eltern wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Es liegen, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, Gerichtsentscheidungen vor, die, wenn auch ohne nähere Erörterung der wesentlichen Fragen, inzident von der Zulässigkeit fachgerechter, von einem Arzt ausgeführter Beschneidungen ausgehen, ferner Literaturstimmen, die sicher nicht unvertretbar die Frage anders als die Kammer beantworten.
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IV.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.
= = = Ende Volltext des Urteils = = =
So, nach dieser Lektüre können wir jetzt alle in die sachliche Diskussion einsteigen. Diese beginne ich mit der These, daß die Religionsfreiheit von A und B diese niemals zur Körperverletzung von C berechtigen können. Daß C das Kind von A und B ist, ist meiner Meinung nach dabei unerheblich. Art. 6 II GG schützt das Recht der Eltern zur „Pflege und Erziehung der Kinder“. Unter keine dieser Alternativen halte ich das medizinisch nicht notwendige Abtrennen von Körperteilen für subsumtionsfähig.
Deine These kommt mir bekannt vor.
https://blasphemieblog2.wordpress.com/2012/06/26/gericht-stellt-religiose-beschneidung-unter-strafe/#comment-76821
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Hallo Herr Moser,
ich bin kein Jurist, deshalb meine, sicherlich einer rechtlichen Überprüfung nicht stand haltende These:
Es gibt keinen Grund die Beschneidung zu kriminalisieren. Wenn überhaupt eine strafrechliche Relevanz vorliegen sollte, dann müsste der Betroffene sie einklagen. Das könnte er nach der Volljährigkeit tun. Dann gäbe es für die Staatsanwaltschaft einen Grund die Strafverfolgung aufzunehmen. Dann müsste sich ggf. ein Gericht damit beschäftigen.
Übrigens würde das dann für alle körperlichen Eingriffe beim unmündigen Kind gelten. Ich glaube, da geraten wir in „ganz tiefes Fahrwasser“.
Solange das nicht geklärt ist, meine ich, dass man die Beihilfe (durch den Arzt) und die Anstiftung (durch die Eltern) erst mal auf sich beruhen lassen sollte.
Außerdem erscheint mir der Weg bis zur obersten Rechtsprechung sehr weit zu sein.
Dann gibt es auch noch Europa!
Übrigens ein Jurist hier in Berlin, finde jetzt nicht auf die Schnelle wer das war, hat, ebenso wie Sie, auf die juristische Lage hingewiesen.
Das machte natürlich auf niemanden einen Eindruck.
Es lies sich ja auch so vortrefflich über die Beschneidung, mit einem hohen Unterhaltungswert, schwafeln.
Dass im Fernsehen dann Ärzte auftraten, die erklärten, dass sie auf Grund der neuen Rechtslage (sic), die nicht medizinisch notwendige Beschneidung an ihrem Krankenhaus eingestellt haben, setzte der ganzen Aufregung noch das „Sahnehäubchen auf.
Für mich war interessant, dass auch heute noch ein „Rattenfänger aus Hameln“ viele Menschen hinter sich versammeln kann. Das ist für Deutschland kein Zeichen einer hohen Intelligenz und macht mir auch Angst, weil es auch in anderer Weise leicht missbräuchlich eigesetzt werden könnte.
http://www.welt.de/kultur/article107289612/Beschneidungsverbot-verstoesst-gegen-das-Grundgesetz.html
Beschneidungsverbot verstößt gegen das Grundgesetz
Das Kölner Urteil zur religiös motivierten Beschneidung verstößt gegen das Verfassungsgebot von der “Freiheit des Glaubens”. So hat es das Bundesverfassungsgericht schon einmal gesehen.
Rechtlich bedeutet diese Art von Freiheit mehr als bloße Toleranz. Welcher Glauben auch immer gemeint ist, die Bundesrepublik fühlte sich bisher verpflichtet, dessen Regeln selbst dann zu schützen, wenn sie das moralische Empfinden eines Teil der Bevölkerung stören.
Der Beitritt zum Bund (auf Hebräisch “Berit Mila”), den die Beschneidung vollzieht, gilt als das wichtigste aller Gebote. Sie darf selbst an den höchsten jüdischen Feiertagen vorgenommen werden.
Die Begründung dafür lässt sich im ersten Buch Mose 17,11 finden: “Wenn aber ein Männlicher nicht beschnitten wird an seiner Vorhaut, wird er ausgerottet werden aus seinem Volke, weil er meinen Bund gebrochen hat.” Ähnliches findet sich in den Koranauslegungen. Auch sie werden vom Grundgesetz geschützt. Wäre es nicht so, verlöre die Demokratie einen maßgeblichen Teil ihrer westlichen Überzeugungen.
Liebe Yael,
das Gericht hat überhaupt nicht über die Beschneidung von einem jüdischen Jungen geurteilt, sondern über die eines muslimischen Jungen. Bei Muslimen gibt es keine religiös vorgegebene Altersbegrenzung für die Beschneidung, auch wenn es der Tradition entsprechen mag, ihn im Alter zwischen 4 und 6 Jahren beschneiden zu lassen. In solch einem Fall ist es unter Abwägung aller in Frage kommender Rechte zumutbar und juristisch korrekt, den Rechten des Jungen auf körperliche Unversehrtheit größeres Gewicht einzuräumen.
Wie die Abwägung im Falle der Brit Mila ausfallen würde, ist ein juristisch äußerst interessantes Thema. Urteile zu diesem Fall existieren nicht. Die Verschärfung des Kinderschutzes in § 1631 Absatz 2 BGB im Jahre 2000 stellt uns vor zusätzliche Probleme (das Gesetz kannst Du googlen wenn Du magst). Irgendwie will jeder, dass die jüdische Gemeinschaft ihren Glauben ausleben kann. Andererseits kollidieren hier Grundrechte mit zentralen religiösen Geboten in einer Weise, wie ich das noch nie so erlebt habe. Auch ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz würde jede Menge Folgeprobleme auf den Plan werfen, allein schon wegen der Ungleichbehandlung anderer Religionen gegenüber – die dann von Rechts wegen Gleichbehandlung einfordern könnten. Beispiel: die Zeugen Jeh***s glauben, dass die Seele eines Menschen nicht in den Himmel käme, wenn sie mit fremdem Blut vermischt werden würde (Transfusion). Ach und noch so viel anderes, damit will ich Dir nicht auf die Nerven gehen… 🙂
Wie Du siehst: es ist eine Herkulesaufgabe, eine Mission Impossible. Man könnte schier daran verzweifeln. Im Falle der Abtreibung gab es andererseits auch schon mal eine Mission Impossible und doch eröffnete sich am Ende aller Tage eine salomonische Lösung. Die verfeindeten Lager mögen damit nicht ganz einverstanden sein, aber was soll man machen. 😉
Lebbe geht waidaa, Yael.
So, ich bin jetzt noch mal durch meine Datenbank getigert und habe erwartungsgemäß kein einziges Urteil des BVerfG gefunden, in dem die Beschneidung für rechtmäßig erklärt worden sein soll. Wäre das so gewesen, so wäre das für das LG Köln bindend gewesen (Artikel 31 Abs.1 GG), es hätte also das Beschneidungsurteil so nicht gegeben. Die „Welt“ hat auch keine einzige Quelle genannt. Deren fragwürdige journalistische Sorgfalt ist mir schon oft aufgefallen.
In dem von der WELT zitierten Urteil ging es um etwas vollständig anderes, nämlich um den Fall einer aus religiösen abgelehnten Bluttransfusion. Daraus läßt sich für Beschneidungen nicht viel ableiten.
In dem Bluttransfusions-Urteil hatte sich eine erwachsene Frau aus religiösen Gründen geweigert, eine notwendige Heilbehandlung an sich selbst vornehmen zu lassen. Hieran wird die Religionsfreiheit als Selbstbestimmungsrecht besonders deutlich. Sie hört auf, wo die Rechte anderer beginnen – deshalb ist ein Vergleich mit Beschneidungsurteil absurd.
… habe meine Meinung nach Studium der medizinischen Lage und der Auswirkungen der Beschneidung auf das sexuelle Empfinden bei Männern dahingehend, sagen wir mal, verschärft, dass ich ein Erlaubnisgesetz für verfassungsrechtlich nicht haltbar erachte. Zudem gibt es wohl in Österreich schon die ersten Bestrebungen von Schadenersatzklagen Beschnittener gegen den Staat.
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Petition gegen rituelle Beschneidung an Minderjährigen
20. Juli 2012
Text der Petition
Der Deutsche Bundestag möge beschließen, Personensorgeberechtigten jede rituelle, medizinisch nicht indizierte Beschneidung eines Jungen (Zirkumzision) oder eines Mädchens (nach der Typisierung der World Health Organisation die FGM vom Typ I, II, III, IV) im Hinblick auf die Verwirklichung der körperlichen Unversehrtheit des Kindes oder Jugendlichen bis zu dessen Volljährigkeit zu untersagen. Um dem Individuum die Option auf ein Leben mit unversehrten Genitalien und mit der Option auf eine selbstgeschriebene Biographie zu ermöglichen, insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung, ob eine lebenslange Sexualität mit oder ohne Präputium (Junge) oder Klitorisvorhaut (Mädchen) verwirklicht wird, möge der Bundestag beschließen, in das Bürgerliche Gesetzbuch Buch 4 Familienrecht Abschnitt 2 Verwandtschaft Titel 5 Elterliche Fürsorge § 1631 Inhalt und Grenzen der Personensorge einzufügen:
§ 1631d
Verbot der rituellen Genitalmutilation
Die Eltern können nicht in eine rituelle, medizinisch nicht indizierte Beschneidung ihres Sohnes (Zirkumzision) oder ihrer Tochter (nach der Typisierung der World Health Organisation die FGM vom Typ I, II, III, IV) einwilligen. Auch das Kind selbst kann nicht in die Beschneidung einwilligen. § 1909 findet keine Anwendung.
http://eifelginster.wordpress.com/2012/07/21/297/
Ali Utlu spricht offen über das Trauma seiner Beschneidung und über die sexuellen Einschränkungen, die sie verursacht. Die Kritik am Urteil des LG Köln wird immer haltloser…
Mein YouTube Video-Tipp:
Die Feministin, Ex-Europapolitikerin und GRÜNEN-Mitgründerin Eva Quistorp will die Jungenbeschneidung legalisieren, solange das vorher heile und hinterher rituell versehrte Kind nur ausreichend medikamentös betäubt ist sprich unter Drogen steht; dafür bekommt die gewaltverharmlosende so genannte Pazifistin eine herzhaft gepfefferte Kritik:
Wenig paradiesisch: Eva und die Vorhaut
Von Jacques Auvergne am 08.08.2012
http://eifelginster.wordpress.com/2012/08/08/298/
Eine Feministin, die sich nicht gleichermaßen für die Rechte von Jungen einsetzt, ist sexistisch und hat vor dem menschlichen Leben im Grunde keine Achtung. Ich musste mich auch erst einmal informieren, aber das ist man den Jungs dann auch wirklich mal schuldig.
„Ich wurde als Erwachsener [beschnitten] weil meine frühere Frau auf einer jüdischen Hochzeit bestand. Ich bereue diesen Schritt immer noch weil das Resultat wirklich scheußlich aussieht, Sex nicht mehr so viel Freude bereitet wie vorher und ich mich immer noch verstümmelt fühle. Ich verstehe nicht, was eigentlich die Vorteile sein sollen. Die Prozedur ist schmerzhaft und es gibt keine medizinischen Gründe dafür. Eine wachsende Zahl von Ärzten lehnt diese archaische Prozedur ab. (…) Ich denke ich bin ein glaubhafter Zeuge, weil ich das Leben vor und nach der Operation vergleichen kann.“
Alex S., Kommentar in der israelischen Tageszeitung „Haaretz“ zu dem Artikel „Merkel: Juden und Muslime werden für Beschneidung nicht bestraft“
Dieser Artikel sorgte noch für weitere Belustigung wie etwa: ach Juden bekommen eine Ausnahme vom Gesetz? Ich mag gerne Heroin (…) Immerhin füge ich mir nur selber Schaden zu und verstümmele nicht die Genitalien von einem jungen Kerl, um dem Märchen vom Himmel zu (genügen).
Hier die Originaltexte, die von mir laienhaft übersetzt wurden:
Haaretz
Merkel: Germany’s Jews won’t be punished for circumcisions
By JTA | Jul.13, 2012 | 8:32 PM
I was
By Alex S.
14 Jul 2012 10:04PM
„As an adult because my erstwhile wife insisted on a Jewish wedding. I still regret this step because the esthetic result is really awful, the sex is not as enjoyable as it was before and I still feel mutilated. I fail to understand what the benefits actually are. This procedure is harmful if there is no medical reason for it, A growing number of doctors objects to this archaic procedue. Will you now give a more dignified response? I think I am a credible witness, because I can compare life before and after the operation.“
So Jews are to be exempt from the law?
By Ivor Evenbiggergun
14 Jul 2012 03:14PM
„I like taking Heroin can I bew exempt from the law pertaining to the illegal possession of this drug? afterall I am only harming myself, not genitally mutilating a young chap to appease the sky fairy“
Der Artikel lautete auf deutsch: Merkel: deutsche Juden werden für Beschneidungen nicht bestraft.“
Tut mir leid, ich kommentiere das per Handy wenn ich unterwegs bin und habe dabei nicht immer alles gut im Blick.
🙂
„Ich bin froh dass, was das erste Mal sein mag, Deutschland die Menschenrechte jüdischer Babys und Kinder achtet und schützt.
Mit seiner Entscheidung hat das betreffende deutsche Gericht endlich festgestellt, dass deutschen Babys und Kindern, die von jüdischen und muslimischen Eltern (abstammen), dieselben Menschenrechte und derselbe Schutz zukommen sollte wie allen anderen deutschen Babys und Kindern auch.
Jüdische und muslimische Babys und Kinder werden endlich als vollwertige Bürger und vollwertige menschliche Wesen von deutschen Gerichten anerkannt! Ich hoffe, dass die Gerichte von mehr westlichen Industrienationen, einschließlich Finnland, den USA, Kanada und Australien, dem Beispiel folgen werden.
Ich sage das als Atheist, der als Jude geboren und der als Baby Opfer ritueller jüdischer Beschneidung wurde, die als Brit Milah bekannt ist. Ich habe mir immer gewünscht, dass mein Penis mit seiner Vorhaut intakt geblieben wäre, und ich empfinde es als Verlust, dass eine der sensibelsten,
intimsten und erogensten Teile meines Körpers von mir weggenommen wurden, als ich noch ein Baby war, ohne meine Einwilligung, um die selbstsüchtigen religiösen Ziele eines jüdischen religiösen Klerus zu befriedigen. Ich wünschte mir, dass der Staat, in dem ich aufgewachsen bin, ermächtigt gewesen wäre, mich vor diesem Klerus zu schützen und mein Recht durchzusetzen, dass ich als Erwachsener entscheiden kann, ob eine derart permanente Veränderung an meinem Körper vorgenommen wird oder nicht. Ich betrachte die Entscheidung Ihres Gerichts, die Beschneidung von Babys und Kindern (als illegal einzustufen), nicht als „antisemitisch“. Ich sehe sie als „pro-semitisch“, weil festgestellt wird, dass die unveräußerlichen Menschenrechte auf körperliche Integrität und persönlicher Sicherheit jüdischer und muslimischer Babys und ihre unveräußerlichen Rechte auf Religionsfreiheit und Freiheit von Religion zu respektieren sind, genau wie die Rechte aller anderen deutschen Bürger oder Personen, die in Deutschland wohnhaft sind. Australien und Finnland haben kürzlich extrem rassistische Gesetze erlassen, nach denen die Beschneidung von Babys und Kindern, die nicht medizinisch indiziert ist, effektiv verboten wird es sei denn, es handelt sich um Kinder jüdischer oder muslimischer Eltern; dann ist sie erlaubt. Die aktuellen Beschneidungs-Gesetze in Australien und Finnland verwehren spezifisch den als Juden und Muslime geborenen Babys und Kindern dieselben Menschenrechte und den Schutz des Gesetzes, die allen anderen Babys und Kindern in Australien und Finnland gewährt werden. Als Kind jüdischer Eltern, das Opfer einer nicht auf einem Konsens beruhenden jüdischen Beschneidung von Babys (Brit Milah) in den USA wurde, finde ich es anstößig, dass, wenn ich heute in Australien oder Finnland geboren werden würde wo Kinder generell vor Beschneidung geschützt werden, die australische und finnische Regierung mich als Mensch geringer achten würden und ihres Schutzes nicht wert, bloß wegen der Religion meiner Eltern.“
Robert Kaplan
Kommentar zur Petition für die körperliche Integrität von Kindern
Originaltext, laienhaft von mir übersetzt:
„I am glad that, for what might be the first time ever, Germany is actually respecting and protecting the human rights of Jewish infants and children.
Through their decision, the German court in question has finally recognized that German citizen infants and children who are born to Jewish and Muslim parents should be afforded the same human rights and protections as all other German citizen infants and children. Jewish and Muslim infants and children are finally being recognized as full citizens and full human beings by the German courts! I hope that the courts of more Western Industrialized nations, including Finland, the United States of America, Canada, and Australia, follow suit.
I say this as an atheist who was born Jewish and was, as an infant, the victim of Jewish ritual circumcision, known as Brit Milah. I have always wished that my penis had been left with its foreskin intact, and I feel a sense of loss that one of the most sensitive, intimate, and erogenous parts of my body was taken from me when I was an infant, without my consent, to satisfy the selfish religious goals of a Jewish religious cleric. I wish that the state where I grew up had been empowered to protect me from that religious cleric and assert my right to decide as an adult whether or not a permanent alteration is made to my body. I do not consider your court’s decision to ban infant and childhood circumcision to be „anti-semitic“. I see it as „pro-semitic“ because it recognizes that Jewish and Muslim babies should have their inalienable human rights to bodily integrity and security of the person and their inalienable rights to freedom of religion and freedom from religion respected, just like the rights of any other German citizen or person resident in Germany.
Australia and Finland currently have extremely racist public policies in place regarding circumcision which effectively ban non-medically necessary infant and child circumcisions unless the child is born to Jewish or Muslim parents, in which case, it is allowed. The current public policies regarding circumcision in Australia and Finland specifically deny Jewish born and Muslim born infants and children the same human rights and legal protections which are afforded to all other infants and children in Australia and Finland. As the child of Jewish parents who was the victim of a non-consensual Jewish infant circumcision (Brit Milah) in the USA, I find it offensive that if I were to be born today in Australia or Finland where children are generally protected from circumcision, the Australian and Finnish governments would actually consider me to be less of a human being and not worthy of their protection simply because of my parents‘ religion.“
http://www.change.org/en-CA/petitions/sabine-leutheusser-schnarrenberger-protect-children-s-rights-to-bodily-integrity-age-restrict-circumcision
Maria, vielen Dank für Deine Übersetzung.
Aber es wäre gut gewesen, Du hättest das von Kaplan geschriebene als Satire gekennzeichnet.
Ich habe es aber trotzdem erkannt. 😉
Es handelt sich keineswegs um eine seltene oder unübliche Meinung innerhalb der jüdischen Community, was allein ein Blick in die Kommentare zu diesem Thema in den Online-Ausgaben von „Haaretz“ und „The Times Of Israel“ deutlich zeigt. Du würdest über die Anzahl und die Argumente der Beschneidungsgegner wahrscheinlich überrascht sein. Auch in „The New York Times“ melden sich Gegner der Beschneidung zu Wort, die jüdischen Glaubens sind. Das Thema wird sehr streitig debattiert. Das scheint Dir wohl tatsächlich etwas auszumachen. 🙂 Oooooh nein, Gegenmeinungen, sowas… nee das muss dann wohl Satire sein, nee nee… hahaha!
🙂
Allerdings wirst Du natürlich solche Meinungen seltener unter den radikalen Siedlern oder den Ultra-Orthodoxen antreffen. Auch die in der Öffentlichkeit auftretenden Religionsvertreter äußern sich anders. Das liegt irgendwo in der Natur der Sache.
Die Infragestellung der Beschneidung innerhalb der jüdischen Glaubensgemeinschaft ist keineswegs neu, es gab bereits in der Vergangenheit einige Aktionen hierzu. Mit dem kölner Urteil hat sie jedoch Auftrieb erhalten. Das Problem, dass sich zahlreiche Beschnittene wünschen, nicht beschnitten worden zu sein – das äußern innerhalb der jüdischen Gemeinschaft viel mehr Menschen offen und ehrlich als in der muslimischen, in der man hierfür gesellschaftliche Nachteile zu befürchten hat – ist durchaus gravierend. An dieser Stelle kommen wir zu der Frage einer gesetzlichen Erlaubnis, die auch in die Rechte derer eingreift, die sich als Erwachsene sehr wohl verstümmelt fühlen. Ich habe leider nicht die Zeit, um Dir all die vielen, vielen Äußerungen dieser Art hier aufzuführen und dafür bräuchte ich wohl fast schon einen eigenen Blog.
Aber behalte mal Deinen Humor. 😉
Thomas Heilmann (CDU) will für Berlin die körperliche Unverletzlichkeit der männlichen Berliner Kinder „übergangsweise“ opfern und rituelle Genital-Beschneidungen straffrei stellen:
Quelle: WELT 9. Aug. 2012, 22:48
Justizsenator will Beschneidung einheitlich regeln
Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) will in Berlin schnell Rechtsklarheit beim Umgang mit religiösen Beschneidungen schaffen. „Bis eine bundesweite Regelung getroffen ist, wollen wir eine Berliner Linie festlegen“, sagte Heilmann-Sprecherin Lisa Jani. Damit bestätigte sie Informationen des „Tagesspiegels“.
Derzeit liefen Gespräche mit der Staatsanwaltschaft, jüdischen und islamischen Gemeinden sowie Verbänden und Ärzten. Es solle eine Übergangsregelung erarbeitet werden, betonte die Sprecherin. Die Überlegungen seien noch ganz am Anfang.
Nach Angaben der Justizverwaltung liegen keine Strafanzeigen gegen Ärzte oder Beschneider vor. Betroffene Familien und Ärzte wollten aber wissen, was erlaubt sei und was nicht. …
Das Landgericht Köln hatte Ende Juni eine religiös motivierte Beschneidung für rechtswidrig erklärt. Das erste Urteil dieser Art ist eine Einzelfallentscheidung und nicht bindend für andere Gerichte. Dennoch herrscht Verunsicherung. Viele Ärzte bieten diese Eingriffe seither nicht mehr an.
Der Bundestag macht sich nun für ein Neuregelung stark, um medizinisch fachgerechte Beschneidungen aus religiösen Gründen zu erlauben. Nach einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur vom Wochenende sind den deutschen Strafverfolgungsbehörden bislang keine weiteren Strafanzeigen wegen der Beschneidung von Kindern bekannt.
Die meisten Staatsanwaltschaften haben sich noch nicht festgelegt, wie sie in solchen Fällen vorgehen wollen. Eine Ausnahme ist Baden-Württemberg. Dort soll die rituelle Beschneidung von Jungen weiter grundsätzlich straffrei bleiben, wenn sie medizinisch korrekt ausgeführt wird.
http://www.welt.de/regionales/berlin/article108558332/Justizsenator-will-Beschneidung-einheitlich-regeln.html
Quelle: dapd
in: WELT 09.08.12
„Wir hoffen, in den nächsten Wochen eine Regelung für Berliner Strafverfolgungsbehörden zu finden“
Berlin (dapd-bln). Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) strebt für die Hauptstadt übergangsweise eine einheitliche Regelung im Umgang mit religiösen Beschneidungen an. „Wir hoffen, in den nächsten Wochen eine Regelung für die Berliner Strafverfolgungsbehörden zu finden“, sagte Heilmann dem „Tagesspiegel“ (Freitagausgabe). Diese Lösung solle nur für den Zeitraum gelten, bis eine bundeseinheitliche Regelung gefunden sei, bestätigte eine Sprecherin der Justizverwaltung.
Heilmann unterstrich gegenüber der Zeitung, dass die juristische Einordnung ein schwieriges Thema sei. Die Verwaltung sei derzeit in Gesprächen mit Verbänden und Interessengruppen. Mit einer Handlungsanweisung für Strafverfolger könnte sichergestellt werden, in welchen Fällen zu ermitteln oder aber ein mögliches Verfahren einzustellen ist.
Das Kölner Landgericht hatte Ende Juni die Beschneidung von Jungen als strafbare Körperverletzung gewertet, selbst wenn die Eltern einwilligen.
http://www.welt.de/newsticker/news3/article108558723/Justizsenator-will-Beschneidung-uebergangsweise-einheitlich-regeln.html
Medizinisch korrekt, so wie es sich unsere Politiker vorstellen, wurde dieser junge Mann mit dem Benutzernamen „Baba“ beschnitten:
„Ich wurde mit 5 beschnitten.
Mein Vater, der leider vor einigen Jahren verstarb, zwang mich aus religiöser Überzeugung. Meine Mutter, die anfangs skeptisch war, wurde von ihm, den Ärzten und muslimischen Bekannten überredet.
Keiner von denen wusste wirklich, was Beschneidung bedeutet. Ausser der Arzt, aber der sagte nichts. Nur dass es sehr gut ist, und sehr hygienisch. Da ich seit einer Krankheit im Kindesalter Probleme mit meinem Gehör habe, sollte ich zu einer Untersuchung, in der ich unter Vollnarkose operiert werden musste. Diese Chance namen meine Eltern wahr, um mich beschneiden zu lassen.
Mir hat man nichts gesagt. Aus Angst ich könnte eine Szene machen. Ich bin ins Krankenhaus gefahren und alle waren sehr nett zu mir. Dann bekam ich die Narkose. Das Nächste, was ich weiß, ist, dass ich nackt auf der Bettkante sitze und bitterlich weine. Mein Penis sieht grotesk aus, er ist so geschwollen, dass er fast rund ist. Die Eichel, die ich davor noch nie gesehen habe, ist pink. Ein komischer Ring ist an ihrem Ende und hält die Haut zurück. Es tut furchtbar weh. Mein Vater beteuert immer wieder wie stolz er auf mich ist. Dass ich jetzt ein richtiger Muslim sei. Ich weinte trotzdem.
Die nächsten drei Wochen waren eine Qual. Ich weiß nicht ob die Narben weh taten oder die vertrocknende, freigelegte Eichel. Ich konnte keine Hose tragen. Ich konnte nicht laufen. Ich konnte mich im Bett nicht zudecken. Ich lag stundenlang im Bett auf dem Rücken mit angewinkelten Knien, dass die Decke meine Eichel nicht berührt. Tagelang. Ich weinte häufig. Das erste mal, als ich auf’s Klo ging, wusste ich nicht, was passieren würde. Ich hatte Angst es könnte weh tun. Ich hatte Recht. Von nun an hielt ich es zurück, bis es nicht mehr ging. Der Druck war deshalb größer. Es war schlimmer. Aber ich hatte Angst.
Irgendwann tat es nicht mehr weh. Ich konnte keine engen Hosen tragen. Wie lange weiß ich nicht. Es kommt mir heute wie eine Ewigkeit vor. Aber auch das verging. Irgendwann.
Eines Tages spielte ich mit meinen Freunden in der Umgebung. Einer sagte er müsse auf’s Klo. Ich musste auch. Wir gingen zu einem Busch. Er machte die Hose auf und pinkelte. Ich pinkelte nicht. Ich schämte mich. Zum ersten mal. Die Scham blieb. Bis heute. In der Schule, beim Schwimmunterricht, kämpfte ich mich immer ganz nach vorne, an die Türe, um den Platz an der Ecke zu bekommen. Während die anderen Jungs nackt herumalberten, zog ich mich mit Hilfe eines Handtuchs um und verlies den Raum fluchtartig. In der Sauna zog ich immer eine Badehose an. Ich ging nie in Gemeinschaftsduschen. Niemand durfte wissen, dass ich anders war. Ich wollte immer gerne wie die anderen sein. Einfach mal mit meinen Freunden nackt in den See springen. Sprüche wie: „Der will uns seinen kleinen Schwanz nicht zeigen!“ ertrug ich. Ich lachte mit. Niemand durfe den wahren Grund wissen. Heute weiß ich, dass ich nicht ausgelacht werden würde, aber das „nicht nackt sein dürfen“ brannte sich so in mein Unterbewusstsein, dass ich bis heute nicht die Kraft finde, diese Angewohnheit zu überwinden.
Irgendwann begann ich über all das nachzudenken. Wieso bin ich beschnitten? Weil ich ein Muslim bin.
Wieso bin ich ein Muslim? Mir fiel keine Antwort ein. Also wieso bin ich beschnitten?
Ich sprach nie mit Freunden oder Freundinnen über meine Beschneidung. Und sie fragten auch wenig.
„Mein Vater ist halt Muslim“ reichte immer als Antwort. Zum Glück.
Erst jetzt beginne ich mich mit Beschneidung auseinanderzusetzen. Erst jetzt, mit 23, lese ich über die sexuellen Folgen. Lese ich über den Sensitivitätsverlust. Ich habe nie einen unbeschnittenen Penis erigiert gesehen und war sehr überrascht als ich las, dass die Eichel weich, feucht und empfindlich ist. Ich lese über Verhornung, über Stimulanzzonen wie innere Vorhaut, Dorsalnerv oder Vorhautbändchen. Lese, dass beschnittene Männer nur die Schnittnarbe zur Stimulierung haben, da dort noch Reste der so sensiblen Vorhaut kleben. Ich denke darüber nach, wie Sex sich anfühlen könnte. Wenn alles noch da wäre. Aber das ist es nicht.
Ja, es stimmt. Ich kann länger. Noch kann ich nur länger. Aber ab wann kann ich gar nicht mehr? Ich bin 23 Jahre alt. Das heißt auch, dass ich mit ca. 23-jährigen Frauen schlafe. Aber ich muss kämpfen. Unter 20 min geht nichts. Manchmal habe ich nach einer Stunde einfach keine Lust mehr. Sex ist nicht schön, wenn man nur an seinen Orgasmus denken kann.
Meine Beschneidung ist das schlimmste, was man mir je angetan hat. Sie hat mein gesamtes Leben beeinflusst. Hat mich immer mit Scham erfüllt. Meiner Mutter tut es sehr leid. Sie sagt sie würde es nie wieder tun. Das hilft seelisch aber nicht körperlich.
Meine Vorhaut ist weg und kommt nicht wieder.“
http://www.beschneidungsforum.de/index.php?page=Thread&threadID=49
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