Um etwas Crowdfunding-Elemente in diesen Blog zu bringen, habe ich jedem Spender eine Postkarte aus Südamerika versprochen. Als dann die ersten Spenden eintrudelten, merkte ich erst, wie schwer es 2016 geworden ist, noch Postkarten zu finden.
Noch vor 10 Jahren konnte man an jedem Flughafen, an jedem Bahnhof, an vielen kleinen Kiosks und oft beim Postamt Ansichtskarten der jeweiligen Stadt und sogar kleiner Dörfer erstehen. Jetzt ist es selbst in Millionenstädten oder bei gutbesuchten Touristenattraktionen schwer, Postkarten zu finden. In Bolivien habe ich bei den UNESCO-Weltkulturerben El Fuerte und bei der Jesuitenkirche in San José de Chiquitas keine Postkarten gefunden. Als ich im Museum in San José danach fragte, wurde ich milde belächelt, wie jemand, der ein paar Jahrzehnte zu spät auf die Welt gekommen ist.
Ich verstehe ja, dass jetzt jeder selbst Fotos macht, aber Ihr könnt die nicht ausdrucken und Ihr könnt nichts darauf schreiben. Ach, Ihr stellt einfach die Fotos bei Facebook ein? Aber das hat doch nicht die gleiche romantische Wirkung wie etwas Handgeschriebenes, vom Regen Verwaschenes, das Wochen später ankommt. Und die exotischen Briefmarken, die immer eine interessante Kleinigkeit über das Absenderland verraten! Das ist Euch alles egal? Was für eine schnöde neue Welt.
So machte sich schon die Befürchtung breit, dass ich etwas versprochen hatte, was ich nicht halten konnte und dass die Verträge aufgrund Unmöglichkeit der Leistungserbringung rückabgewickelt werden müssten. In Cochabamba in Bolivien startete ich einen letzten Versuch. Laden um Laden klapperte ich ab. Nichts. Museen? Vergebens. Kirchen und Klöster? Vergebens. Mein letzter Besuch galt der Touristeninformation an der Plaza Colón. Keine Postkarten. Aber ein Herr dort gab mir etwas Hoffnung: „Im Schreibwarenladen in den Arkaden an der Plaza 14 de Septiembre gibt es noch Postkarten. Glaube ich.“

Ich fand den Laden, sah aber zwischen all den Notizblöcken, Landkarten und Geschenkpapier keine Postkarten. Schon ganz verzweifelt wagte ich die Frage: „Haben Sie vielleicht Ansichtskarten von Cochabamba?“ „Ja“, antwortete der Ladeninhaber, der allein im Laden war, „aber die sind schon etwas älter.“ Das mache gar nichts, erklärte ich erfreut.
Er stieg auf eine Holzleiter und kramte hinter einem alten Fernseher auf einem schiefen Holzregal eine kleine, braune Schachtel hervor. Offensichtlich hatte schon seit Jahren niemand mehr nach Postkarten gefragt. Als er sie öffnete, erblickte ich Zeugnisse einer Zeit, die ich selbst nicht erlebt hatte. Die Postkarten waren mehr als „schon etwas älter“.
Hier zum Beispiel die Postkarte, die den Flughafen von Cochabamba zeigt.

„Diese Fluglinie gibt es nicht mehr“, erklärte er mir bedauernd und fragte, ob ich wisse, was für ein Fugzeugtyp abgebildet ist. Die Rückseite der Postkarte gibt leider keine Auskunft, nicht einmal über das Jahr der Aufnahme. Ich habe nicht viel Ahnung von Flugzeugen und fand erst bei der späteren Recherche heraus, dass es wohl eine Lockheed L-188 Electra war, die zuletzt 1961 produziert wurde, aber natürlich bis weit später in Betrieb gewesen sein konnten.
Die Postkarten stammen alle aus der gleichen Zeit, die ich auf die 1960er, spätestens 1970er schätze. Der Onkel des Schreibwarenhändlers hatte die Fotos selbst aufgenommen, und sein Neffe kann gar nicht erahnen, wie froh ich bin, dass er sie trotz wahrscheinlich jahrzehntelanger Unverkäuflichkeit aufgehoben hat.
Das ist La Paz:

Das ist Copacabana am Titicaca-See.

Er hatte noch wesentlich mehr Karten im Angebot, hauptsächlich mit Detailaufnahmen von Cochabamba. Wir gingen durch die ganze Kiste und ich erkannte etliche der Kirchen oder den Palacio Portales der Patiño-Stiftung, als ein junger Mann den Laden betrat und fragte, ob es hier tinta gäbe. „Was für Tinte?“ fragte der Ladenbesitzer. „Für eine Druckerpatrone.“ Fast beleidigt winkte der Schreibwarenhändler ab. „Nein, sowas haben wir nicht. Da müssen Sie zum La-Cancha-Markt gehen.“ Das ganze Geschäft ist noch in der Vergangenheit verhaftet, aber gut zu wissen, wo ich mein Tintenfass auffüllen kann.
Apropos La Cancha: Auch vom Markt gibt es natürlich eine Postkarte.

Den hätte ich allerdings nicht erkannt. Jetzt stehen dort überall feste Buden und der Markt befindet sich aufgrund der Ausbreitung Cochabambas nach Süden mitten in der Stadt. Nur die Art der Waren und die Kleidung der Cholitas haben sich kaum verändert.

Ich muss wohl nicht extra erwähnen, dass diese Postkarten die letzten ihrer Art sind und dass sie bei Auktionen bald Preise in schwindelnder Höhe erzielen werden. Jetzt zugreifen!
Links:
- Mehr Berichte aus Bolivien.
- Die alten Flugzeuge stehen auch noch immer auf dem Flughafen herum.
Ich erinnere mich an Zeiten, da hat Pelikan-4001-Tinte „Brillant-Schwarz“ aus dem Tintenfass bzw. aus der Plastikflasche auch in Druckern funktioniert.
Heute sollte man das wohl besser nicht mehr probieren.
Kurzzeitig hatte ich mit dem Gedanken gespielt, den letzten Satz deines Kommentars zu löschen und darauf zu warten, bis es jemand ausprobiert. 🙂
Das hier war wohl die Fluglinie: https://de.wikipedia.org/wiki/Lloyd_A%C3%A9reo_Boliviano
Genau. Auf den Flughäfen in Bolivien stehen überall noch die LAB-Flugzeuge im Gras abseits der Rollbahnen und verrotten vor sich hin.
Viele Bolivianer verklären diese alte Fluglinie („damals hat alles noch reibungslos funktioniert“, „damals gab es noch exzellenten Service“) und vergessen die finanzielle Schieflage und vor allem die miserablen Sicherheitsstandards. LAB verlor seit 1945 insgesamt 32 Flugzeuge durch Unfälle, viele weitere wurden beschädigt.
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Uh,
jetzt freue ich mich noch mehr auf die Postkarte ;).
Vielen herzlichen Dank für Deine großzügige Spende!!
Leider benötigen die Potkarten aus Bolivien etwa einen Monat nach Europa, aber so kommt dann irgendwann im Frühsommer eine unverhoffte Überraschung aus den Anden.
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