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Die iranische Hauptstadt Teheran ist ein Moloch. Ein ständiges Verkehrschaos, hupende Mopeds, Autos auf der Gegenfahrbahn, Lebensgefahr beim Überqueren einer der achtspurigen Straßen. Die Bevölkerung im Großraum Teherans wird auf zwischen 11 und 15 Millionen geschätzt. Smog, Lärm, Gestank und im Sommer die Hitze rauben einem den Lebenswillen.
Doch dann hebt man den Kopf, blickt über die Hochhäuser zum Horizont, und alles wird gut. Man sieht die Berge, die unmittelbar nördlich der Stadt beginnen, und die selbst diese riesige Stadt ganz klein erscheinen lassen. Die Natur triumphiert über den Menschen und über den Beton.
„Berge im Iran? Da gibt es doch nur Wüste und vielleicht ein paar alte Steine dazwischen.“ So denken viele, bei denen der ganze Mittlere Osten von Marokko bis Persien eine Einheit darstellt, die näher zu ergründen sie zu viel Angst haben. In Wirklichkeit bietet der Iran, wie fast alle größeren Länder, alles von Meer über Wüste, Städte, Wälder und Berge. Richtig hohe Berge sogar. Das Elburs-Gebirge ragt bis auf 5.600 m hinauf. Das sind 800 m mehr als der Montblanc.
Der Totschal, der Hausberg Teherans, erhebt sich immerhin 3.964 m über die Stadt. Wenn ein Münchner davon schwärmt, dass er bei gutem Wetter die Alpen sehen kann, lächelt der Teheraner nur freundlich.
Da ich eher ein Berg- als ein Stadtmensch bin, war ich bei meinem ersten Besuch in Teheran im Dezember 2008 hocherfreut darüber, wie viele Leute mich zu einer Wanderung in die Berge einluden. Mit ein paar neuen Bekanntschaften gingen wir am Samstagmorgen zuerst in eine Halim-Bude. Ich sage Bude, weil Restaurant wirklich ein übertriebenes Wort wäre. An einer belebten Straßenkreuzung gelegen, die Türen trotz kaltem Wind sperrangelweit offen, Metalltische und -stühle stehen kreuz und quer. Die meisten Gäste waren Männer im mittleren Alter, so Typen von der Art Taxifahrer, Obststandinhaber und Fußballfans. Eine Speisekarte gab es nicht, man rief einfach nur „jek, do, se“, eins zwei oder drei für die Anzahl der Schüsseln Halim, die man haben wollte. An jenem Tag lernte ich, dass man das beste Essen dort findet, wo keine Speisekarte nötig ist, weil nur ein Gericht im Angebot ist.
Mir kam das Halim vor wie ein heißer, zähflüssiger Grießbrei. Auf dem Tisch standen Zucker- und Zimtstreuer, von letzterem machte ich reichlich Gebrauch. Es war das perfekte Frühstück vor dem Aufstieg in die Berge, sättigend, warm, wohltuend und schmackhaft. Am liebsten wäre ich noch länger sitzengeblieben, aber es war Hochbetrieb, und die nächsten hungrigen Kunden drängten sich schon um die Tische. – Später erfuhr ich, dass Halim aus Fleisch, Zwiebeln und Getreide gemacht wird; eine Information, die sich noch immer nicht mit dem süßen Geschmack deckt, den ich in Erinnerung habe.
Auf geht’s also. Teheran wächst beständig, auch nach Norden an die Berghänge heran, und so läuft man durch die Straßen, bis man plötzlich das derzeit letzte Haus (und ein Paintballspielfeld) hinter sich hat und auf dem Wanderweg zum Berg Totschal ist. Allein ist man hier allerdings nicht. Tausende von Bergwanderern sind unterwegs, darunter Hunderte von jungen Leuten. Ich bin beeindruckt, weil die europäischen Altersgenossen dieser fitten jungen Iraner um diese Zeit noch im Bett liegen und auch den Rest des Tages eher vor dem Computer als im Gebirge verbringen werden.
Ich schweife immer wieder vom Weg ab, klettere auf den Felsen und zwischen Wasserfällen herum, während meine iranischen Freunde artig auf dem Weg bleiben.
Sie werden langsamer, benötigen immer mal wieder eine Pause, atmen schwerer (wir sind schon über 2.000 m). Es dauert eine Weile, bis ich zwei weitere Lektionen in dem umfangreichen Lehrgang, als den sich meine Iran-Reise herausstellen sollte, kapiere:
- Sobald ich äußerte, dass ich gerne in die Berge ginge, war das abgemachte Sache. Schließlich bin ich der Gast. Ob meine Gastgeber wirklich darauf Lust hatten, war vollkommen egal. Wenn ich lieber zum Tauchen oder in die Oper gegangen wäre, dann hätten sie sich auch dafür begeistert. Die iranische Höflichkeit ist das exakte Gegenteil der deutschen Direktheit, was noch zu vielen Missverständnissen führen würde.
- Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind gar nicht alle so begeisterte Alpinisten, wie es mir zuerst erschien. Der große Vorteil der Berge liegt für die meisten Iraner darin, dass hier weniger Polizisten unterwegs sind. Hier können die Mädchen das gesetzlich vorgeschriebene Kopftuch noch weiter nach hinten schieben, als sie es auch in der Stadt schon tun. Hier können Jungs und Mädchen sich auch mal vor der Eheschließung an der Hand nehmen.
Ich wollte ja eigentlich ganz auf den Gipfel des Totschal, aber ich sehe, dass das mit meinen Freunden nicht zu machen ist. Und ganz ehrlich, vielleicht habe ich auch nicht die richtige Kleidung für die Besteigung eines Fast-Viertausenders im Winter an. Ich halte nichts davon, sich für Hunderte von Euros in Fachgschäften einzudecken, sondern orientiere mich eher am Bekleidungsstil der Mallory-Everest-Expedition von 1924.
Auf 2.400 m ist dann Schluß für heute. Hier steht die zweite der sieben Seilbahnstationen (und eine Bude, die Hamburger und Hot Dogs verkauft), und in einer wackligen Gondel rumpeln wir zurück in die Stadt. Aber auch in den kommenden Tagen wird mein Blick immer wieder nach oben, in diese majestätischen Berge wandern.
Übrigens, wenn Ihr mal in der Gegend seid und gerne in die Berge geht: Gleich nebenan ist Pakistan mit einigen Achttausendern; auch so ein unterschätztes Bergsteigerparadies.
Hat dies auf Persophonie: Kultur-Geschichte rebloggt und kommentierte:
Heute mache ich zum zweiten Mal von der „Rebloggen“-Funktion auf WordPress.com Gebrauch, weil ich es diese Woche einfach nicht geschafft habe, selbst einen vernünftigen Beitrag zu schreiben.
Am Montag hat sich mein Hauptbetriebssystem (Linux Ubuntu 14.04 mit Gnome-Desktop) spontan dazu entschlossen, einmal komplett abzustürzen. Warum sollten solche Spleens auch Windows vorbehalten bleiben? Aber im Ernst: Das ist mir in den letzten fünf Jahren wirklich noch nie passiert. Dafür, daß Linux überhaupt nichts kostet, ist es ein ausgezeichnetes Betriebssystem, das sich mit den teuren Konkurrenten problemlos messen kann.
Trotzdem mußte ich diese Woche nicht nur das Betriebssystem neu installieren, sondern auch alle meine nicht im Standardpaket enthaltenen Programme und natürlich deren Einstellungen. Auch meine Ubuntu-Einstellungen mußte ich neu vornehmen. Das hat zwar die Festplatte von einer Menge unnötigem Ballast befreit – plötzlich habe ich 30 GB mehr freien Speicherplatz als vorher. Aber es hat auch eine Menge Zeit gekostet. Merke: Auch bei Linux lohnt es sich, öfter mal ein System-Abbild auf eine externe Platte zu ziehen.
Nun ja, da ich mich auch noch mit ein paar Verwaltungsangelegenheiten befassen durfte, blieb diese Woche keine Zeit für den Beitrag, den ich eigentlich vorgesehen hatte. Und morgen möchte ich ausnahmsweise mal einen ganzen Tag so richtig frei haben – ohne lange Computersitzungen. Deshalb habe ich fast eine halbe Stunde lang gesucht, um Ihnen etwas Ansprechendes aus einem anderen Blog anbieten zu können. Ich hoffe, der Artikel gefällt Ihnen.
Viel Spaß beim Lesen und bis nächste Woche!
Sehr schöner Beitrag! Habe ihn eben rebloggt. 🙂
Vielen Dank!
Ich bin gerade dabei, meine alten Fotos aus dem Iran durchzugehen, und werde über die kommenden Wochen noch mehr aus Isfahan und Schiras posten. Aber für Dich als Expertin wird dabei wahrscheinlich nichts Neues dabei sein.
Ach, das kann man nie wissen. Ich bin jedenfalls gespannt darauf. 🙂
Pingback: Going into the Mountains in Iran | The Happy Hermit
Hallo Andreas, ich bin demnächst solo im Iran unterwegs und möchte allein (ohne ausländischen Tourveranstalter) den Demavand besteigen. Hast du Erfahrungen ob es lokale Touranbieter gibt, was diese kosten oder ob auch ich den Berg ohne Begleitung besteigen kann (Nationalpark Gebühren, Vorschriften…)? Beste Grüße, Stefan.
Hallo Stefan,
hervorragende Entscheidung! Ich glaube, der Iran wird Dir gefallen.
Ich selbst habe keine Erfahrungen mit dem Damavand, außer dass ich einige Iraner kennenlernte, die mir vom Aufstieg erzählten. Angeblich nicht zu schwer, aber wegen der Entfernung und Höhe muss man mindestens einmal campieren.
Ich würde versuchen, auf Facebook oder über Couchsurfing oder sonst im Internet, iranische Bergsteigerclubs zu finden. Da wird Dir sicher gerne weitergeholfen. Oder wenn Du mehr Zeit hast, kannst Du in Teheran herumfragen. Ich fand den Iran extrem hilfsbereit. Wenn jemand selbst nicht Bescheid weiß, wird er versuchen, es für Dich rauszubekommen und Kontakt zu örtlichen Bergsteigern herstellen.
Viel Spaß und ich freue mich schon auf Deinen Bericht!