Während eines Spaziergangs durch Cochabamba gestern Abend nach Schließung der Wahllokale kam ich an der Plaza de las Banderas vorbei, wo sich eine Handvoll Anhänger der NO-Kampagne versammelt hatten. Sie hatten gegen die geplante Verfassungsänderung gestimmt, mit der dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales die Möglichkeit zur erneuten Wiederwahl gewährt würde. Es war nur ein kleines Grüppchen, und besonders glücklich blickten sie nicht drein. Den ganzen Tag über hatte es Berichte über und Hinweise auf Wahlbetrug gegeben. Der Optimismus aus dem Wahlkampf war verflogen. Jeder wußte schon die ganze Zeit, dass das Ergebnis knapp ausfallen würde, aber jetzt war die Anspannung enorm.
Ich hatte Hunger auf etwas Ungesundes und ging weiter die Avenida Ballivian entlang, bis ich ein Hähnchenrestaurant fand. Im Fernsehen liefen die Nachrichten, und gerade als ich eintrat, wurde die erste Prognose gezeigt: Die NO-Kampagne würde mit 51% gewinnen. Die Augen der Gäste klebten am Fernseher, aber sie zeigten keine Freude. Entweder waren dies hauptsächlich SI-Wähler oder sie konnten es noch nicht glauben.
Für mich war das jedoch ausreichend, das Abendessen ausfallen zu lassen und zurück zur Plaza de las Banderas zu eilen. Allmählich trafen mehr und mehr Menschen mit NO-Fahnen und roten T-Shirts ein, obwohl die Gruppe noch immer nicht sehr stark war.
Die vorbeifahrenden Autos hupten zum Glückwunsch, die Fahrer reckten die Fäuste aus den Fenstern. Und dann war es so, wie wenn jeder, der mit NO gestimmt hatte, die guten Nachrichten vernommen hatte und zu dem Platz im Norden Cochabambas ströhmte. Die Straßen, die den ganzen Tag über wohltuend leer waren (in Bolivien ist an Wahltagen jeder motorisierte Verkehr verboten), füllten sich von einer Minute zur nächsten mit Motorrädern, Autos und Lastwägen. Von überall her wehten rote Fahnen und erklang Musik. Es war wie ein zweiter Karneval.
Die anfänglich kleine Gruppe war zu einer jubelnden Menge angeschwollen, und ich war natürlich mitten drin.
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