Streitbefangenheit

Im deutschen Zivilprozessrecht gibt es den schönen Begriff der Streitbefangenheit, wie übrigens überhaupt Gesetzestexte zu den Glanzleistungen der deutschen Sprache gehören.

§ 265 I ZPO besagt, dass eine Sache, über die ein Prozess geführt wird, auch während der Dauer des Prozesses veräußert und erworben werden kann. Das ist die naheliegende Regelung, denn Prozesse können Jahre dauern. Es ist eine wichtige Regelung, weil ansonsten jeder jeden mutwillig mit Klagen überziehen würde, um seine Konkurrenten am Verkauf von dann streitbefangenen Sachen zu hindern. Und außerdem: Woran soll der Erwerber merken, ob eine Sache streitbefangen ist?

In Bolivien gibt es auf letztere Frage eine einfache Antwort. Wenn ein Rechtsstreit über ein Haus geführt wird, sprüht man mit roter Farbe an die Wand: „casa en litigio judicial“.

Streitbefangenheit.JPG

Das ist auch viel einfacher als eine Eintragung im Grundbuch zu erwirken. Das Grundbuch ist in Bolivien sowieso nicht so wichtig, weil sich viele bei der Eigentumsübertragung (und fast alle bei der erbrechtlichen Übertragung) die zusätzlichen Gebühren und den Aufwand sparen. So stehen im Grundbuch oft noch die schon lange verstorbenen Urgroßeltern, während das Haus in Wirklichkeit zu unterschiedlichen Teilen den 18 Urgroßenkeln und deren Geschwistern und Neffen gehört.

Über Andreas Moser

Travelling the world and writing about it. I have degrees in law and philosophy, but I'd much rather be a writer, a spy or a hobo.
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