Aus aktuellem Anlass ist die Diskussion über das Wesen von Affen und darüber, als was wir sie betrachten und wie wir sie behandeln sollen, in vollem Gange. Daran musste ich denken, als ich den Machía-Park in Villa Tunari in Bolivien besuchte, in dem unter anderem Affen leben. Allerdings handelt es sich dabei nicht um einen Zoo, sondern es liegt an den Affen, ob sie vorbeischauen oder sich in den angrenzenden Dschungel verziehen möchten.
Zuerst war ich allein im Park und bemühte mich, leise zu sein, um die Affen nicht zu stören. Ich erblickte nur einen von ihnen, hoch oben in einer Baumkrone. Bei einem Aussichtspunkt über den Fluss stieß jedoch eine Gruppe von jungen Reisenden hinzu, die weniger leise und vorsichtig als ich waren. Ich hoffte inständig, dass sie sich bald verziehen würden, denn ich wollte Affen beobachten, keine Hippies. Aber dabei unterschätzte ich den Wunsch der Affen nach sozialer Interaktion. Nachdem sie Menschenlaute vernommen hatten, kamen sie kletternd und springend durch die Bäume.
Zuerst ließen sich die Affen nur auf das Dach herab und beobachtenen uns mit Neugier und Scheu, kamen dann aber immer näher.
Jetzt waren die Affen so mit der anderen Gruppe beschäftigt, dass sie mich gar nicht bemerkten, als ich mich von hinten anschlich.
Ein Affe setzte sich neben einen der Jungen, schmiegte sich eng an dessen Bein und schlief in dieser Position bald ein.
Ganz anders hingegen der Fitness-Freak unter den Affen, der demonstrativ Stretching und Klimmzüge machte und durch das Publikum angespornt zu sein schien.
Als die Gruppe abzog, passierte etwas Wundervolles. Ein Junge war aufgetaucht, der das gleiche Verhalten gegenüber der Natur wie ich zu Tage legte: so leise wie möglich sein, die Aussicht genießen. Schweigend stand er am Geländer der Aussichtsplattform und sah in die Ferne, als sich ihm vorsichtig ein Affe näherte.
Der Junge sagte nichts, so dass sich der Affe abwandte, um ihn nicht zu stören. Als aber ein zweiter Affe auftauchte, rückte der erste Affe näher zu dem jungen Mann und legte den Arm um seine Schulter und um seinen Hals, wie wenn er ihm bedeuten wollte “Sei nicht so einsam! Du kannst auch zu unserer Gruppe gehören.”
Es war ein bewegender Anblick. In diesem Moment war die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier verschwommen. Zumindest mit Affen haben wir weit mehr gemeinsam als uns trennt. Dass wir ihre Sprache nicht verstehen, gibt uns kein Recht, sie in Zoos einzusperren. Andernfalls könnten wir ja auch die Mehrheit der Chinesen und junge Babies einsperren, denn mit denen kann ich mich auch nicht unterhalten. Das gilt eventuell auch für andere Tiere. Diese haben nicht die gleichen Möglichkeiten zum Ausdrücken ihrer Gefühle wie Affen und Menschen, aber das bedeutet nicht, dass eine Kuh oder ein Schwein nicht an dem Kalb oder dem Ferkel hängen, die Ihr für Euren Grillabend schlachtet.
Dafür das du keine „Hippies“ beobachten wolltest, sondern Affen…finde ich schade das das Wort Hippie so negativ besetzt ist….ich denke jede Spezies ist interessant um beobachtet zu werden 😉 ….ich finde es super, dass du die Natur so schätzt….wir gehören auch dazu 😉
Die südamerikareisenden Hippies haben tatsächlich mal einen eigenen Artikel verdient. Die prägen hier das Bild von Europäern so sehr, dass manche Bolivianer überrascht sind, wenn sie mich sehen. „Du bist wirklich aus Europa? Aber Du trägst ein Hemd, richtige Schuhe und nimmst gar keine Drogen!“
Dabei stören mich die Hippies nicht. Einige von ihnen sind ganz nett und aufgeweckt. Was mich stört, ist ihr Glaube, irgendeine Rebellion durchzuführen. Dabei sind sie alle gleich. Sie tragen die gleichen Klamotten, haben die gleichen Tätowierungen, gehen nur dorthin, wo auch andere europäische Hippies reisen, essen in den gleichen Restaurants, lesen die gleichen Bücher (falls sie überhaupt lesen) und – am Schlimmsten – denken und sagen alle das Gleiche. Ich erkenne da keinen Individualismus. Was ich dagegen erkenne, ist eine Menge politischer Naivität. Die merken gar nicht, wie doof es ist, auf den Kapitalismus zu schimpfen, während sie auf ihrem I-Phone herumtippen. Sie nennen sich Anarchisten, beschweren sich aber, wenn ihnen das deutsche Konsulat nicht sofort hilft, wenn sie im Suff Ihr Portmonnaie verloren haben. Sie denken, sie verstehen Lateinamerika, dabei hängen sie nur mit anderen Hippies in Hostels herum, anstatt sich wirklich auf das Land einzulassen. Am Ende haben sie dann Fotos von sich am Machu Pichu, am Titicacasee und aus der Salzwüste von Uyuni und fühlen sich mächtig individuell. Sie merken gar nicht, dass sie die gleichen Spießer wie ihre Großeltern sind, nur dass sie sich eben (dank freier Märkte und Kapitalismus, übrigens, was ihnen so gar nicht in den Sinn käme) jetzt Interkontinentalflüge leisten können. Auf die Umweltbilanz pfeifen sie dabei, schimpfen mich aber einen Imperialisten, wenn ich eine Flasche Coca Cola trinke.
Du hast so viel Wissen 🙂 und eine tolle Auffassungsgabe :)…..echt interessant….ich habe gemerkt wie da eine Negativität beinhaltet war…. 🙂 und ja hast Recht…denn das was du mir geschrieben hast, war bereits ein super Blogeintrag 😉 danke dir….ich war echt schon gespannt was du zu meinem Post schreibst….Liebe Grüße
Und man merkt wahrscheinlich auch, wie ich ein bißchen zu hart und manchmal vorschnell urteile. 🙂
Ja etwas….aber ist ja menschlich…so lange du beide Seiten sehen kannst und diese nicht verschwommen…..manchmal ist es toll aus sich heraus zu treten und alles von oben zu betrachten ;)…coole Art…denn ich habe auch schnell Vorurteile..oh ja…und das nervt mich ganz schön…
„Dass wir ihre Sprache nicht verstehen, gibt uns kein Recht, sie in Zoos einzusperren.“
Ich würde mal sagen, es kommt stark auf den Zoo an. In einem sehr guten Zoo leben Affen weitaus länger als in der freien Wildbahn und pflanzen sich auch entsprechend fort. Das würden Affen beides nicht machen, wenn sie sich dort nicht wohl fühlen würden. Das Leben in freier Wildbahn ist hingegen wohl kaum so paradiesisch wie sich manch ein Mensch das gerne vorstellt. Das ist eher das glatte Gegenteil: Ein täglicher Kampf ums pure Überleben. Extrem hart und mit Opfern am Fließband. Die Natur kennt da in der Regel keine Gnade.
Und es sind nicht nur Beutegreifer, Nahrungskonkurrenten, Krankheiten, Verletzungen und Parasiten, die die Affen fürchten müssen, sondern auch andere Affengruppen der gleichen Art. Wahrscheinlich sind angesichts dieser extremen Strapazen sogar mittelprächtige Zoos für viele Affen gesünder als die freie Wildbahn.
Schon Jane Goodall berichtet in ihren Büchern von regelrechten Affenkriegen. Ein berühmter Bericht von ihr handelt davon, wie sich eine Affengruppe zweiteilt und sich dann über Jahre gnadenlos niedermacht – so lange bis die eine Gruppe komplett ausgerottet ist – samt Kindern und Kindeskindern. Auch das macht Affen so menschlich – beziehungsweise uns so affig. Wie man will.
Das sind gute naturwissenschaftliche Punkte.
– Die Affenkriege sind tatsächlich eine Erkenntnis, die uns noch mehr über unsere Ähnlichkeit zueinander nachdenken läßt. Als ich davon zum ersten Mal gehört habe, war ich baff. Da es kaum Hinweise daruf gibt, dass sich die Affen das von den Menschen oder umgekehrt die Menschen von den Affen abgeschaut haben, legt das für mich auf den ersten Blick nahe, dass wir auch in unserem Sozialverhalten stärker genetisch geprägt sind, als uns das villeicht lieb ist.
– Ich kann auch nachvollziehen, dass das Leben in einem Gehege ohne natürliche Feinde und mit täglicher Fütterung stressfreier ist als das Leben in der Savanne.
– Den Schluß vom Wohlfühlen auf die Fortpflanzung würde ich nicht mitgehen, denn das könnte auch an einem unbewußten Trieb oder an Langeweile liegen. Wir sehen das auch bei Menschen, dass sie sich noch unter widrigsten Umständen fortpflanzen. (Wobei ich selbst immun gegen diesen Trieb zu sein scheine.)
Aber jetzt wird es philosophisch:
– Wir müssen berücksichtigen, dass diese naturwissenschaftliche Kenntnis Menschenhirnen entspringt, die die Gefühle von Affenhirnen zu verstehen versucht. Trotz aller Ähnlichkeit wäre ich vorsichtig. Ich bin mir nicht sicher, ob Menschen Tiere jemals richtig verstehen können, ohne dabei die Menschenperspektive zu verlassen (die meiner Meinung nach nicht die richtige Perspetive ist).
– Wenn A zu glauben weiß, was für B gut ist, erlauben wir A im Normalfall trotzdem nicht, das Leben von B danach zu regeln. Ausnahmen sind Eltern-Kind-Verhältnisse (aber zeitlich beschränkt) oder eine demokratische Legitimation von A durch B. Beides haben wir bei Menschen und Affen nicht.
– Zum einen ist der Wunsch, den Affen durch ein Leben im Zoo zu helfen, paternalistisch, aber wenn man sich ehrlich ist, ist es nie die Motivation für einen Zoo. (Sonst müssten wir ja mehr und größere davon bauen und mehr Affen „retten“.) Das Argument verliert dadurch für mich ein bißchen an Glaubwürdigkeit (wobei mir durchaus bewußt ist, dass man Gutes aus falschen Motiven tun kann).
„In diesem Moment war die Unterscheidung zwischen Mensch und Tier verschwommen.“
Eine Frage, die mich auch sehr interessiert, und zu der ich einen spannenden Literaturtipp habe:
Suddendorf, Thomas: Der Unterschied – Was den Menschen zum Menschen macht
Ich bin damit zwar noch nicht ganz durch, aber zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen uns und den anderen Affen, bieten alleine die ersten Kapitel schon allerhand Stoff.