Mit dieser dämlichen Digitalisierung wird alles komplizierter als notwendig. Die jetzt aus Bundesmitteln beglückten Schulen können einem leid tun, ebenso wie die darin sitzenden Schüler, die zwischenzeitlich „Leid tun“ und jetzt „leidtun“ schreiben mussten bzw. müssen.
Aber wir wollen beim Thema Technik bleiben, wenn auch im Zusammenhang mit Sprache. Wie manche wissen, verdiene ich mein karges Brot als Übersetzer für Englisch und Deutsch, übrigens eine aufgrund der Konkurrenzsituation die Kargheit garantierende Sprachkombination. Und da geschieht es immer öfter, dass Kunden den Einsatz eines sogenannten Übersetzungstools wünschen, womit sie, wie ich verdattert feststellen musste, keines der schönen, schweren, gelben oder grünen Wörterbücher meinen, die jeden Bildungsbürgerhaushalt zieren. Alle Nichtübersetzer und meinetwegen auch Nichtübersetzerinnen können jetzt übrigens abschalten, denn dieser Beitrag ist außerhalb der Linguistenlandschaft wirklich von keinerlei Interesse oder Relevanz.
Eine der Übersetzungsagenturen, für die ich manchmal arbeite, beziehungsweise, wie ich es jetzt wohl leider formulieren muss, um die Realität nicht zu beschönigen, zu arbeiten pflegte, verlangt seit einiger Zeit die Verwendung einer solchen Übersetzungssoftware, namentlich Across. Warum das notwendig sei, wo man doch jahrelang mit meinen Übersetzungen höchstzufrieden war, konnte mir nur höchst unzufriedenstellend erklärt werden. Effizienz und Qualitätssicherung und so Bla-Bla. Da hat wohl mal wieder jemand BWL studiert und muss sich jetzt beweisen.
Na gut, ich gucke mir also dieses CAT, wie es großspurig für „Computer-Assisted Translation“ heisst, an und will ihm großzügig 15 unbezahlte Minuten meiner Zeit widmen, obwohl ich in eben jener Viertelstunde auch eine Kurzgeschichte hätte lesen können, die meinen sprachlichen Fähigkeiten einen größeren Kreativitätsschub injiziert hätte. (Das ist übrigens mein Geheimtipp: Vor dem Übersetzen etwas richtig gute Literatur in der Zielsprache lesen, im deutschen Fall also Thomas Mann oder Max Goldt, und die Arbeit flutscht ganz vergnügt aus den Fingern.)
Diese Software sieht gar schrecklich aus:
Wie soll man da arbeiten? Ich bin ein Freund des einfachen, anfangs weißen und sich dann langsam füllenden Blatts. Ohne Dutzende von Knöpfen, Schaltern, Tabellen und Spalten.
Technik kann ich nicht, aber schnelle Entscheidungen kann ich. Also habe ich umgehend folgenden, immerhin elektronischen, Brief an die Übersetzungsagentur geschrieben:
Sehr geehrte Frau X,
endlich habe ich mir mal einen Nachmittag freigenommen, um mich mit Across vertraut zu machen.
Um es vorwegzunehmen: Ich werde mich diesem Across nicht anschließen.
Gründe:
– Ich finde das Programm extrem kompliziert im Erlernen und in der Handhabung. Wenn schon die „Kurzeinführung“ 16 Seiten umfasst, dann fühle ich mich wie vor einem Handbuch für einen Atomreaktor: erschlagen und eingeschüchtert, sowie ganz sicher, dass irgendwann etwas Schlimmes passieren wird.
– Und dann diese Hunderte an Funktionen, die ich bisher nicht benötigt habe. Ich komme ganz gut damit zurecht, ein englisches MS-Word-Dokument in ein deutsches MS-Word-Dokument zu übertragen. Ich verstehe nicht den Vorteil darin, das Dokument zu zerstückeln, kompliziert hochzuladen und in einem komplizierten Interface mit Dutzenden von Fenstern herumzuhantieren.
– In der gleichen Zeit hätte ich in einer einfachen Textdatei schon mehrere Sätze übersetzt.
– Gänzlich unerträglich wird das Ganze durch die langsame Geschwindigkeit der Texterkennung. Während in anderen Programmen die Buchstaben genauso schnell auf dem Monitor erscheinen, wie ich sie tippe, hängt Across bis zu mehrere Sekunden hinterher.
– Möglicherweise hängt dies mit der ständig notwendigen Internetverbindung zusammen, die für mich auch nicht sinnvoll ist, weil ich gerne offline arbeite (entweder weil ich dabei im Garten oder im Zug sitze oder weil ich so alle Ablenkungen wie Facebook o.ä. ausschalte). Außerdem wohne ich manchmal in Ländern mit sehr schlechter Internetverbindung (z.B. Peru, Deutschland).
Ich nehme an, dass man Across mit der Zeit erlernen kann, so wie alles, was anfänglich kompliziert aussieht. Aber wie es mir als Übersetzer Zeit erspart, kann ich beim besten Willen nicht erkennen (außer ich wäre nur mit Texten beschäftigt, die schon übersetzten Texten sehr gleichen). Dazu kommt, dass die Arbeit auf diese Weise weniger Spass macht und stattdessen wirklich frustrierend ist.
Ich würde sehr gerne weiterhin für Sie arbeiten. Aber mit Across werde ich so in meiner Arbeitsgeschwindigkeit und meiner Arbeitsfreude gebremst, dass es sich für mich nicht mehr lohnen würde.
Seither habe ich von jener Übersetzungsagentur keinen Auftrag mehr bekommen. Bin ich jetzt ein Opfer dieser Digitalisierung? Ich habe ja nie geglaubt, dass Maschinen den Übersetzern die Arbeit wegnehmen können, aber vielleicht vergällen sie sie uns ausreichend, dass wir von selbst die Feder ins Korn werfen. So schreite ich mit fortschrittskritisch erhobenem Haupt in Richtung Arbeitslosigkeit.
Wie machen andere Übersetzer das?
Links:
- Die beste Geschichte über erfolgreiche Übersetzer.
- Mehr Artikel zu den Themen Sprache und Technik.
You poor thing! I always refused working with agencies that requested CAT tools to be used.
We were introduced to Trados and Déjà Vu at University (almost 20 years ago, mind you).
I find it to be an intrusion to copyright, no matter how they pitch it. A translator works his a** off, the next ones find similar structures already suggested + provide the programme with more food. The Agency always wins. It could somehow make sense if the agencies, for the sake of consistency, used CAT to work with a permanent in-house team in big projects, that was why it was originally conceived in the first place. But we all know how agencies work nowadays, how sporadically and uncontrolled assignments are distributed, sooo…
You will find many online tutorials, including videos and manuals, most agencies just want you to master the basics, input. Additionally, many also offer a „CAT liaison“ a.k.a nerd to help out. Nothing to do with good old fashioned, quality police work 😊. Best of luck!
P.S. Expect a shitstorm from agencies and colleagues, do not care 😉
Did you study in Silicon Valley, or how did you have computers 20 years ago? That’s impressive! When I first went to university in 1995, I got an e-mail address, but didn’t know what to do with it. Then, somebody showed me a room in the basement full of computers, which one could use for slots of 30 minutes, I believe. Most of us just used the printers. And then a very tech-savvy friend of mine showed me the interweb and Yahoo and stuff.
Back to translations, thank you for giving my refusal more meaning. Now, I am not the backward luddite, but a fighter for translators‘ rights!
And I am glad I am not the only one, although there are probably enough others willing to take our jobs.
Las Palmas, 1998-2002. We also had a „room in the basement“ with some computers, email was a thing, Yahoo was THE browser and we also just printed our essays and stuff most of the time. But then, third year, we had a German teacher for our „Localization / l10n“ subject. Very interesting. We learned CAT, some loved it, others hated it and forgot all about it after the exam.
für einfache Übersetzungen nutze ich deepl.com und bin damit zufrieden