Frauenhaus oder Männerhaus?

Zum heutigen Welttag gegen Gewalt an Frauen hagelt es neben den üblichen Schlägen auch Vorschläge zur Errichtung von mehr Frauenhäusern.

Frauenhäuser sind diese meist verschämt in Hinterhöfen gelegenen und überbelegten Wohnungen, wo Frauen und Kinder sich vor ihren prügelnden (und, wenn es nach Friedrich Merz, Horst Seehofer und anderen ginge, auch heute noch straffrei vergewaltigenden) Männern, Freunden und Ex-Freunden verstecken, bevor sie nach zwei Tagen das Drama und Geheule im Frauenhaus nicht mehr aushalten und zu der großen Liebe ihres Lebens, die sich mittlerweile natürlich vollkommen geläutert hat, zurückkehren.

Das ist leider kein Witz. Aus meiner Erfahrung als Fachanwalt für Familienrecht kann ich berichten, dass mehr als die Hälfte der Opfer häuslicher Gewalt, die überhaupt den Schritt zum Rechtsanwalt wagen, innerhalb eines Monats wieder naiv und hoffnungsvoll zum Täter zurückkehrt.

Nun aber zu einer Sache, bei der sich Frauen und Männer einig sind: Reisen bildet. Deshalb – und ich will das ausdrücklich erwähnen, damit keine Frau anruft und sich Hilfe erhofft, womöglich noch im Austausch gegen nichts mehr als einen für den Rechtsanwalt völlig unlukrativen Beratungshilfeschein – habe ich den Anwaltsberuf aufgegeben und zum Weltreisenden umgeschult. Und so präsentiere ich Euch etwas, das ich in Chile, seit jeher ein Hort des Fortschritts, gesehen habe: Ein Männerhaus.

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Und zwar „ein Haus für Männer, die Gewalt gegen ihre Partnerin ausüben“.

Was auf den ersten Blick wie eine Belohnung für Gewalttäter aussehen mag, ist meiner Meinung nach die bessere Lösung. So können Frau und Kinder in der gewohnten Umgebung verbleiben. Eigentlich hat sich der Grundsatz „wer schlägt, der fliegt“ basierend auf dem österreichischen Vorbild seit 2002 auch im deutschen Recht durchgesetzt (§ 2 I Gewaltschutzgesetz). Die Forderung nach mehr Frauenhäusern erscheint mir deshalb ein bisschen in die falsche Richtung gehend.

Spätestens jetzt werden die ersten Kommentare von Männern eintrudeln, die darauf hinweisen, dass auch Männer Opfer häuslicher Gewalt werden. Natürlich gibt es das, aber seltener und vor allem weniger gravierend, wie man an der Zahl der in Partnerschaften getöteten Frauen ersehen kann. An dieser Stelle folgt gewöhnlich der Verweis auf die Dunkelziffer, worauf ich nur sagen kann: „Jungs, wenn Ihr keine Dunkelziffer haben wollt, dann geht halt zum Rechtsanwalt.“ Das sollte man sowieso regelmäßig machen.

Häusliche Gewalt ist auch der Spiegel eines Machtgefälles. Ein wichtiger Parameter dafür, wie lange das Opfer trotz fortgesetzter Gewalt beim Täter bleibt, ist (a) das soziale Umfeld des Opfers und (b) die Disparität der Macht. Wenn das Opfer über ausreichendes eigenes Einkommen und/oder Freunde und Familie verfügt, kann es wesentlich schneller die Koffer packen oder traut sich zügiger zum Rechtsanwalt als die einkommenslose Hausfrau, die keinen Freundeskreis und keine unterstützende Familie im näheren Umfeld hat. Die krassesten Fälle häuslicher Gewalt, mit denen ich zu tun hatte, waren alle ähnlich gelagert: Alleinverdienender deutscher Ehemann und einkommenslose ausländische Ehefrau. Hier kann die Frau keine eigene Wohnung mieten, ihre Familie ist weit weg, und sie fühlt sich abhängig vom Mann, um die Aufenthaltserlaubnis nicht zu verlieren. § 31 II 1, 2 Hs. 2 Aufenthaltsgesetz bietet diesbezüglich zwar einen gewissen Schutz, aber das weiß die Frau nicht, wenn sie nicht zum Rechtsanwalt geht (was Arme wiederum seltener tun als Reiche). Und der Mann redet ihr auch ständig ein, dass sie zurück nach Thailand muss, wenn sie aufmuckt.

Deshalb glaube ich, dass alles, was wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe von Frauen fördert, notwendiger und hilfreicher ist als ein paar weitere Frauenhäuser.

Und noch ein ganz persönlicher Tipp. Wenn Ihr einen potentiellen Partner kennenlernt, fragt ihn/sie, ob er/sie öfter in die Bibliothek oder ins Fitnessstudio geht. Falls letzteres, würde ich die Anbahnungsversuche sicherheitshalber beenden. Außerdem: Worüber will man mit jemandem reden, der/die nicht regelmäßig in die Bibliothek geht?

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Über Andreas Moser

I am a lawyer in Germany, with a focus on international family law, migration and citizenship law, as well as constitutional law. My other interests include long walks, train rides, hitchhiking, history, and writing stories.
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8 Antworten zu Frauenhaus oder Männerhaus?

  1. Michael Müller schreibt:

    Hm, der Vorteil der Frauenhäuser ist doch, dass sie nicht öffentlich sind. Der gewalttätige Partner weiss also hoffentlich nicht, wo die Frau ist, was einen gewissen Schutz bietet. Wie ist das bei dieser Lösung geregelt?

    • Andreas Moser schreibt:

      In der Tat, die Anonymität der Frauenhäuser ist ein Schutzfaktor.
      Ich nehme an, dass es in Chile ähnlich der Regelung im GewSchG ist: Wenn der Mann nach Hause zurückkehrt, ist es eine Straftat. Ohne diese Drohung hätte man keinen wirksamen Schutz.
      Aber ich muss auf jeden Fall nochmals nach Chile, um das näher zu eruieren!

    • Draalo schreibt:

      Während meines Studiums jobbte ich als Taxifahrer. Ein Frauenhaus verlegte seinen Standort, es dauerte weniger als 7 Tage bis die ersten „Männer“ einstiegen und „baten“ zu genau der neuen Adresse zu fahren, sie kannten diese bereits.

      In Zeiten asozialer Netzwerke möchte ich behaupten das der Zeitraum auf weniger als 7 Stunden zusammengeschrumpft ist…

      Ich habe Obdachlose transportiert die stanken wie ein Pissoir in Wacken, Besoffene mit höchstem Aggressionspotenzial, Leute die meinten nach dem aussteigen einfach wegrennen zu können ohne zu bezahlen … wirklich übel wurde mir allerdings regelmäßig wenn ich auf der Rückfahrt ins „traute Heim“ den Beteuerungen und Liebesschwüren dieser Gesellen zuhören musste.

      „Aus meiner Erfahrung als Fachanwalt für Familienrecht kann ich berichten, dass mehr als die Hälfte der Opfer häuslicher Gewalt, die überhaupt den Schritt zum Rechtsanwalt wagen, innerhalb eines Monats wieder naiv und hoffnungsvoll zum Täter zurückkehrt.“

      Deckt sich mit meiner Erfahrung, nahezu jede Frau hatte ich erneut als Fahrgast – Nachts um 3 Uhr, es ging in der Regel zur Notaufnahme, auf jeden Fall jedoch kam der Fahrauftrag von der Polizei.

    • Andreas Moser schreibt:

      Danke für das Teilen dieser bedrückenden Erfahrungen! Taxifahren sollte vielleicht verpflichtender Bestandteil eines Soziologie-Studiums werden.

      Anfangs dachte ich, dass nur ich die schwierigen Mandantinnen abbekommen habe. Aber je mehr ich mit Richtern und anderen Rechtsanwälten sprach, umso mehr bestätigte sich die Quote. Interessanterweise auch in anderen Ländern.

      Manche Opfer kamen dann nach etwa sechs Monaten wieder und wollten erneut einen Gewaltschutzantrag stellen. Der zweite geht beim Gericht aber nicht mehr so ruck-zuck durch.

    • Andreas Moser schreibt:

      Manchmal denke ich, dass ein Teil des Problems vielleicht darin besteht, dass Beziehungen gesellschaftlich überbewertet werden und insbesondere auf Frauen in einem gewissen Alter ein Druck lastet, auf keinen Fall single zu sein. So akzeptieren sie dann lieber etwas Suboptimales als single zu bleiben/werden.

      Ich habe das mal in einer Kurzgeschichte thematisiert:

      Weihnachtskind

  2. Draalo schreibt:

    (Kommentarabo vergessen, sorry)

  3. Christopher Seidel schreibt:

    Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen

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