Die zwei wichtigsten Lektionen von der letzten Bilderberg-Konferenz

Read this in English

Seit ich wieder als Rechtsanwalt arbeite, werde ich ständig zu extravaganten Veranstaltungen eingeladen. Normalerweise mache ich mir daraus nichts. Außerdem habe ich keine Zeit.

Aber als ich sah, an welchem Ort die Sächsische Rechtsanwaltskammer ihren jährlichen Empfang abhalten würde, war mir sofort klar: Das war eine kodierte Einladung in den exklusivsten Klub der Welt. Also ging ich hin.

Wenn ich mein äußeres Erscheinen betrachte, verstehe ich gar nicht, warum meine Einladung und mein Ausweis am Eingang doppelt und dreifach überprüft wurden. (Ich meine, seit meiner Zeit als Landstreicher habe ich mich doch durchaus präsentabel gemacht.) Aber am Ende öffnete mein Charme doch alle Türen.

Möglicherweise habt Ihr noch nicht viel über die Bilderberg-Konferenz gehört. So sollte es auch sein, denn die Konferenzen sind höchstgeheim. Keine Fotos, keine Zitate, gar nichts darf nach außen dringen. Man tauscht dort nicht einmal Visitenkarten aus.

Aber, weil ich zu jeder Veranstaltung sowieso nur einmal eingeladen werde, habe ich nichts zu befürchten. Und deshalb werde ich die zwei wichtigsten Lektionen preisgeben, die ich aus der Unterhaltung mit einem Anwaltskollegen mitgenommen habe.

Lektion eins:

Er erzählte, wie er vor vielen Jahren dem Burnout gefährlich nahe war. Über den Jahreswechsel nahm er sich ein paar Tage frei, um über seine Optionen nachzudenken und zu entscheiden, ob er weiter als Rechtsanwalt tätig sein wollte. Er erkannte, dass es eigentlich nur eine Handvoll Mandanten waren, die all den Stress und die negativen Gefühle verursachten. Der Rest war in Ordnung, manche sogar ganz nett.

Als er zurück in die Kanzlei kam, schrieb er all den nervigen Mandanten, dass er nicht mehr für sie arbeiten wollte.

Natürlich verlor er dadurch Geschäft und Umsatz. Aber er wiedererlangte die Freude an der Arbeit, neue Energie, eine innere Ruhe. Und das sind ja dann doch alles wichtigere Dinge als Arbeit und Geld.

Er erzählte weiter, dass er seither jedes Quartal die Liste aller offenen Fälle durchgeht und die nervigsten 10% der Mandate kündigt. Das ist bei uns Rechtsanwälten nicht anders als in den meisten Branchen: Ein kleiner Teil der Kundschaft bereitet einen Großteil der Kopfschmerzen. (Und oft sind es auch noch diejenigen, die Probleme mit dem Bezahlen haben.)

Kurioserweise fallen die Mandanten oft aus allen Wolken, wenn ich ihnen kündige. „Das können Sie nicht machen“, echauffieren sie sich dann, wie wenn sie ein Anrecht auf einen ganz bestimmten Rechtsanwalt hätten. Ich kenne sogar Kollegen, denen diese Möglichkeit nicht so richtig bewusst ist und die glauben, dass man einmal begonnene Sachen auf Teufel komm raus zu Ende bringen müsse.

Mit der Erfahrung wird man außerdem ziemlich gut darin, die Querulanten zu identifizieren, bevor man sich mit ihnen einlässt. Im Privat- und im Geschäftsleben ist das Wort „nein“ wirklich eines der wichtigsten. Aber, wie in Beziehungen, erscheinen manche Menschen am Anfang ganz normal und stellen sich erst mit der Zeit als ein bisschen ballaballa heraus.

Lektion zwei:

Als es an die Nachspeise ging, empfahl mir eben jener Anwaltskollege eine mir bis dahin unbekannte Spezialität aus dem Erzgebirge: Quarkkeulchen.

Diese Dinger sind der absolute Hochgenuss. Ein Fest für die Augen, den Gaumen, den Magen und die Seele. Eine kulinarische Offenbarung. Ein Feuerwerk der Glückseligkeit. (Wenn Ihr Kaiserschmarrn kennt, seid Ihr schon in der richtigen Richtung. Wenn Ihr den auch nicht kennt, ist Euer Leben traurig und trist, trost- und hoffnungslos, leer und lausig.)

Vielleicht sollte ich diese zwei Lektionen verknüpfen und nur mehr mit Mandanten arbeiten, die mich zur Erstberatung zu einem großen Teller Quarkkeulchen einladen.

Avatar von Unbekannt

About Andreas Moser

I am a lawyer in Germany, with a focus on international family law, migration and citizenship law, as well as constitutional law. My other interests include long walks, train rides, hitchhiking, history, and writing stories.
Dieser Beitrag wurde unter Deutschland, Recht, Wirtschaft abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

29 Responses to Die zwei wichtigsten Lektionen von der letzten Bilderberg-Konferenz

  1. Avatar von hanselmar hanselmar sagt:

    Auch ein Rechtsanwalt hat seine Praeferenzen. Das sollte er seinen Klienten von vornherein klarmachen. Als mich vor einigen Jahren mal ein junger Mann anzeigte weil ich angeblich das Andenken seines verstorbenen Vaters verunglimpft habe meinte der Polizist der die Anzeige aufgenommen habe ich solle mir einen Anwalt suchen. Das machte ich auch. Dieser Anwalt war ein ehemaliger Staatsanwalt und er meinte meine Handlungsweise sei sicherlich eine Straftat die mit mindestens einer Geldstrafe von 500 Euros bestraft werden muesse. Ich teilte jedoch nicht diese Auffassung und mein Anwalt legte, ohne mich zu benachrichtigen sein Mandat nieder. Ploetzlich bekam ich Post von der Staatsanwaeltin. Wir unterhielten uns ueber die Angelegenheit. Ich hatte dem jungen Mann von den Taten seines Vaters in einer email erzaehlt,aber zu dem Zeitpunkt wusste ich nicht einmal das sein Vater verstorben sei. Ausserdem hatte ich mich auf die Informationen bezogen die ich von einer anderen Person bekommen hatte. Da meinte die Staatsanwaeltin: Hier handelt es sich nicht um eine Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener. Ich werde auch keine Anklage gegen Sie erheben. Wenn Sie 200 Euro an eine oertliche Sozialeinrichtung bezahlen werde ich den Fall sofort einstellen. Das habe ich auch gemacht. Daher mein guter Rat an alle:“ Belaestige keinen Rechtsanwalt mit Sachen die Du selbst besser loesen kannst.

    • Und ein weiterer guter Rat: Schreibe niemals anderen Leuten etwas Negatives per E-Mail.

      Die Hälfte meiner Mandanten mit ernsthaften Problemen haben diese Probleme, weil sie über WhatsApp oder solche Dienste etwas geschrieben haben, was man früher nie schriftlich fixiert hätte.
      In der Hitze des Gefechts irgendwas Dummes rausgehauen, und schwupp, als Beweismittel für immer gesichert.

      Außerdem nervt es als Rechtsanwalt ungemein, durch diese langen Unterhaltungen voller Nichtigkeiten, Rechtschreibfehlern und Wiederholungen lesen zu müssen.

      Deshalb: Finger weg von WhatsApp!

  2. Avatar von hanselmar hanselmar sagt:

    Den Martin Sellner hat es noch haerter getroffen Der soll sogar Einreiseverbot nach Deutschland haben. Dabei war er nur zu einer geheimen Konferenz eingeladen worden.

  3. Avatar von Majik Majik sagt:

    Although you are indeed „quite presentable,“ Andreas, even handsome with piercing blue eyes, the more enticing photo on your post is that of the Quarkkäulchen. But don’t feel bad, no man can hope to compete with a large plate of quark cheese!

    • If I had to choose, I would always prefer those yummy things over myself as well.

      By the way, I never noticed my blue eyes. Because in my passport, it says „blue grey“ for eye color, and that sounded rather dull.
      But when I went to South America, the ladies went crazy: „Oh, qué ojos azules!“ „Ojos cielos!“ „Ojos como el mar que nos han robado!“ and I got invited to plenty of delicious dishes. Still, can’t nothing beat Quarkkeulchen and Kaiserschmarrn. (Because of Austrian emigration to Bolivia I did sometimes get a really good Sachertorte, though.)

  4. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    Ich hoffe, es gibt einen Beitrag Teil 2 zu dieser Konferenz.

    Am Anfang steht was zu „extravaganter“ Veranstaltung dieses exklusiven Clubs!

    Hat meine Leseerwartung gesteigert ….

    Damit möchte ich beide geschilderten Erkenntnisse nicht schmälern, hoffe lediglich auf eine Fortsetzung. Oder muss man da eine Geheimhaltungsvereinbarung unterschreiben, dass man nichts ausplaudert?

    • Die Quarkkeulchen waren höchst extravagant! 😋

      Aber ansonsten ist leider alles höchst geheim, tut mir leid. Ich muss auch sagen, dass ich vom Essen so abgelenkt war, dass ich bei all den Weltherrschaftsdiskussionen nur mit einem halben Ohr dabei war. Und die Musik war etwas zu laut (wenn auch ganz gut).

    • Oh, und irgendwann kommt noch ein Artikel über Saltsjöbaden. Dort war die Bilderberg-Konferenz ja auch schon dreimal.

      Bei mir wird es dann aber nur um einen langen, aber schönen Spaziergang von Stockholm nach Saltsjöbaden gehen.

  5. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    Total einverstanden mit den Quarkkeulchen … Gibt es ein Exportverbot in Sachsen , da man diese nirgendswoanders finden kann ?

    • Ich wäre ja schon froh, wenn ich die in Sachsen irgendwo finden würde. :/

      Bisher sind die mir sonst noch nicht untergekommen. Beim Bäcker nicht, im Laden nicht, und vielleicht muss ich mehr in Cafés gehen.
      Ich werde mich aber jetzt mal aktiv auf die Suche machen, und das Erzgebirge und das Vogtland durchstreifen, immer auf der Suche nach den besten Quarkkeulchen.

  6. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    Man kann Quarkkeulchen auch selber machen, ist kein Hexenwerk 😉

    • Du hast zuhause wahrscheinlich auch einen Pürierstab oder so Teufelszeug. 😱
      (Wenn ich nicht die Kücheneinrichtung vom Vormieter geschenkt bekommen hätte, dann hätte ich wahrscheinlich nicht einmal einen Herd. Und keinesfalls mehr als zwei Teller/Gabeln/Messer/Tassen.)

      Wenn Leute sagen „selber machen“, frage ich mich immer, ob die auch selbst ihre Häuser und Autos bauen, ihre eigenen Zähne ziehen und das Schnitzel selbst schlachten.

      Ich sage zu Mandanten ja auch nicht: „Ach, so einen kleinen Prozess, den können Sie doch selber machen. Da studieren sie einfach mal 5 Jahre Jura, machen ein Erstes Staatsexamen, danach zwei Jahre Referendariat, das Zweite Staatsexamen ist dann gar nicht mehr so schwer. Und schwupp sind Sie Rechtsanwalt/Rechtsanwältin und können sich selbst vertreten.“

      So kommt mir das immer vor, wenn jemand vorschlägt, ich könne doch selbst kochen, Lampen aufhängen oder einen Knopf annähen.

      Ich meine, wofür haben wir denn die Arbeitsteilung und die Spezialisierung erfunden? Das hat schon alles einen Sinn.
      Es wäre eine riesige Vergeudung von Zeit und Arbeitskraft, wenn jeder alles machen würde. Nur so sind wir der Steinzeit entkommen und haben uns weiterentwickelt.
      Wenn jemand gerne und gut backt, kann er/sie den ganzen Tag Quarkkeulchen machen. Aber wenn jemand gerne schreibt, diskutiert und rummosert, dann wäre es doch ein erheblicher Verlust für die Volkswirtschaft, die Gesellschaft, das Land und die Menschheit, wenn man ihn dabei unterbräche, um ihn zum Teigkneten zu bewegen.

      Meine Regel ist: Ich koche nichts, was mehr als 3 Zutaten benötigt. Zum Beispiel Brot+Salami+Senf oder Joghurt+Müsli+Banane.
      Alles, was darüber hinausgeht, sollte den Expertinnen und Experten vom Backwarenkombinat überlassen werden.

  7. Avatar von Kasia Kasia sagt:

    Ach, du arbeitest wieder als Rechtsanwalt. Dann brauche ich kein schlechtes Gewissen zu haben, dass es mit der Katze meiner Mutter nicht geklappt hat 😉 So, die Anwälte halten geheime Konferenzen volle Weltherrschaftspläne ab, so so…

    • Für ausgewählte Kunden und Katzen mache ich noch immer Cat-sitting.
      Die Anwaltsarbeit ist jetzt weitgehend elektrifiziert, so dass man nicht mehr ganz so arg an ein Büro gebunden ist wie früher. (Ich noch mehr als andere, weil ich lieber einen Tisch voller Bücher als E-Books und Datenbanken habe.)

    • Avatar von Kasia Kasia sagt:

      Bist du zufrieden jetzt? Mehr als früher oder fehlt etwas?

    • Nach 15 Jahren Pause macht es wieder richtig Spaß. Und weil ich in der Zwischenzeit immer geschrieben habe, lesen sich meine Schriftsätze jetzt mehr wie Kurzgeschichten. Ich erlaube mir einfach mehr Kreativität.

      Ich gehe es auch viel ruhiger an und akzeptiere nur ganz wenige Fälle. Heute war ich zB lieber den ganzen Tag Wandern (die letzte Etappe von Radeberg-Radeburg-Radebeul). Es ist also eher ein Teilzeitjob, wie so ein 450-Euro-Ding, oder was immer da die Grenze gerade ist. (Womit hoffentlich signalisiert ist, dass ich kein Sozial- und kein Arbeitsrecht mache.)

    • Avatar von Kasia Kasia sagt:

      Ich freue mich für dich 🙂

    • Übrigens, wenn du jemanden aus Kattowitz kennst, die einen Katzensitter brauchen, bitte gib Bescheid!

      Ich würde zu gerne einen Artikel mit dem Wortspiel Katzowitz schreiben. 🙂

    • Avatar von Kasia Kasia sagt:

      Leider kenne ich keinen aus Katzenwitz…

  8. Avatar von Unbekannt Vinni @rabensturmig sagt:

    Dann ein anderer konstruktiver Hinweis: Quarkkeulchen nicht beim Bäcker suchen, sondern im Restaurant bei den Nachttischen 😉

  9. Avatar von danysobeida danysobeida sagt:

    Kaiserschmarrn y Quarkkeulchen, ambas tienen mas consonantes que vocales, bastante típico, muy alemán, aclaro que hablo desde mi poca experiencia del alemán a través de tu blog.

  10. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    Ich habe mal Quarkkeulchen irgendwo in Thüringen aus einer mobilen Bude bekommen. Waren unglaublich schmackhaft.

    Ich habe ein bisschen rumgesucht und bin auf einen Quarkkeulchen Imbiss in Lübbenau im Spreewald gestoßen. Da lässt es sich bestimmt auch prima wandern.

    • Ein Quarkkeulchen-Imbiss, das hört sich fantastisch an! Wenn ich in der Nähe wäre, würde mich das sehr oft zum Wandern motivieren.

      Ich lasse mal den Link da, für alle Wander- und Schlemmerfreunde:
      https://www.komoot.com/de-de/highlight/4502895

      Und wenn die mobile Quarkkeulchen-Bude mitliest: Kommt doch mal nach Chemnitz, Ecke Heinrich-Schütz-Str/Zeisigwaldstraße.
      Ich glaube, hier ist auch ein großer Markt, weil gleich ums Eck ein Krankenhaus ist. Und die sind ja immer froh, wenn sie ausnahmsweise mal leckeres Essen bekommen.

    • Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

      Mir ist wieder eingefallen, dass ich die Dinger auch schon mal beim Einkaufen gesehen habe. Ich wohne in Bayern unweit der Thüringer Grenze und wenn ich mal Lust auf neue Erfahrungen habe, fahre ich rüber und gehe in den Marktkauf. Dort ist das Sortiment völlig anders als im bayerischen Edeka, der keine 5km weit weg ist. Da gibt es dann Baumspitzen aus der Lausitz, Thüringer Wurstsuppe im Glas oder eben auch Quarkkeulchen in der TK: https://heichelheimer.de/hei_produkte/6-mitteldeutsche-quarkkeulchen/

    • Oh, danke!
      Dann muss ich entweder mal in eine größere Kaufhalle gehen oder von Sachsen nach Thüringen fahren.

      Das mit den regional unterschiedlichen Sortimenten ist mir auch schon aufgefallen. Ist immer lustig zu sehen, was die Supermärkte im Norden als „typisch bayerisch“ verkaufen.

Hinterlasse eine Antwort zu hanselmar Antwort abbrechen