Warum die Demokratiebewegung der DDR keine Chance hatte

Gefunden im Museum Utopie und Alltag in Eisenhüttenstadt.

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About Andreas Moser

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11 Responses to Warum die Demokratiebewegung der DDR keine Chance hatte

  1. Avatar von hanselmar hanselmar sagt:

    Es braucht alles seine Zeit. Manche Burger der DDR fuhlten sich wie Straflinge im eigenen Land. Sie waren eingeschlossen in der DDR. Das wollte der Reinhard Schult offensichtlich zum Ausdruck bringen.

    Irgendwie erinnert mich das an den Lebenslauf des fruheren Politikers Joschka Fischer in der BRD. Mit Turnschuhen erschien er im hessischen Parlament. Seine Bekleidung war ganz anders als die Bekleidung der Leute die schon lange in der Politik waren. Alles war irgendwie auf Anarchie getrimmt. Das hat sich jedoch geandert. Heute ist der selbe Mann wohlhabend und hat einen Beratervertrag bei Rewe. Seine Pension betragt uber 10 000 Euro pro Monat und er tragt nur noch Masskleidung genau so wie sein politischer Freund Gerhard Schroder. Was ist eigentlich aus dem Schult geworden? Hat der es auch zum wohlhabenden Mann geschafft oder sammelt der jetzt Plastikflaschen damit er als Rentner genug zum Uberleben hat?

  2. Avatar von hanselmar hanselmar sagt:

    Habe gerade die Geschichte des Reinhard Schult auf Wikipedia gelesen. Er scheint ein echter Martyrer der deutschen Wiedervereinigung gewesen zu sein. 2021 ist er zwei Tage nach seinem 70. Geburtstag gestorben. Hoffentlich brauchte er nicht zu viele Flaschen sammeln um bis zu diesem Alter zu uberleben. Mir ist auch nicht bekannt wie viele Menschen bereits an den nicht mehr geniessbaren Lebensmittel von der Tafel verstorben sind. Wenn man so etwas liesst kann darf man daran denken als unabhangiger Anwalt der Unterdruckten in La Paz tatig zu sein. Allein der name La Paz verheisst eine friedliche Zukunft.

  3. Avatar von Siewurdengelesen Siewurdengelesen sagt:

    Galt da bereits wieder mehr Schein als Sein?

    @hanselmar

    Als Märtyrer würde ich das wegen des Auftretens nicht bezeichnen. Er war zumindest einer der führenden Köpfe dieser Bewegung und vermutlich war für ihn der schnelle Beitritt über die Währungs- und Wirtschaftsunion auch nicht der heilige Gral. Viele Mitglieder des Neuen Forums und anderer Protestbewegungen hatten direkt nach dem Ende der DDR in ihrer bisherigen Form andere Vorstellungen in Bezug auf Demokratisieren von unten und ein langsames Zusammenwachsen auf einem eigenen Weg. Wie realistisch das war, steht auf einem anderen Blatt. Selber war für mich die Zeit von 1989 bis zu dem Punkt, an dem klar war, dass es zur Wiedervereinigung kommt, aus basisdemokratischer Sicht am genialsten. Leider hat man das erst viel später zu würdigen gewusst und da erst geahnt, was man dabei verschenkt hat, weil der Alltag vieles zudeckte und man in der Jugend sowieso nicht so unbedingt die Reife für vieles hatte, was damals so abging.

    Jetzt ist zu sehen, dass die parlamentarische Demokratie auch an ihre Grenzen kommt und irgendwie über das Repräsentative die Probleme nicht mehr zu lösen vermag, sondern eher nur noch mit dem Ansatz von geringstmöglichem Schaden zu verwalten versucht. Jedenfalls bröckelt dieses System BRD zu Lasten der Schreihälse mächtig gewaltig.

    • Dass man erst im Alter merkt, was man aus früheren Situationen mit dem jetzigen Wissen, mit der gewonnen Weis- und Besonnenheit alles hätte machen können, das geht mir öfters so.
      Aber die Zeit nach 1989 war eine besonders krass verpasste Chance, und eine Generation später rächt es sich. 😦

      Allerdings, wie du sagst, wir wissen nicht, was realistisch war.
      Ich kenne ja hauptsächlich die Westsicht, auch wenn ich damals selbst zu jung war. Aber Westdeutschland war im Großen und Ganzen schon ziemlich selbstsicher bis überheblich und nahm kaum etwas oder jemandem aus dem Osten ernst.
      Und so war die ostdeutsche basisdemokratische Bewegung von allen Seiten unter Druck. Vom Westen, der sie nicht ernst nahm. Aber auch von vielen im Osten, glaube ich, die keine Geduld hatten, mal ein paar Jahre einen dritten Weg auszuprobieren.
      Wenn man sieht, wie viele Menschen trotz fast sofortiger Vereinigung von Ost nach West gewandert sind, dann glaube ich, dass es ohne schnelle Vereinigung Millionen mehr gewesen wären. (Außer natürlich die BRD hätte die Aufnahme gestoppt.)

      Und dann darf man die Weltlage nicht außer Betracht lassen:
      Wenn die DDR noch ein oder zwei Jahre unabhängig geblieben wäre, um dann eine Konföderation zwischen den beiden Deutschlands oder eine Verfassung auszuarbeiten, dann wäre das in die Zeit des Zerfalls der Sowjetunion, der Kriege in Jugoslawien, Golfkrieg, Kriege im Kaukasus und sonst noch allerhand Unbill gefallen. Ich glaube, spätestens im Sommer 1991 (Putsch gegen Gorbatschow) wäre niemand mehr ruhigen Gewissens in Ostdeutschland verblieben, wo zu jenem Zeitpunkt die Sowjetarmee die einzige effektive bewaffnete Macht war.

      Ich glaube, die deutsch-deutsche Vereinigung war tatsächlich ziemlich alternativlos, so wie sie abgelaufen ist.
      Aber wir alle, in Ost und in West, müssen uns an die eigene Nase fassen, dass wir ab Sommer 1990 nur mehr an Fußball und Konsum, an Aktien und an Urlaube dachten und geglaubt haben, das mit der Einheit sei jetzt gewuppt. Da kam ja kaum mehr was von wegen Verfassung und Demokratie, von gegenseitigem Respekt, ja bei den meisten (Wessis) gab es nicht einmal ein Interesse am gegenseitigen Kennenlernen.
      Wahrscheinlich war es historisch auch einfach großes Pech, dass die Vereinigung gerade in die Hochphase des Neoliberalismus fiel, als jeder auf sich schaute und dachte, er müsse sich abrackern, um dies und das und jenes zu kaufen.

      Vielleicht hätten wir es so machen müssen wie in Botswana (siehe Kapitel 16 dieses Artikels: https://andreas-moser.blog/2019/10/16/marienbad-2/ ) und die Menschen zwangsweise für ein paar Jahre in einen anderen Landesteil schicken, auf dass sie sich kennenlernen, vermischen und vermengen und meinetwegen (im Rahmen) auch vermehren.

  4. Avatar von T.Head T.Head sagt:

    Der Großteil der DDR-Bürger war nicht aktiv an der Revolution beteiligt, sondern stand hinter der Gardine und beobachtete das Treiben … oder regte sich über unpassende Kleidung in einer Talkshow auf.

    Apropos Polit-Talk-Show: gibt es heute wie Sand am Meer, damals ein absolutes Novum im Osten, verschiedene Auffassungen öffentlich auszutragen.

    • Das ist wohl bei fast allen Revolutionen so, dass nur ein kleiner Teil protestiert, ein kleiner Teil hält an der Staatsmacht fest, und der größte Teil der Bevölkerung regt sich allenfalls darüber auf, dass die Straßenbahnlinie 7 wegen der Demonstrationen ausfällt.

  5. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    Guten Tag, Herr Moser, sie scheinen mir sehr jung und können demzufolge kein Zeitzeuge sein. Aber mit analytischem Verstand, Faktenwissen, Argumenten statt Polemik und einem sachlichen Blick auf uns Menschen und unseren Schwächen scheint man trotzdem eine Menge verstehen zu können – von Vergangenheit und Gegenwart. Danke!

  6. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    🙂 … gut, das „sehr“ ist verhandelbar 🙂

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