Weil James Bond in „No Time to Die“ 2021 bekanntlich gestorben ist – sorry, falls Ihr das noch nicht wusstet -, und es deshalb keine neuen James-Bond-Filme mehr geben wird, muss ich mich anderweitig nach Spionagefilmen umsehen.

Leider gibt es da gar nicht so viel Gutes. Der letzte OSS 117 („Liebesgrüße aus Afrika“) war schlecht. Die ganzen „Mission Impossible“-Filme haben spektakuläre Stunts, aber immer eine sehr seichte Story. Unter den Serien fand ich nur „Kleo“ herausragend. „Argylle“ hat großen Spaß gemacht, aber ich bin mir nicht sicher, ob das ein seriöser Agentenfilm sein wollte.
Da ich jetzt in Ostdeutschland wohne und der Vormieter den Fernseher zurückgelassen hat, habe ich mittlerweile aber ganz andere Filme zur Auswahl.

Gestern war wieder so ein Abend, an dem ich nicht arbeiten, sondern mir einfach einen Drink mixen, die Füße hochlegen und einen Agentenfilm reinziehen wollte. Beim Zappen durch die vielen DDR-Kanäle blieb ich bei „For Eyes Only“ aus dem Jahr 1963 hängen.

Zum Inhalt, so knapp wie möglich: Hansen ist ein DDR-Spion, der in der BRD für eine Tarnfirma des US-Militärgeheimdienstes arbeitet. (Natürlich ohne ihnen zu sagen, dass er bei der Stasi ist. Logisch.) Die USA und die BRD arbeiten an einem geheimen und teuflischen Plan, die friedliebende DDR hinterrücks anzugreifen. Nur Hansen, der körperlich, geistig aber auch moralisch überlegene Held, kann das stoppen, indem er die Pläne für die westliche Militäroperation aus dem Safe seines Chefs stibitzt und in die DDR bringt, wo sie dann rechtzeitig der Weltöffentlichkeit vorgestellt werden sollen, um die Invasion noch abzuwenden.
Das erinnert stark an einen anderen Geheimagenten, und spätestens bei den Casino-Szenen wird einem klar, dass hier schamlos von „James Bond jagt Dr. No“ (1962) abgekupfert wurde. Nur ohne Farbe, denn in der DDR verlief bekanntlich das gesamte Leben in schwarz-weiß.
James Bond hat ein paar Jahre später wiederum abgekupfert, nämlich den Filmtitel. 1982 erschien „For Your Eyes Only“, eine Hommage des britischen Geheimdienstes an die Kollegen von der DEFA.
Bei einer Sache blieb die DDR-Kinoindustrie jedoch unübertroffen: beim Marketing.
Um die Menschen in Scharen in die Kinos zu locken, heckte das Ministerium für Staatssicherheit und Filmförderung einen genialen Plan aus. Bereits ein Jahrzehnt vor der Premiere wurde ein echter ostdeutscher Doppelagent, Horst Hesse, in den US-amerikanischen Militärgeheimdienst in Westdeutschland eingeschleust. 1956 gelang es ihm, zwei ganze Panzerschränke zu entwenden und mit diesen in die DDR zu entkommen – ähnlich wie im Film.
Bei dem Material handelte es sich zwar hauptsächlich um Agentenkarteien (schlimm genug, wenn die in die falschen Hände fallen). Aber um die Spannung für den Film so richtig anzuheizen, verlautbarte die DDR-Führung auf mehreren Pressekonferenzen, dass ihre Agenten geheime NATO-Pläne, nicht nur für einen Angriff auf die DDR, sondern „zur Vorbereitung eines dritten Weltkriegs“, entwendet hatten.

Die Pläne waren natürlich eine Fälschung.
Weil die DDR-Bevölkerung nach diesen Enthüllungen jedoch aus Angst vor einer Invasion kaum mehr ruhig schlafen konnte, musste die DDR-Führung im Sommer 1961 zum Schutz eine Mauer bauen. Und das alles nur wegen einen Kinofilms!
Obwohl sich das mit der Mauer, soweit ich weiß, mittlerweile erledigt hat, ist „For Eyes Only“ auch heute noch spannend anzusehen. Nach 102 aufregenden Minuten, von denen keine einzige langweilig oder langatmig war, merke ich, dass ich den Drink, den ich mir für den Kinoabend gemixt habe, noch gar nicht angerührt habe.
Der Systemkonflikt der Agentenfilme ging unerschrocken weiter. „Das unsichtbare Visier“ war die Antwort auf James Bond, Armin Mueller-Stahl die Antwort auf Sean Connery.
Links:
- „For Eyes Only“ könnt Ihr bei „Filmfriend“ kostenlos sehen, wenn Ihr Euch über Eure Stadtbibliothek einloggt. Überhaupt bietet eine Mitgliedschaft bei der örtlichen Bibliothek viel mehr als nur Bücher.
- Mehr Filmempfehlungen, mehr Geschichten aus der DDR, und mehr über James Bond.


Seien wir bitte realistisch: Sean Connery war immer schon die Kopie von Armin Mueller-Stahl.
… und Danny DeVito nicht mehr als ein kleingewachsener Manfred Krug.
Hallo,
ich konnte nur auf pausieren drücken bei WordPress, möchte aber dauerhaft abbestellen.
Bitte um Rückmeldung, dass dies erledigt wurde.
Gruß,
Jochen
Ohne Ihre/deine E-Mail-Adresse kann ich gar nichts machen.
Sonst weiß ich ja nicht, welchen Leser ich abmelden soll.
Am besten einfach mal anrufen, dann können wir das sofort klären.
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