Dreiviertel-NATO

Als ich im Sommer 2017 in Kutaisi in Georgien dieses Wandbild fotografierte, sollte es wohl die georgischen Aspirationen und Hoffnungen auf einen NATO-Beitritt symbolisieren. Einer muss ja den ganzen Wein für das Manöver mitbringen.

Heutzutage fragt man sich eher, ob die Zeit für die NATO abläuft. Und für Georgien.

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About Andreas Moser

I am a lawyer in Germany, with a focus on international family law, migration and citizenship law, as well as constitutional law. My other interests include long walks, train rides, hitchhiking, history, and writing stories.
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11 Responses to Dreiviertel-NATO

  1. Avatar von A. Gony A. Gony sagt:

    Inwie_ferne die Zeit für Georgien als souveräner Staat abgelaufen ist wird davon abhängen, inwie_weit Europa in allernächster Zukunft imstande sein wird, in der Ukraine endlich entschieden soweit militärische Unterstützung zu leisten, daß der Krieg für Rußland unerschwinglich wird, nachdem die Trump-Administration die Demokratie de facto zur überholten Staatsform erklärte und die Barbarei wiedereinführte. Bestrebungen, um die Selbstverteidigungsfähigkeit der UA zu erhöhen, sind seitens der Anrainerstaaten und auch Ds erfreulicherweise im Gange.

    Einen NATObeitritt Georgiens sah ich stets problematisch und verstehe, daß manche Staaten einen solchen ablehnen: denn ein Mitglied sollte man im Ernstfall auch verteidigen können und die Türkei als nächstgelegene terrestrische Plattform ist ja auch nicht ganz unproblematisch – siehe auch Orban in H. Das Baltikum hingegen ist durch den Beitritt Finnlands und Schwedens im in den kommenden drei bis fünf Jahren zu erwartenden Anlaßfall hingegen vergleichsweise leicht zu verteidigen, da die Transportwege von Truppen und vor allem Material relativ kurz wären. Was auch die russischen Kriegsplaner in ihre Überlegungen einrechnen werden; der noch immer mögliche Gesamtwegfall der US-amerikanischen Kampfkraft wiederum ergäbe ein sattes Plus für den Aggressor.

    • Bald werden wir froh sein, wenn es nur um den „Gesamtwegfall der US-amerikanischen Kampfkraft“ geht. Man muss ja mittlerweile befürchten, dass sich die USA mit Russland verbünden, solange es danach nur irgendwelche Rohstoffe aufzuteilen gibt. :/
      (Was mich als Bewohner des Erzgebirges natürlich besonders beunruhigt.)

      Das mit der faktischen Nichtverteidigungsfähigkeit von Georgien ist ein Punkt, wobei es ja immer auch um die Abschreckung geht. Wenn da ein paar Tausend deutsche, italienische und britische Soldaten stationiert sind, dann überlegt sich Russland den Angriff vielleicht zweimal. Deshalb ist ja auch die Bundeswehr in Litauen.

      Ein anderes Problem bei Georgien sehe ich darin, dass unklar ist, was georgisches Staatsgebiet ist. Georgien und wohl auch der Großteil der Weltgemeinschaft besteht darauf, dass Abchasien Teil Georgiens ist.
      Ich bin da ein bisschen anderer Ansicht und sehe Abchasien durchaus als legitimen Staat. Jedenfalls ist Abchasien ein ganz anderer Fall als die von Russland kontrollierten Marionetten-Regime in den „Volksrepubliken“ im Donbas. Und auch anders als Transnistrien, weil Abchasien historisch unabhängig war, weil es auch innerhalb der Sowjetunion einen Autonomiestatus hatte und v.a. weil es wirklich eine eigene Geschichte, Identität, Kultur und Sprache gab und gibt.

      Am meisten Sorgen mache ich mir um Moldawien. Wobei die einen recht schnellen Weg in die NATO und die EU wählen könnten, wenn sie sich mit Rumänien (wieder)vereinigen. So wie es Ostdeutschland gemacht hat. Schwupp, von einem Tag auf den anderen, ohne langwierige Kandidaturen und Verhandlungen und Prüfprozesse und all diesem bürokratischen Kram.

    • Avatar von A. Gony A. Gony sagt:

      Die georgische Problematik ist ebensowenig einfach wie jene der Republik Moldau. Daß für Putin internationale Grenzen, welche er selbst garantiert hat nicht zählen, wissen wir seit spätestens dem Einmarsch in die UA. Und daß es abchasische Unabhängigkeitsbestrebungen gibt, räumt ihm nach unserer gegenwärtigen demokratischen Rechtsauffassung eben nicht das Recht ein, die ‚Russische Minderheit‘ in diesem Land offen militärisch zu unterstützen. So wurde auch der/das Elsaß ins Reich heimgeholt, wie wir wissen.

      Bei Moldau bin ich mir nicht sicher, daß die Option eines Anschlusses an Rumänien in EU/NATO auf ungeteilte Zustimmung stößt. Daß die kleine Republik ihren abtrünnigen Teil mit militärischen Mitteln nicht bezwingen konnte, ist fatal – doch genau dies wäre vermutlich das eventuelle Bauernopfer des Westens um Ruhe zu bewahren, allenfalls eine zeitlang nach einer Niederlage der UA oder auch dann, falls die von Putin verlangte Abtretung der Region Cherson an Russland stattfände – dann wäre es eine Sache von zwei Tagen und die seit dem Mittelalter umkämpfte Region, damals unter einem heute wenig bekannten Namen, wäre Geschichte bis auf Weiteres… und Putin ginge umgehend daran, die russischen Minderheiten in Rumänien und dem Baltikum zu unterstützen und zu schützen. Man muß nur den aberwitzigen Gedanken entwickeln daß er tut, was er in dieser Hinsicht ungeniert öffentlich ankündigt. In diesem Zusammenhang finde ich es sehr gut, daß Estland Rückgrat zeigt und daran geht, Russen, welche sich weigern, die esthnische Sprache zu erlernen, nach Rußland auszubürgern – eine logische Konsequenz, denn je weniger Russen im Land sind, umso kleiner wäre die Unterstützung durch die 5. Kolonne im Falle einer Invasion. Man würde sich eine solche auch für weite Teile Europas wünschen. Wir werden sehen, wie groß die Abschreckung durch neuaufgestellte deutsche Brigade sein wird, auch verbal.

      Hoffen wir, daß die relevanten Teile unserer westlichen Lenker noch rechtzeitig auf die Spatzen hören, was die seit drei Jahren vom Dach pfeifen: Wenn ihr jetzt noch immer nicht bereit seid tief in die Taschen zu greifen, werdet ihr euch wundern, wie weit ihr eure Schätze werdet plündern müssen, um wenigstens euer Hemd zu retten – weil die Hosen habt ihr aus Dummheit und/oder naiver Sorglosigkeit bereits ausziehen müssen.

      Spannend finde ich es abzuwarten, ob Orban mittelfristig darauf verfällt, das seit 1921 zu Österreich gehörende Burgenland für Ungarn zu reklamieren. Überraschen würde es mich nicht, allenfalls rechne ich spätestens nach einer eventuellen Niederlage der UA damit – denn dann hätte er doch eine direkte Verbindung zum freundlichen Väterchen Putin und russische Truppen müßten vielleicht bald die ungarische Grenze schützen helfen. Vielleicht auch deswegen, weil EU und NATO doch noch Wege findet, ihn loszuwerden. Da Österreich blockfrei ist, schließe ich einen Besuch selbiger auf dem Heldenplatz zu Wien grundsätzlich nicht aus, um einen Kranz vor dem dortigen Russendenkmal niederzulegen – und vielleicht einen dazu auf dem Ballhausplatz, wo sich das Bundeskanzleramt und damit der Sitz der Österreichischen Regierung befindet … ;-? Das ginge in einem Aufwaschgang.

      Alles natürlich im Sinne der Völkerverständigung – allerdings sowjetrussischer Prägung.

      Und Trump ? Wir werden sehen. Wenn die Zweifler an seinem Kurs in der eigenen Partei stärker werden, halte ich es nicht für gänzlich ausgeschlossen, daß er kalt abserviert werden wird – er wäre nicht der erste US-Präsident… Und wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir das spätestens nach seinen ersten außenpolitischen Schritten – mit Systemverrätern kann man nicht anders verfahren, scheint mir.

    • In Abchasien geht es aber gerade nicht um eine „russische Minderheit“. Das sind Abchasen, keine Russen. Die sprechen Abchasisch, nicht Russisch. Abchasien wurde von Russland in der Zarenzeit kolonisiert, und viele Abchasen wurden vertrieben, hauptsächlich ins Osmanische Reich.
      Als ich 2017 in Abchasien war, hat das Land einige Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, die erfolgreich ein Rückkehrrecht nach Abchasien geltend machen konnten, weil sie von Abchasen abstammten. Wahrscheinlich gäbe es noch viel mehr Abchasen, die das könnten, aber diese Familiengeschichte geht nach zwei oder mehr Generationen ja oft verschütt. Oder die Leute wissen einfach gar nicht, dass Abchasien existiert.
      Ich habe in Abchasien auch keine besondere Russlandfreundschaft erlebt. Die allgemeine Stimmung war eher so: „Wir haben eine Grenze zu zwei Staaten. Eines führt Krieg gegen uns, also wenden wir uns notgedrungen dem anderen zu.“ Außerdem sind Russen die einzigen Touristen (mit Ausnahme von so komischen Vögeln wie mir, die den Tourismussektor aber auch nicht gerade beflügeln, weil ich für das Zimmer bei einer sehr netten Familie auf einer wunderschönen Farm am Stadtrand von Sochumi nur 4 €/Nacht ausgegeben habe.)

    • In Moldawien gibt es tatsächlich keine ungeteilte Zustimmung zur Vereinigung mit Rumänien (sonst wäre sie ja schon passiert). Zum einen gibt es dort wirklich einen großen Bevölkerungsanteil, der sich als Russisch sieht, und außerdem die Gagausen, die wahrscheinlich um ihre Autonomie fürchten.
      Und selbst unter den rumänischsprachigen Moldauern gibt es einige, die darauf bestehen, dass Moldawien ganz anders ist. Die bezeichnen die Sprache auch als Moldawisch, nicht als Rumänisch, obwohl ich ehrlich gesagt keinen Unterschied heraushören konnte. Ich bin aber auch kein Linguist.

      Ob die wirklich noch so an Transnistrien hängen, da bin ich mir nicht sicher.
      Das scheint mir eher so zu sein, dass jeder einsieht, dass der Fluss schon eine praktische Grenze ist. Und nach 30 Jahren wäre es ja auch irgendwie doof, den erloschenen Konflikt wieder aufzumachen.

      Das ist eh lustig dort, weil man vor Ort eigentlich ganz leicht über die Grenze gehen kann. Es fahren sogar Züge und Busse zwischen Moldawien und Transnistrien. Ich war im Juli 2015 dort, als das Wasser im Fluss tief stand, und die Menschen (Schmuggler) sind sogar einfach durch den Fluss gewatet (mit großen Schachteln von Zigaretten über den Köpfen, lustigerweise am helllichten Tag).

      Und die Transnistrier haben ja auch alle einen moldawischen Pass, wenn sie einen wollen. Die meisten wollen den, weil man mit dem transnistrischen nicht reisen kann. Und zur medizinischen Versorgung fahren sie auch lieber nach Moldawien.

      Das war eine lustige Reise. Vorher hatte mich jeder gewarnt vor Krieg und Konflikt und Spannung. Und dann sitzt man im sympathischen Städtchen Bender am Grenzfluss, sieht keinen Soldaten, sondern grillende Menschen, und alle sind freundlich und glücklich.

      Bei Transnistrien würde ich aber auch bestreiten, dass das ein Staat ist. Da gibt es eigentlich keine nationale Identität. Und eigentlich wird das Land nicht von einer Regierung verwaltet, sondern vom Sheriff-Konzern, dem einfach alles gehört. Das ist eher so, wie wenn eine Firma sich einen Landstrich gekrallt hat.

    • Das mit Ungarn habe ich mir im Februar 2022 auch gleich gedacht!

      Es ist ja schon krass, wie offen irredentistisch die ungarische Politik ist, mit Karten von Großungarn allenthalben. In jedem kleinen Dorf steht ein Trianon-Gedenkstein, der genau die Gebiete kennzeichnet, die man gerne „wieder“hätte, darunter auch die Karpatenukraine.

      Ich vermute stark, dass Orban sich von Anfang mit Kritik am russischen Angriff zurückgehalten hat, weil er davon ausging (wie anfangs viele), dass Russland die Ukraine komplett besetzen würde. Und in dem Fall hätte er die Karpatenukraine herausverhandelt und wäre als der größte Ungar seit was weiß ich für einem König in die Geschichte eingegangen.

      Ich war im Sommer 2022, also nach Kriegsausbruch, in der Karpatenukraine. Interessanterweise hing dort zB vor dem Rathaus in Solotwino auch die ungarische Flagge und ein Reiterstandbild zeigte Stefan den Großen, einen rumänischen Recken. Auf der rumänischen Seite der Grenze, in Sighet, steht dagegen ein Denkmal von Taras Schewtschenko, dem ukrainischen Nationaldichter, und es gibt ein ukrainisches Gymnasium.
      Das ist noch so richtig schönes Mitteleuropa, wo historische Regionen wie die Karpaten oder die Bukowina oder Wolhynien mehr bedeuten als diese neumodischen Nationalstaaten.
      Das lustigste: In der Ukraine gilt im gesamten Land die Zeitzone MEZ+1. Aber in der Karpatenukraine verwenden die Leute halb-offiziell MEZ und nennen es „die Wiener Zeit“, ganz so, wie wenn noch immer die Habsburger das Sagen hätten.

      Hier mein kleiner Reisebericht dazu: https://andreas-moser.blog/2022/08/20/kruhlyj-dilowe/

    • Noch ein Punkt zu Ungarn:
      Ich glaube, es wird unterschätzt, wie friedensstiftend die NATO- und EU-Beitrittsperspektive in Osteuropa war.

      Mir war nicht bewusst, wie viele Spannungen es zB in Siebenbürgen gab/gibt, bis ich ein Jahr in Targu Mures in Rumänien lebte, einer Stadt, die ethnisch zu 50% ungarisch ist.
      Da gab es 1990 ethnische Ausschreitungen, die auch leicht in Richtung Jugoslawien umkippen hätten können: https://de.wikipedia.org/wiki/Ethnische_Ausschreitungen_von_T%C3%A2rgu_Mure%C8%99

  2. Avatar von A. Gony A. Gony sagt:

    Nun ja – was Abchasien betrifft bin ich mir ziemlich sicher, daß Putin nicht die Ideen ausgehen werden, wie er sich dieses Landstrichs erneut bemächtigen kann, wenn er erst wieder Luft hat – Trump hat ihn ja wieder salonfähig gemacht auf dem Weltparkett nach dem Haftbefehl, der dessen Reisefähigleit einigermaßen beschnitt – jedenfalls in solche Staaten reisen zu können, welche dem Abkommen beigetreten sind, dem ICC die Legitimation zu erteilen, aktiv zu werden – die USA haben ja nicht unterschrieben; und auch Orban weigerte sich, Putin in Gewahrsam zu nehmen, aber das war logisch ;-)…

    „Zwanzig Lewa oder tot“ des Karl-Markus Gauß war die Grundlage dafür, daß ich mich ein wenig (auch) mit Transnistrien beschäftigt habe. Herausgefunden habe ich, daß alles einem russischen Oligarchen gehört, der mithilfe der russischen Armee das Land von Moldawien lossprengte. Hieße es noch immer Bessarabien, trüge er wohl den Titel Fürst oder Graf 🙂 – und so kann er sich natürlich auch bewegen. Jedenfalls innerhalb seines schmalen Streifens Land, der das Sprungbrett für Putin nach Osteuropa wäre. Wenn es sich ergibt wie ich plane, möchte ich mich diesen Sommer eine zeitlang in der Rep. Moldau umsehen; ob ich auch nach Transnistrien möchte, entscheide ich vor Ort. Es wäre immerhin möglich, daß man seitens der Offiziellen skeptischer geworden ist, wenn sich Ausländer aus „unfreundlichen Staaten“ (Putin) auf diesem Trampolin umsehen wollen. Aber vllt hat Trump es bis dahin gekauft, dann ginge es vermutlich erneut problemlos, soferne man Eintritt bezahlt 😉

    In der Ukraine war ich ebenfalls seit Kriegsausbruch, bisher dreimal. Diverse Hilfslieferungen bringen. Und einen Camper, um die Lieferungen verteilen zu können, einmal bis knapp an die Front im Raum Izium. Phänomenal, diese Menschen. Deinen Ausflug zum Mittelpunkt Europas habe ich bereits zuvor gelesen … witzig, diese Zeitverschiebung nach Westen – ich lebe da 😉

    Danke für den Link zu Wiki, von dieser Sache hatte ich keinerlei Kenntnis. Das Gefühl, daß das vorhandene wirtschaftliche Gefälle von West nach Ost in den ehemaligen Ostblockstaaten durch die gemeinsame Zugehörigkeit zu jenen Organisationen, welche nunmal großen Anteil an der Identität ‚des Westens‘ ausmachen, nicht ausschließlich als pejorativer Nachteil empfunden wird, hatte ich ebenfalls bald nach den Beitritten – die tatsächlich fast augenblicklich Schwung in die jeweiligen Wirtschaften -und zu einem Teil eben auch in die militärische Ausrüstung- brachten, wenn fallweise auch in geringem Maße und verzögert.

    • Hut ab vor deinen Reisen und Hilfslieferungen!
      Im Vergleich dazu stehe ich ja immer eher unnütz in der Gegend herum. :/

      Ich glaube, Reisen nach Transnistrien sind weiter kein Problem. Gefährlich war das sowieso noch nie. Man darf nur keine militärischen Einrichtungen und v.a. nicht die KGB-Zentrale fotografieren.

      Der Zug fährt anscheinend nicht mehr (das war der Zug nach Odessa), aber die Seite des Busbahnhofs von Chisinau zeigt, dass alle 10 Minuten ein Bus nach Tiraspol geht:
      https://autogara.md/ – Diese Frequenz zeigt auch, dass das kein aktiver Konflikt mehr ist.

      Visum benötigt man keines, man muss nur bei der Ankunft ein Formular ausfüllen und bekommt dann einen Zettel dafür.
      Da weiß ich allerdings nicht, wie das beim Bus ist. Als ich mit dem Zug nach Transnistrien fuhr, stieg man einfach in Tiraspol aus und konnte aus dem Bahnhof gehen. Da war keine Grenze oder Kontrolle oder so. Aber in der Ecke war eine Bude, wo sich Ausländer registrieren lassen konnten. Das habe ich gemacht.
      Keine Ahnung, was passiert wäre, wenn ich einfach vorbeigelaufen wäre.
      Damals gab es noch die Regel, dass man bei Aufenthalten über 48 Stunden zum KGB musste. (Mittlerweile ist dieser Einreisezettel für 45 Tage gültig, habe ich gelesen.) Ich ging also mit dem Vater des Jungen, in dessen Wohnung ich übernachtete, zum KGB.
      Dort wusste keiner, was wir wollten, weil entweder nie jemand mehr als 2 Tage zu Besuch blieb oder weil sich niemand sonst um diese Erlaubnis scherte. Irgendwann sagte einer der Beamten zum anderen: „Das ist Deutscher, die wollen halt immer alles ganz korrekt haben.“ Und so bekam ich das Visum. Ich glaube, es war sogar kostenlos.

      Aber ich wurde in der gesamten Zeit sowieso nirgendwo kontrolliert. Und bei der Rückreise nach Moldawien gibt es keine Grenze, weil Moldawien ja meint, dass man nur innermoldawisch unterwegs war/ist.

  3. Avatar von A. Gony A. Gony sagt:

    Ah ja, da scheint es tatsächlich noch entspannt zuzugehen und mit einer natürlichen Zwischenmenschlichkeit, die man weltweit von Kulturen kennt, die nicht auf die eine oder andere Weise gestreßt sind. Und zeigt auf humorvolle Weise das Image der Deutschen in der Welt auf, auch wenn es eine klitzekleine ist :} Ich kenne das aus dem ehemaligen Osten und auch heute noch spürt man fallweise bei Begegnungen in Ostdeutschland, daß Kommunikation stets auch ein bißchen über den Bauch abläuft. Allenfalls bei älteren Exemplaren, die im Arbeiter- und Bauernstaat ihre Kindheit verbrachten und vielleicht alles mittrugen, was danach kam. Du scheinst dich aus verwandten Gründen gerne vorzugsweise im Osten herumzutreiben, was rein geographisch gemeint ist … ;-} – dort steckt außerdem noch viel mehr Kraft in künstlerischen Arbeiten, die mir bei Objektkunst unserer Breiten häufig fehlt. Mit Malerei fange ich übrigens garnix an, zumeist.

    Danke für den Fahrplan aus MD – der Preis von 3 € für die Strecke Chisinau-Tiraspol ist wirklich angemessen günstig, vor allem wenn man bedenkt, daß staatliche Förderung vermutlich nicht mehr inkludiert ist ;-} … auch die Fahrt von Bukarest in die Hauptstadt um 25 € ist für uns Billigreisende, zu denen ich mich durchaus ebenfalls zähle, erschwinglich – zumeist jedenfalls. Ich benutze für Reisen in der halbwegs warmen Jahreszeit zwar häufig ein kleines Motorrad, weil ich mit dem ebenfalls sehr günstig meinen Standort verändern kann und nicht von Dritten abhängig bin. Aber ich kenne natürlich die besondere Qualität und Freuden des Autostoppens; und hat sie bei manchen Fahrten nur geringe, dann schult man vielleicht seine eigene (Wasauchimmer). Unnütz in der Gegend herumstehen: dieser Ausspruch scheint mir eher auf all jene zuzutreffen, die mit ihrem Leben nichts anzufangen wissen, als in beinahe jeder Lebenslage auf ihre winzigen Spiegelbildschirme zu gucken – eine Seuche, die kaum noch jemandem auffällt, weil sie beinahe das gesamte Prekariat befallen hat und darüberhinaus … im Umfang ähnlich dem Befall, wie er sich bei den Fußballdodln verhält … :}

    Die Fahrten zwecks Hilfe für die UA ergaben sich übrigens durch einen Motorradkontakt. Vielleicht hast du sie zum Teil gelesen (?), sie sind auf einem anderen Blog geparkt. Frau Heming hatte einmal das zweifelhafte Vergnügen, daß ich ihr eine (Papier)Tüte aus einer ukrainischen Bäckerei zwecks professioneller Beschreibung aufgedrängt habe, welche sie zum Ursprung verlinkte (glaube ich). Andernfalls kann ich dir einen Link senden, würde es aus persönlichen Gründen aber vorziehen, dies per Mail zu tun, falls du Interesse hast.

    • Ah, jetzt erinnere ich mich an die Bäckereitüte!

      Ich habe tatsächlich ein großes Faible für Osteuropa, dem ich als Wessi erst sehr spät nachgegangen bin. Mit etwa 35 zog ich für ein Jahr nach Vilnius, später ein Jahr nach Rumänien, und natürlich viele Reisen dazwischen, von Estland bis Armenien.

      Ich kann das gar nicht richtig erklären, es ist ein Bauchgefühl, aber ich habe mich in Osteuropa meist sehr wohl und sogar richtig „zuhause“ gefühlt, obwohl ich keine der Sprachen spreche.
      Kunst und Architektur spielen mit rein, aber auch das Mit- und Zwischenmenschliche, das kreative Lösen von Problemen, ein etwas unkomplizierterer Umgang miteinander.
      Und als ich dann – weil ich irgendwann wieder arbeiten musste – nach Deutschland zurückzog, entdeckte ich zum Glück, dass ich in Ostdeutschland auch ein Stück von diesem Osteuropa finde. Und so bin ich in die zumindest architektonisch wohl osteuropäischste Stadt Deutschlands gezogen, nach Karl-Marx-Stadt.

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