MH17: kein schöner Tod

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Den Tod an sich braucht man nicht zu fürchten. Wir wissen, dass er kommt, und wir wissen, dass er kommen muss, weil es sonst auf der Erde noch bedrängter zuginge. Die Zeit und die Art des Todes sind es, die wir fürchten.

Über Letzteres wird jeden Tag gelogen. „Er war sofort tot“, „es passierte so schnell, dass sie gar nicht mitbekam, was geschah“, „sie spürten keinerlei Schmerzen“ fehlinformieren die beiden Männer die Hinterbliebenen über die Türschwelle hinweg, bevor sie sich in ihren Mittelklassewagen setzen um die Liste mit den acht verbleibenden Namen und Adressen abzuarbeiten, die quer durch das Bundesland verstreut sind wie Kuhfladen auf einer Weide, um dazwischen zu diskutieren, wo am besten die Mittagspause einzuschieben wäre.

Am 17. Juli 2014 fiel eine auf dem Flug der Malaysia Airlines von Amsterdam nach Kuala Lumpur hart arbeitende Boeing 777 über der Ukraine aus allen Wolken. Niemand an Bord überlebte.

Das Flugzeug wurde abgeschossen, was nichtsahnenden Passagiermaschinen erstaunlich oft passiert. Es war gar nichts Persönliches gegen Malaysia Airlines oder irgendjemanden an Bord. Ganz im Gegentum war es einer dieser Unfälle, die passieren müssen, wenn ein Rudel separatistischer Rebellen ein neues Waffensystem zum Spielen bekommen hat und niemand sich bereit erklärt, das dicke Handbuch zu lesen. Also in etwa so als Ihr zum 14. Geburtstag ein Luftgewehr oder – für meine Leser in den USA – zum 8. Geburtstag ein AR-15-Schnellfeuergewehr bekommen habt.

Wieder einmal wird ein Angestellter der Fluglinie, der Leichenbeschauer oder ein Pfarrer den Familien erzählen, dass ihre Söhne und Mütter „überhaupt nichts gespürt“ hätten. Aber dieses Mal wissen wir, dass es nicht stimmt. Wenn ich mir diese Fotos vom Absturzort ansehe, sehe ich Gegenstände in besserem Zustand als in den meisten Kinderzimmern. Diese Bücher sind nicht zerfleddert oder verbrannt, diese Kleidungsstücke sind nicht verkohlt oder zerrissen.

MH17 teddy
MH17 t-shirt Amsterdam
MH17 LP Bali

Wenn Bücher nicht verbrennen und Teddybären nicht verbluten, dann muss auch zumindest ein Teil der Passagiere den Einschlag der Rakete überlebt haben. Genau das ist immer meine größte Angst beim Fliegen gewesen: ein Szenario, in dem das Flugzeug auseinanderbricht und ich, bei vollem Bewusstsein, mehrere Minuten lang dem sicheren und brutalen Tod entgegen falle, ohne dieses Leiden beenden oder verkürzen zu können. Dazu noch Hunderte von Menschen in der Luft, die alle in ihre Mobiltelefone schreien oder tippen während sie auf Autobahnen und Hochspannungsleitungen zurasen. Plop – plop – plop, dreihundert Mal.

Nachdem ich diese Fotos gesehen habe, weiß ich, dass meine Angst gerechtfertigt ist. Ich werde bei meinen zukünftigen Reisen noch mehr als bisher Züge und Schiffe präferieren. Alternativ könnte man Flugzeuge mit Sprengstoffladungen ausstatten, um einen schnellen und tatsächlich schmerzfreien Tod zu gewährleisten.

Über Andreas Moser

Travelling the world and writing about it. I have degrees in law and philosophy, but I'd much rather be a writer, a spy or a hobo.
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9 Antworten zu MH17: kein schöner Tod

  1. Pingback: The worst thing about MH17 | The Happy Hermit

  2. Jens schreibt:

    Nett geschrieben, aber an den derzeitigen Erkenntnissen von OSZE (via CBC-News Kanada) und Award-Journalist Robert Parry (USA) kilometerweit an der vermeintlichen (muss man noch sagen) Wahrheit vorbei. Wenn deren Sichturteile (OSCE investigator Michael Bociurkiw) und Recherchen stimmen, dann waren es ukrainische Jets. Das würde sich auch mit den einzigen bislang veröffentlichten Satellitenaufnahmen decken, welche von den Russen stammen. Von den Amis kommt ja nichts, nur hohle Worte und unbewiesene Anschuldigungen.

  3. StatistikFan schreibt:

    Du musst es nur machen wie jeder Statistiker:
    Nimm eine Bombe mit an Bord. Die Wahrscheinlichkeit, dass noch jemand eine an Bord bringt, geht damit gegen Null. In diesem speziellen Fall brauchst Du halt einen Freund bei der NATO, der USAF, der Luftwaffe oder bei den Russen, der ebenfalls ein Flugabwehrsystem auf Deinen Flieger ausrichtet. Gleiches Prinzip wie bei der Bombe an Bord.

  4. Der Senfspender schreibt:

    Der minutenlange Sturz aus den Wolken nach einem Crash, wie ihn angeblich 1972 die Stewardess Vesna Vulovic überlebt hat

    http://de.wikipedia.org/wiki/Vesna_Vulovi%C4%87

    ist natürlich eine äußerst beklemmende Vorstellung, geht aber vermutlich von falschen Voraussetzungen aus. Ich bin zwar auch kein Fachmann, aber einer, der wirklich Experte auf diesem Gebiet sein dürfte, sieht die Dinge nüchterner:

    http://www.bloomberg.com/news/2014-07-18/malaysian-flight-passengers-probably-died-instantly.html

    Und die Wahrscheinlichkeiten sind im übrigen – auch entgegen der landläufigen Meinung – sowieso geradezu unglaublich stark mit dem Fliegenden: einmal ist die Wahrscheinlichkeit, überhaupt in einen Absturz zu geraten, 1:90.000.000 und die Überlebensrate bei Absturzopfern beträgt sagenhafte 95,7%

    http://www.thedailybeast.com/articles/2009/01/17/the-great-plane-crash-myth.html

    Ist für die Passagiere von LH 17 natürlich nur ein schwacher Trost – gibt aber andererseits mal wieder trefflichen Anlass, über die Rolle der schlechten Nachrichten in unserer medialen Welt nachzudenken:

    http://www.goodnewsnetwork.org/

    Für alle aber, die’s lieber böse-böse-böse mögen und den ganzen Schwindel sowieso längst durchschaut habent: voilà, hier das derzeitige Angebot zum Thema:

    http://www.washingtonpost.com/news/the-intersect/wp/2014/07/18/a-comprehensive-guide-to-the-webs-many-mh17-conspiracy-theories/

    Der Senfspender

  5. American Viewer schreibt:

    Einen „schöneren“ und schnelleren Tod als in einem Flugzeug kann ich mir kaum vorstellen. Da brauchst du wirklich keine Angst haben, Andreas. Was glaubst wie du auf einem Schiff sterben würdest? Ertrinken ist wirklich blöd. Oder eingeklemmt in einem Auto oder einem Zug? Brennend. Am besten stirbt es sich in einem Flugzeug, da ist die Geschwindigkeit am höchsten. Alles geht so schnell, man spürt überhaupt keine Schmerzen. Danach kommen wohl Hochgeschwindigkeitszüge. Aber schon mit größerem Abstand. Am schlimmsten ist es auf einem Schiff. Da gibt es viele schlimme Szenarien: Ein Brand. Ertrinken. Wochenlang in einem Rettungsboot mit zuwenig Wasser und Trinken. Das geht alles viel zu langsam.

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