Eigentlich war ich ausgezogen, um den Sonnenuntergang zu fotografieren. Aber als ich mich umdrehte, erblickte ich ein weit selteneres Spektakel: den Aufgang des Vollmondes, genau zur gleichen Zeit, zu der 180 Grad gegenüber die Sonne unterging.
Mir war bewusst, dass es dunkel werden würde, aber ich konnte mich einfach nicht durchringen, den Hügel zu verlassen, von dem ich dieses Zusammenfallen der Himmelskörperbewegungen beobachten konnte. Also musste ich im Dunkeln nach Venta Micena zurückgehen, mit dem Mond als einziger Lichtquelle und dem Kirchturm als einzigem Orientierungspunkt.
Als ich wohlbehalten nach der nächtlichen Wanderung durch die verlassenen Straßen des bis dahin von mir verlassen geglaubten Dorfes ging, bemerkte ich, dass ich anscheinend doch nicht als Einziger dort lebe. Denn in einem weiteren Haus schien Licht.
Neugierig geworden, wollte ich dort am nächsten Tag vorbeischauen, aber die Fensterläden waren alle heruntergelassen und die Tür war mit einem Brett versperrt, wie wenn das nächtliche Licht nur in meiner Einbildung geschienen hätte. Aber ich schwöre, dass ich aus diesem mysteriösen Haus seither jede Nacht Kerzenschein flackern sehe und Gesprächsfetzen vernehme. Bis jetzt habe ich noch nicht den Mut aufgebracht, der Sache nachzugehen.
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