Testament leicht gemacht

Wenn Mandanten bei mir nach mehreren Stunden aus der erbrechtlichen Beratung kommen, dann schwirrt ihnen der Kopf.

Vorerbschaft, Zwischenerbschaft und Nacherbschaft. Apostille und Kodizill. Trusts, Stiftungen und Familienfideikommisse. Pflichtteil und Noterbrecht. Autonomes Kollisionsrecht oder Europäische Erbrechtsverordnung? Sächsisches Anerbenrecht oder römische Realteilung? Was sagt das Foralrecht des Königreichs Aragón zur Vererbbarkeit von Katzen? Warum hat das Gesetz des Großherzogtums Baden über geschlossene Hofgüter im Hochschwarzwald Vorrang vor dem Bürgerlichen Gesetzbuch? Aber gut, das Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien von 1929 gilt ja auch noch, obwohl beide Staaten nicht mehr existieren. Darf man seine Cannabis-Pflanzen an Minderjährige vererben? Gelten die alten DDR-Testamente noch? Und immer wieder die Frage: Machen wir ein Damnationslegat oder ein Vindikationslegat?

Kein Wunder, dass niemand mehr durchblickt. Ich selbst übrigens auch nicht.

Manche Mandanten fragen dann ganz schüchtern: „Geht das nicht auch einfacher?“

Die gute Nachricht: Ja, es geht.

Weil § 2247 BGB das handschriftliche Testament erlaubt, könnt Ihr Euch einfach einen Zettel und einen Stift nehmen und über Millionen und Milliarden verfügen. Ein Satz, Datum, Unterschrift, das reicht. Ihr müsst das Testament auch nirgendwo registrieren oder eintragen. Einfach an die Pinnwand in der Küche heften, und gut ist die Sache.

So hat es jetzt das bürgerfreundliche Oberlandesgericht Oldenburg bestätigt.

Der Wirt einer Dorfkneipe schrieb eines Abends auf einen Kneipenblock, auf dem sonst die Bier- und Schnitzelbestellungen notiert werden: „Gabi kriegt alles“, Datum, Unterschrift.

Den Zettel legte er hinter den Tresen, zu einem anderen Haufen ähnlicher Zettel, auf denen ausstehende Zahlungen für Biere und Schnäpse notiert waren.

Eine Woche später verstarb er.

Die im Testament genannte Gabi war seine Lebensgefährtin gewesen. Durch ihre Einsetzung als Alleinerbin wurden die vier Neffen und Nichten des Erblassers – ob bewusst oder unbewusst – enterbt. Die gingen, nachdem sie sich vorher jahrelang nicht blicken haben lassen, erbost zum Amtsgericht Westerstede, das den Kneipenzettel nicht als wirksames Testament anerkannte. Angeblich sei kein ernsthafter Testierwille erkennbar. Außerdem genüge die Kurzbezeichnung „Gabi“ nicht, um jemanden als Erbin zu identifizieren.

Zum Glück hatte Gabi aber noch die Puste und die Knete, um in die nächste Instanz zum Oberlandesgericht Oldenburg zu gehen. Der Unterschied zwischen Amtsgericht und Oberlandesgericht ist, dass bei letzterem die älteren Richter sitzen. Die mit Lebenserfahrung. Die solche Kneipen noch aus der Jugend kennen. Und die wissen: Was der Wirt auf den Kneipenblock notiert, das ist Gesetz.

Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied deshalb: Ja, der Schrieb auf dem Brauereiblock ist ein wirksames Testament. Als Argument wurde herangezogen, dass der Wirt auch andere wichtige Notizen (insbesondere die Ausstände säumiger Stammgäste) auf diesen Zetteln notierte und die dementsprechenden Urkunden ebenfalls hinter dem Tresen lagerte. Außerdem stellte das Gericht durch Nachfragen fest, dass der Erblasser generell ein eher unkomplizierter Typ gewesen war. Und weil es neben der Lebensgefährtin keine andere „Gabi“ im Leben des Erblassers gab, genügte auch diese Kurzbezeichnung zur wirksamen Einsetzung als Alleinerbin.

Ihr seht also: Testieren ist kein Hexenwerk. Aber macht es dem Gericht doch bitte ein bisschen einfacher und verwendet auch die Nachnamen der Bedachten. Und schreibt sicherheitshalber „Testament“ darüber.

Wenn Ihr ganz und gar zu faul zum Schreiben seid, dann hilft nur mehr das Nottestament. Dazu müsst Ihr entweder mit drei Freunden auf eine Bergtour gehen und Euch in Lebensgefahr bringen (§ 2250 II BGB) oder auf einem deutschen Kreuzfahrtschiff in internationalen Gewässern herumtuckern und die drei Tischnachbarn als Zeugen heranziehen (§ 2251 BGB). Ich finde es beruhigend, dass der Gesetzgeber von 1896 an alles gedacht hat, was uns heute noch das Leben (und Sterben) erleichtert.

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Über Andreas Moser

I am a lawyer in Germany, with a focus on international family law, migration and citizenship law, as well as constitutional law. My other interests include long walks, train rides, hitchhiking, history, and writing stories.
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12 Antworten zu Testament leicht gemacht

  1. hanselmar schreibt:

    Der Menno Kettwich war offensichtlich noch ein Mann der alten Schule. Der wusste:“Fuer Gabi tu ich alles.“ In den Jahren wo Menno noch jung war gab es sogar mal einen Schlager der sich einzig und allein auf Gabi bezog. Dem konnten sich die juristischen Wuerdentraeger nicht entziehen und waren gezwungen Gabi alles zu vermachen. In diesem Fall war die Gabi sogar echt denn Sie war offensichtlich in der Lage einen Namensnachweis zu erbringen. Wer also Gabi, Klara oder Tusnelda etwas vermachen will sollte sich vorher unbedingt den echten Ausweis dieser Person zeigen lassen. Na dann viel Spass beim Vererben.

  2. Anonymous schreibt:

    Diese Art der Testamentsgestaltung ist nun gemeinhin bekannt als das „Köstritzer Testament“. 😀

  3. Kasia schreibt:

    Hm, und wenn ich meine Mama einsetzen möchte, dann einfach „Mama kriegt alles“ schreiben; Vor- und Nachname erschließt sich ja von selbst, oder? Und wenn der Erbe im Ausland lebt, muss da die Adresse drauf? Und kann ich mangels Alternativen auch Klopapier benutzen? Fragen über Fragen, aber ich habe vor Kurzem wieder mit dem Motorradfahren angefangen 😉

    • Andreas Moser schreibt:

      Als Motorradfahrerin sind Organspendeausweis und Patientenverfügung am wichtigsten. 😛

      „Mama kriegt alles“ ist auf jeden Fall bestimmt genug, weil die meisten Menschen nur eine Mama haben.
      Adresse muss nicht mit drauf, das kriegt man dann schon raus.

      Und was hast du denn für schreckliches Klopapier, wenn man darauf schreiben kann? 😛

    • Kasia schreibt:

      Immer recyceltes 😉 Organspendeausweis: hab ich. Mama: hat es mehr als verdient. Patientenverfügung: da hängt ein Zettel an meinem Kühlschrank. „An Patientenverfügung denken.“ Ich denke dran.

    • Andreas Moser schreibt:

      Ich habe das zumindest teilweise einfach auf meinen Blog gepackt: https://andreas-moser.blog/2015/10/03/todesfall/

  4. Anonymous schreibt:

    da hatte Gabi aber Glück, dass sie niemand auszahlen musste. Oft sind ja Kinder des Erblassers noch vorhanden z.B..

    • Andreas Moser schreibt:

      Wenn man Kinder hat, muss man sich beim Enterben tatsächlich ein bisschen mehr Mühe geben.

      Hier eröffnet sich ein Vorteil von ausländischen, doppelten oder mehrfachen Staatsangehörigkeiten. Dann kann man nämlich für sein Testament das Recht eines dieser anderen Staaten wählen (Art. 22 I EuErbVO). Und einige Staaten auf der Welt kennen kein Pflichtteilsrecht, zB Australien, Großbritannien mit Ausnahme von Schottland, Kanada und die meisten Bundesstaaten der USA.
      Viele andere Länder ziehen zumindest den Kreis der Pflichtteilsberechtigten enger und schließen zB den Ehegatten aus.

  5. T. schreibt:

    Da hat der Menno aber die Sonntagsschrift gewählt, meine Klaue kann keiner lesen. Darf ich das auch auf Band sprechen? In Stein oder Borke ritzen?

    • Andreas Moser schreibt:

      Tonband geht auf keinen Fall, weil die Testiervorschriften aus dem Jahr 1896 stammen.

      Stein und Borke gab es damals zwar schon, aber ein Sinn des handschriftlichen Testaments ist die Möglichkeit des Schriftvergleichs. Das ist beim Ritzen oder Hämmern schwer.

    • T. schreibt:

      Ok verstanden, dann fange ich vielleicht bald mal an das sorgfältig aufzuschreiben, damit ich dann auch fertig bin, wenn es soweit ist. Danke für den Tipp

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