Flug verpasst: kein Marokko

Ab heute sollte mich niemand mehr um Rat zu seinen Reisen fragen. Niemals. Ich habe mich selbst disqualifiziert.

Ich habe meinen Flug nach Marokko verpasst. 

Das kam so: Ich plane immer dergestalt, dass ich eine Stunde vor Abflug beim Flughafen bin. Die Streber, die zwei oder drei Stunden vorher auftauchen, sitzen dann ja nur rum und müssen überteuerte und zu klein geratene Salate essen oder zum Rauchen in der Kälte stehen. Laut meinem mit dem Google-Kalender synchronisierten Tablet-Computer ist mein Abflug um 14:55 Uhr. Um 13:20 Uhr packe ich also meine Tasche und drucke die Bordkarten aus. Oh Schreck! Da steht plötzlich 13:55 Uhr als Abflugzeit. Dieser verblödete Computer wähnte sich anscheinend in einer anderen Zeitzone.

Mir bleiben nur 35 Minuten bis zum Take-Off.

Also haste ich auf die Straße, finde sofort ein Taxi (Targu Mures, diese Kleinstadt in Rumänien, hat etwa so viele Taxis wie New York oder wie ganz Deutschland) und bitte um eine Fahrt zum Aerodrom. Der Fahrer heißt Janosch und hat auf seinem Taxifahrerausweis einen Riesenschnurrbart wie ein linker Revolutionär. Er fährt alles andere als revolutionär. Er hält für junge Frauen mit Kinderwägen, für alte Frauen mit Einkaufstüten, für um diese Zeit massenhaft zum Mittagessen strebende Schulkinder und fährt rechts ran, um einer entgegenkommenden Ambulanz Platz zu machen. Sehr netter Mann! Ich sage nichts, weil meine verbockte Planung nicht seine Schuld ist. Außerdem kann ich kein Rumänisch oder Ungarisch.

Um 13:50 Uhr kommen wir am Flughafen von Targu Mures an, der natürlich zig Kilometer außerhalb von Targu Mures liegt. Es ist ein kleiner Flughafen, so einer der sich sich wegen ein paar Auslandsflügen „international“ nennt, obwohl es nicht mal Zeitungen auf Englisch gibt. Das purpurfarbene Flugzeug von Wizzair ist auf dem Rollfeld leicht zu entdecken. Es ist das einzige Flugzeug. Die Türen sind schon geschlossen. Schlechtes Zeichen. Ich laufe in die Halle, die zum Glück ebenfalls klein und überschaulich ist. Beim Wizzair-Schalter ist niemand mehr da. Es ist überhaupt keiner der Schalter besetzt. Die Männer, die einen abtasten und durch den Röntgenrahmen schieben, sind verständnisvoll, können aber nichts machen, weil ich einen großen Rucksack als Aufgabegepäck habe. Dafür ist es zu spät. In Eilat hat mal ein Flugzeug lange Zeit auf mich als letzten Passagier gewartet, weil ich in einer sehr strengen und leibesvisitativen Sicherheitskontrolle gefangen war. Aber das ist eine andere Geschichte.

Mit enttäuschtem Tatendrang und gepacktem Rucksack ging ich zurück nach Hause. Kein Wunder, dass ich nach der Rückkehr in mein gemütliches Heim etwas deprimiert aussehe.

Flug verpasstKonsequenzen und Lehren:

  • Ich werde keine Witze mehr machen über Leute, die mehr als eine Stunde vor Abflug zum Flughafen fahren oder sich mehrmals der Abflugzeit vergewissern. Ich finde Euch zwar immer noch spießig, aber Ihr habt nicht ganz Unrecht.
  • Vorzugswürdiger sind allerdings Eisenbahnen und Schiffe. Da kann man auf den letzten Drücker auftauchen.
  • Wenn ich etwas Positives an dem Schlamassel finden will, so habe ich jetzt zwei Wochen mehr Zeit zum Schreiben. Stoff genug habe ich noch von meinen letzten Reisen.
  • Zwei zusätzliche Wochen in Rumänien sind auch nicht schlecht.
  • Zudem bleibt mir mehr Zeit für die Vorbereitung meiner Reise nach Israel und Jordanien im März. Diesmal werde ich aber schon am Tag vor dem Abflug zum Flughafen fahren.
  • Ich wünsche, so etwas würde nur bei Rückflügen passieren. Dann hat man wenigstens länger Urlaub. Aus New York habe ich mal einen Rückflug verpasst, weil ich mich mit einem Mädchen im Museum of Modern Art verquatscht hatte. Die anderen Flüge nach Deutschland waren alle ausgebucht, so dass ich stattdessen einen nach Paris nahm (ohne das Mädchen). So kam ich das erste und bisher einzige Mal, rein aus Zufall, nach Paris. Aber ich schweife schon wieder ab.
  • Bei der Planung für Marokko habe ich dermaßen Gefallen an dem Land gefunden, dass ich – anstatt eines kurzen Urlaubs – demnächst lieber für ein paar Monate dorthin ziehen werde. Sicherheitshalber mit der Fähre von Spanien aus.

Aber jetzt brauche ich erst einmal einen Drink und eine Zigarre.

(To the English version of this text.)

Über Andreas Moser

I am a lawyer in Germany, with a focus on international family law, migration and citizenship law, as well as constitutional law. My other interests include long walks, train rides, hitchhiking, history, and writing stories.
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9 Antworten zu Flug verpasst: kein Marokko

  1. Pingback: No Morocco: I missed my flight | The Happy Hermit

  2. Da ist die Zeit gegen Dich gelaufen! Wer weiss, wofür es gut gewesen ist … Lieben Gruss, Jenni

  3. Trossi schreibt:

    Hey Andrew, war da nicht auch mal was mit Flug Nürnberg – Frankfurt – San Francisco anno 1996??? 😉 Schöne Zeit!

    • Andreas Moser schreibt:

      Ja, daran habe ich auch gedacht!

      Das war ne coole Geschichte. Toll, dass Du in San Francisco auf mich gewartet hast, nur weil ich zu doof war, die Geltungsdauer meines Passes zu überprüfen.

      Wenn es innerhalb Europas noch Grenzkontrollen gäbe, würde ich wahrscheinlich viel öfter steckenbleiben. 🙂

  4. Marrakschi schreibt:

    Ach wie ärgerlich, wenn dann wegen solcher Missgeschicke eine ganze Reise platzt. Der Vorsatz, gleich für mehrere Monate nach Marokko zu fahren, ist aber genau richtig. Das Land ist zu groß, um es in drei Wochen zu erkunden. Viel Spaß in Israel und Jordanien, vielleicht schaffst du es ja schon im Herbst runter!

  5. danysobeida schreibt:

    Que tragedia! La foto lo dice todo. 🙂

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