Im Irak lassen Buchhändler die Bücher nachts einfach neben der Straße stehen, weil man sich sagt: „Leser stehlen nicht, und Diebe lesen nicht.“
Das erinnert mich an eine Episode aus dem Iran.
In einem Antiquariat fand ich so viele interessante Bücher auf Englisch und Deutsch, dass mich der Ladeninhaber nach einer Weile vorsichtig fragte, ob ich noch länger benötige. „Wieso?“ wunderte ich mich. „Es ist nur so, dass ich bald zum Mittagessen gehen will“, erklärte er. Kein Problem. Ich schlug vor, dass ich in einer Stunde wiederkommen würde. „Nein, nein, das meinte ich nicht“, erwiderte er. „Wenn Sie noch eine halbe Stunde stöbern können, würde ich einfach schnell essen gehen, und Sie können derweil hierbleiben.“ So überließ er mir, einem Fremden, seinen ganzen Laden zur Aufsicht.
In den Büchermärkten rund um die Universität in Teheran lernte ich, dass man die interessantesten und fremdsprachigsten Bücher in den entlegensten Läden findet. Wenn man in einem heruntergekommenen Haus zuerst in den zweiten Innenhof, dann in den vierten Stock und schließlich durch einige andere Läden in das letzte Zimmer gehen muss, dann hat man den Ort gefunden, wo die Literatur aus der Zeit vor der Islamischen Revolution 1979 aufbewahrt wird.
In einem Buchladen für juristische Literatur kam ich mit einem iranischen Rechtsanwalt ins Gespräch, der mich fragte, woher ich komme. „Aus Deutschland.“ „Oh, Deutschland! Ich liebe drei Dinge an Deutschland: Andreas Brehme, die Frankfurter Schule und Hugo Grotius.“ Andreas Brehme war zu dem Zeitpunkt zwar schon in Rente und Hugo Grotius war Niederländer, aber dennoch fand ich das eine beeindruckende Aufzählung. Sonst wird man ja meist nur auf Hitler und Mercedes-Benz angesprochen.
(Danke an Alaa Sattar für das Foto vom Houwaish-Markt in Nadschaf im Irak.)
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