In dem Artikel über Humberstone hatte ich schon zwei deutschsprachige Werbeträger abgebildet, die ich im dortigen Museum vorfand.
Sie waren nicht datiert, stammen aber wohl aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Dass Chile-Salpeter „im Austausch gegen deutsche Waren“ geliefert wurde, deutet auf Zahlungsschwierigkeiten Deutschlands hin. Die jugendlichen Leser werden sich nicht daran erinnern, aber lange bevor der Euro kam, war auch Deutschland mal so richtig abgebrannt – finanziell, moralisch und ganz wörtlich genommen.
Mir gefallen die grafische Gestaltung und Typographie solcher leicht aus der Zeit geratenen Reklame. Interessant ist auch die sprachliche Vielfalt, von Niederländisch bis Arabisch. Globalisierung ist also keineswegs neu.
Die indischen Kunden bekamen sogar ein bebildertes Gleichnis. Links ist die Familie, die ihr Feld mit Salpeter behandelt hat und dafür eine fette Tabakernte, eine fette Kuh und eine fette Geldschatulle bekommt. Rechts ist die Familie, die auf biologische Landwirtschaft setzt und dafür hungert. Ausserdem fällt ihr Haus fast um, und die Frau kann sich keinen Schmuck leisten.
Überhaupt war Werbung mit Tabak damals noch nicht verpönt.
Es überwiegen Informationen oder naturalistische Darstellungen von Saat, Ernte und landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Aber teilweise bediente man sich auch damals schon Zeichnungen attraktiver Damen, die mit dem Produkt überhaupt nichts zu tun hatten. Wenig kreative Werbegrafiker verwenden auch heute noch diese Methode, um Autos und Kettensägen zu verkaufen.
Das funktioniert allerdings nicht in allen Kulturkreisen. Insbesondere deutsche Kunden wollen Zahlen, Tabellen und Statistiken. Die Delegation der Vereinigten Salpeterproduzenten in Berlin-Charlottenburg gab dieses Plakat heraus, das die dank Chile-Salpeter erheblich gesteigerte Apfelausbeute darstellte.
Diese Infografik, wie man sie heute nennen würde, zeigt dass die Reklame bis mindestens an den Beginn des 20. Jahrhunderts zurückgeht.
Ganz modern hingegen war der folgenden Werbeträger für Landwirte in den Niederlanden: eine Schallplatte. Gespickt mit Informationen und Statistiken war dies der Vorläufer des heutigen Infomercials.