Jetzt, wo alle darüber klagen, dass sie an Weihnachten zu viel gegessen haben, ist das eigentlich das richtige Bild. Das abgehungerte Mädchen sowie das dahinter sichtbare Mahnmal erinnern an den Holodmor, eine dramatische, durch die Sowjetführung absichtlich verursachte Hungersnot in den Jahren 1932/33. Es starben fast vier Millionen Menschen.
Über das eigentliche Massenverbrechen hinaus ist der Holodomor interessant als Paradebeispiel für den Umgang mit Geschichte in Osteuropa: Leugnung/Verschweigen durch die Sowjetunion. Wichtiger Bestandteil des ukrainischen Geschichtsbewusstseins. Nach der Unabhängigkeit ein Fokus der ukrainischen Regierung auf Geschichtspolitik, sowohl intern (Gedenkstätten, Schulbildung) als auch international (Streben um Anerkennung als Völkermord). Klar erkennbare nationale Trennlinien zwischen ukrainischen und russischen Historikern bei der Einschätzung der Hungerkatastrophe. Ob man den Holodomor nun als Genozid, Soziozid, Politizid oder Ökonomizid einstuft, dass es ein Verbrechen war, bezweifelt ernsthaft niemand.
Viele ukrainische Frauen gedenken übrigens heute noch dem Holodomor, indem sie nicht mehr als die gerade erforderliche Nahrung zu sich nehmen und so weit wie möglich abmagern. Das sind wohl irgendwelche vererbten Traumata.
Links:
- Mehr über die Ukraine.
- Mehr über Geschichte und speziell über die Sowjetunion.
- Literatur zu dem Thema gibt es haufenweise. Claus Leggewie geht in „Der Kampf um die europäische Erinnerung“ auf die geschichtspolitischen Fragestellungen seit der Unabhängigkeit ein. Der aktuellste Gesamtüberblick ist „Roter Hunger“ von Anne Applebaum.
Pingback: Kiew – Tag 16/21 | Der reisende Reporter
Ach ja, in Kasachstan geschah ähnliches:
https://www.welt.de/geschichte/article126426954/Stalins-Hungermord-toetete-1-5-Millionen-Kasachen.html