Das sowjetische Ehrenmal in Berlin

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Viele Besucher sind erstaunt, wenn sie mitten im Zentrum der deutschen Hauptstadt nach nur wenigen Minuten Fußweg vom Hauptbahnhof, gleich neben dem Brandenburger Tor und dem Bundestag, zwei sowjetische Panzer und ein beeindruckendes sowjetisches Ehrenmal sehen. Der eine oder andere Tourist aus Übersee, der Europa im Schnelldurchlauf bereist, dürfte sich verwundert die übermüdeten Augen reiben und sich fragen, in welchem Land er gerade ist.

Jedes Jahr werden so viele Fotos des Ehrenmals im Tiergarten gemacht, wie einst Schüsse in der Schlacht um Berlin fielen, und zuhause beim Dia-Abend erzählen Menschen von Wyoming bis Kyoto stolz, dass sie das sowjetische Ehrenmal in Berlin gesehen hätten.

In Wirklichkeit haben sie das Beste verpasst.

Für das echte sowjetische Ehrenmal muss man nämlich in die S-Bahn Richtung Treptower Park steigen und dort zu besagtem Park laufen. Bald erspäht man durch die Baumwipfel die ersten Betonzipfel des massiven Bauwerks. Wenn man schließlich den Eingang gefunden hat, befindet man sich im größten sowjetischen Denkmal, das je außerhalb der Sowjetunion errichtet wurde.

Weil viele Berlin-Besucher das verpassen oder verpeilen, bin ich an Eurer Statt und Stelle hingefahren. Wie es sich für solche Denkmale gehört, habe ich mir dazu einen verschneiten, kalten und grauen Morgen im Februar ausgesucht.

An der Spitze des Denkmals thront ein Sowjetsoldat, der ein Kind beschützt und ein Hakenkreuz zertritt.

Auch die Inschriften an den großen Steinquadern, die auf beiden Seiten den riesigen Platz umrahmen, enthüllen ein interessantes Detail. Die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges, angeblich von Stalin selbst verfasst, erwähnt ausrücklich, dass „die hitlerschen Schurken … die Bevölkerung der Ukraine, Bjelorusslands, des Baltikums, der Moldau, der Krim und des Kaukasus zu versklaven oder auszurotten“ versucht hatten.

Dies betont die multi-ethnische Zusammensetzung der Sowjetunion – und der Roten Armee. Der Versuch des heutigen Russlands, sich exklusiv mit der Sowjetunion und ihrem Kampf gegen den Faschismus gleichzusetzen, ist ganz klar eine Anmaßung und eine Geschichtsverfälschung.

Eine weitere Inschrift huldigt den „heldenhaften Verteidigern von Odessa“, was von trauriger Aktualität ist.

Wenn man den Park mit dem Ehrenmal verlässt, sieht man, dass viele Anwohner auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf genau diesen Punkt hinweisen wollen, indem sie von ihren Balkonen und Fenstern die ukrainische Fahne flattern lassen.

Für eine kurze Zeit gab es es noch ein weiteres Mahnmal in Berlin, einen zerstörten Panzer aus dem gegenwärtigen Krieg Russlands gegen die Ukraine. Und wie die Architekturkenner unter Euch sofort gemerkt haben: Ja, das Gebäude im Hintergrund war einst die sowjetische Botschaft.

Links:

  • Falls Ihr Euch wundert, warum auf sowjetischen Denkmalen der Zweite Weltkrieg erst 1941 begann (und warum Russland nicht das einzige Land ist, dass daran nichts ändern will), das erkläre ich hier.
  • Mehr Geschichten und Fotos aus Berlin.
  • Und mehr über den Zweiten Weltkrieg sowie über die Sowjetunion.
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About Andreas Moser

I am a lawyer in Germany, with a focus on international family law, migration and citizenship law, as well as constitutional law. My other interests include long walks, train rides, hitchhiking, history, and writing stories.
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10 Responses to Das sowjetische Ehrenmal in Berlin

  1. Pingback: The real Soviet War Memorial in Berlin | The Happy Hermit

  2. Avatar von Kasia Kasia sagt:

    Das Ehrendenkmal war mir neu. Was für ein Bauwerk, und so typisch, was seine Architektur angeht. Danke für die Bilder.

    Der aktuelle, zerstörte Panzer: es hab ein Hin und Her, bevor sie den in Berlin platzieren durften, das hatte ich damals noch über Twitter mitbekommen. Wo hatte man ihn jetzt letztendlich abgestellt, weißt du das zufällig? Eigentlich sollte er vor die russische Botschaft…

    • Natürlich weiß ich das, ich war ja dort. 🙂
      (Der Typ, der sich vor dem Panzer frech und aufdringlich ins Bild stellt, bin ich.)

      Letztendlich durfte er direkt vor der russischen Botschaft (im Gebäude der ehemaligen sowjetischen Botschaft) abgestellt werden, allerdings nur für ein paar Tage.
      Der Rechtsstreit zwischen den Organisatoren der Ausstellung und dem Bezirk Berlin Mitte wird auch in diesem Bericht dargestellt: https://www.berlinstory.de/tank/

      Ich selbst hätte den rechtzeitigen Besuch verschlumst, wie so vieles vorher und seitdem, aber zum Glück war ein Bloggerkollege gerade in Berlin und informierte mich. Dafür und für das Foto auch an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank!

    • Ich glaube, viele Berlin-Besucher(innen) verpassen das, weil es ein bisschen abseits liegt.
      Aber es lohnt den Ausflug wirklich, am besten bei kaltem Nieselwetter, damit es so richtig wirkt. Ich war wirklich baff und beeindruckt, als ich das erste Mal dort war.

    • Hat mich sehr gefreut. War ein interessanter Abend.

  3. Danke für Bild und Information, Miss musste an die unendliche Geschichte denken, bei einem Teil der Bauten…

    Darf Miss den Link teilen?
    …mit blauen🐘Grüßen

    • Selbstverständlich!
      Dafür veröffentliche ich ja.
      Je mehr geteilt, gelesen und kommentiert wird, umso motivierter bin ich, weiter zu schreiben und zu publizieren.

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