Der deutsche Weltraumbahnhof im Kongo

Manchmal ist es schlau, in einem Entwicklungsprozess einzelne Schritte bewusst auszulassen, um auf der nächsten Stufe einzusteigen. So haben z.B. etliche Länder, die man früher Entwicklungsländer genannt hätte, gar nicht erst in den Ausbau eines Telefonfestnetzes investiert, sondern gleich den Mobilfunk flächendeckend ausgebaut. Ebenso haben die meisten Staaten Osteuropas besseres Internet als in Westeuropa, weil sie nach 1990 moderne Kabel verlegten, anstatt das Internet durch den Kupferdraht zu treiben.

Auch für Deutschland 2019 bietet sich dieser Gedanke an, denn offensichtlich wird es mit dem Flughafenbau in Berlin nichts mehr. Die deutsche Industrie will stattdessen einen Weltraumbahnhof.

Dabei ist das keine neue Idee. Es gab schon mal einen deutschen Weltraumbahnhof. Bereits vor 40 Jahren. Damals nutze man noch Globen anstatt Google Maps, so dass mehr Leute wussten, dass die Erde um die Taille heftiger schwingt und Raketen von dort weniger Energie brauchen, um die Erdumlaufbahn zu verlassen. Deshalb baute man den deutschen Weltraumbahnhof damals nicht in Peenemünde, sondern im Kongo.

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Wetten, das wusstet Ihr nicht?

Die Orbital Transport- und Raketen-Aktiengesellschaft (OTRAG) aus Stuttgart pachtete 1977 ein Gebiet von 100.000 km² im kongolesischen Urwald. Diktator Mobutu übertrug dem deutschen Unternehmen für 50 Millionen DM und das Versprechen, einen Überwachungssatelliten ins All zu schießen, die vollständige Verfügungsgewalt über fast 5% des kongolesischen Staatsgebiets.

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Heutige private Weltraumunternehmen können von den Kompetenzen ihres Vorläufers nur träumen: Die OTRAG konnte walten wie ein Kolonialherr, sie hatte Zoll- und Steuerfreiheit, juristische Immunität, und das Unternehmen durfte sogar Einheimische umsiedeln, wenn sie im Weg waren.

Vergangenes Jahr kam darüber der Film Fly Rocket Fly ins Kino:

Der dritte Teststart schlug jedoch fehl.

Und jetzt wissen wir, weshalb es sinnvoll ist, ein Gebiet etwa in der Größe der DDR für einen Raketenstart zu pachten. Am besten weitgehend unbewohnt. Wo in Deutschland Platz für einen Raketenbahnhof sein sollte, erschließt sich mir nicht. Und wie soll das funktionieren in einem Land, in dem Anwohner sogar gegen Windräder protestieren?

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Über Andreas Moser

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3 Antworten zu Der deutsche Weltraumbahnhof im Kongo

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