Read this story in English.
Letzte Woche, als das Coronavirus sich rasant verbreitete, war ich auf Pico, einer der Azoren-Inseln mitten im Atlantik. Dort gibt es zwei Busverbindungen, die jeweils zweimal am Tag fahren, was nicht genug war. Also musste ich per Anhalter fahren. Ich hatte mich schon darauf gefreut, denn auf kleinen Inseln ist Trampen normalerweise gang und gäbe und funktioniert ganz gut.
Und tatsächlich hielt der erste Wagen, nachdem ich weniger als eine Minute gewartet hatte. So ging es weiter. Gewöhnlich hielt schon das zweite oder dritte Auto, und die Fahrer fuhren mich oft genau dorthin, wo ich hin musste, auch wenn es einen Umweg für sie bedeutete. „Das ist im Service inbegriffen“, sagten einige von ihnen, wie wenn sie besonders stolz auf die Gastfreundschaft der Menschen auf den Azoren waren.
Aber dann erreichte die Vorsicht vor dem Virus auch das ferne Archipel. Von Tag zu Tag wurde es spürbar schwieriger. Ich musste länger warten, und die meisten Autos fuhren jetzt an mir vorbei. Oft schüttelten die Fahrer traurig den Kopf. Natürlich wurde es nicht einfacher dadurch, dass ich wie ein Ausländer aussehe, so dass Menschen mich mit dem bedrohlichen Virus assoziierten, weil beide vom Kontinent kommen. Wenn ich asiatisch aussähe, wäre es wahrscheinlich noch schwieriger gewesen.
Aber irgendwann hielt immer jemand, auch wenn ich 30 Minuten warten musste. Am letzten Tag war es wirklich schwer und fast schon deprimierend. Die erste Mitfahrgelegenheit bekam ich in einem LKW, wo die Fahrerkabine so breit war, dass ich dem Fahrer nicht nahe kam. Der zweite hilfsbereite Mensch war Nuno, Manager einer Reinigungsfirma. So kam es, dass meine letzte Fahrt per Anhalter in Zeiten des Coronavirus in einem Lieferwagen voller Desinfektionsmittel, Gesichtsmasken und Küchenrollen stattfand.
Ich bin gespannt, wie es anderen Anhaltern derzeit ergeht. Es würde mich nicht wundern, wenn es fast unmöglich geworden ist. Aber meine Erfahrung auf Pico zeigte auch eine Möglichkeit, die immer bleiben wird: Als ich die Insel vom Süden nach Norden, von Lajes nach São Roque, überqueren wollte, hielt ein altes Paar in einem Pick-up-Truck und bot mir eine aussichtsreiche Panoramafahrt an. Da sprang ich natürlich sofort auf!
Es war fantastisch! Und ja, der Typ fuhr wirklich ziemlich schnell.


Irgendwie passiert das immer auf Inseln. Die erste Fahrt in einem Pick-up genoß ich auf der Osterinsel:
Also, Leute, kauft Euch keine SUVs mehr, sondern Pick-up-Trucks!
Links:
- Mehr Geschichten vom Trampen.
- Und weil ich jetzt auf der Insel Faial feststecke, werdet Ihr in den kommenden Monaten wahrscheinlich noch mehr über die Azoren lesen.
Pingback: Hitchhiking in the Time of Corona | The Happy Hermit
Ich wollte schon immer mal einen Pick-up haben, macht aber leider keinen Sinn für mich..,
Für Großeinkäufe! Oder Umzüge. Oder den Weihnachtsbaum. Und eben für Anhalter. (Wobei in Deutschland wahrscheinlich gleich wieder jemand behauptet, dass es verboten sei.)
Ich mache keine Großeinkäufe, umziehen nervt, der Weihnachtsbaum kommt auf den Hänger und Anhalter gibt’s hier auch nicht 🤷♀️
An letzterem Punkt arbeite ich und versuche, das Trampen populärer zu machen. Aber das geht wohl erst wieder nachdem das Coronavirus besiegt sein wird.
Das vermute ich auch und zudem ist Ammerthal nicht so the place to be.
Wobei mich bei meiner letzten langen Anhalterreise (in der guten alten Zeit vor dem Virus) auf den letzten Kilometern tatsächlich jemand von Ritzenfeld nach Ammerthal mitgenommen hat: https://andreas-moser.blog/2020/02/18/888km/
Schade das Trampen so aus der Mode gekommen ist. Anfang der 1970er Jahre waren ich und meine Brüder quasi nur per Anhalter unterwegs, das war sehr interessant, lernte man doch tolle Menschen kennen. Einer davon war ein Viehhändler aus Ansbach, mit ihm fuhren ich, damals 14 Jahre alt und mein ein Jahr älterer Bruder, öfters nach München. Er zum Viehmarkt, wir an die Isar, denn da tummelten sich die Nackten, für uns Landeier ein echtes Erlebnis. Auf der Rückfahrt mussten wir unserem netten Viehhändler alle Details berichten😊. Unsere Mitschüler haben uns diese Geschichten nicht geglaubt, die Armen mussten sich mit BRAVO und Dr. Sommer aushelfen, wir waren live dabei
Ich finde das auch sehr schade. Und beim Trampen komme ich immer wieder an Fahrer, die mich mitnehmen, weil sie früher selbst viel getrampt sind, oft durch ganz Europa oder gar um die Welt.
Manche Fahrer sind regelrecht glücklich, mal wieder einen Anhalter zu sehen!
Und der Kontakt mit so vielen unterschiedlichen Menschen ist wirklich faszinierend. Die Leute erzählen auch ganz frei heraus über ihr Leben.
Vor kurzem war ich das erste Mal länger per Anhalter unterwegs, von Belgien zurück nach Ammerthal, und ich hatte alles als Fahrer, vom belgischen Bankier zum syrischen Flüchtling:
https://andreas-moser.blog/2020/02/18/888km/
Viel Glück beim Heimkommen. 2 Meter Abstand und am besten nichts berühren, erst nach Desinfektion oder langem Hände waschen und nicht ins Gesicht fassen.
Dankeschön!
Aber ich lasse mir Zeit mit dem Heimkommen. Auf den Azoren fühle ich mich isolierter und sicherer, da treibt es mich jetzt nicht dringend auf den Kontinent.
Gut. Dann viel Erfolg und Glück 🙂
Pingback: Vorschau auf Pico | Der reisende Reporter
Pingback: Nicht ganz 1000 km, aber ein guter Anfang | Der reisende Reporter