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Bei der UNO in Wien lernte ich während irgendeiner Sitzung irgendeines Ausschusses irgendeiner Unterorganisation eine junge Frau aus China kennen.
Qian machte ein Praktikum als Simultandolmetscherin für Mandarin und Englisch. Simultandolmetscher sind diese Supergehirne, die auf Englisch verschiedenen Teilnehmern an einer Diskussion über den Atomwaffensperrvertrag zuhören und alle Redebeiträge gleichzeitig (!) ins Chinesische dolmetschen. Am Nachmittag machen sie dann das Gleiche zur Fischereipolitik oder zu einem Zoll- und Handelsabkommen.
Sie schlug vor, dass wir uns mal zum Abendessen oder so treffen sollten.
Weil Qian erzählt hatte, dass sie erst seit wenigen Tagen in Wien sei, und weil mir auf Anhieb nichts Schlaueres einfiel, fragte ich zur Vorbereitung eines Treffpunktes, ob sie sich in der Stadt schon auskenne.
„Ja klar, es ist eh eine ziemlich kleine Stadt.“
Wien hat so um die 2 Millionen Einwohner.
„Ähm, es ist die größte Stadt im Land“, erwiderte ich, eher fragend und verwundert als korrigierend.
„Ach ja, du hast Recht“, sagte sie mit einem Lächeln, „es tut mir leid, ich muss mich noch daran gewöhnen.“ Sie blickte so wie eine Riesin, die in ein Minizwergenland kommt, aus Versehen Menschen tottrampelt und sicht selbst am meisten darüber grämt.
Sie war aus Qingdao, einer Stadt, die mir gar nichts sagte, bis Qian geduldig erklärte, dass es sich dabei um Tsingtau handelt, die Hauptstadt der ehemaligen deutsche Kolonie Kiautschou, und dass es dort noch immer das beste Bier in China gibt. Qingdao hat über 8 Millionen Einwohner.
Es gibt in China Hunderte von Städte, die größer als Wien sind. Dass ich davon nur zwei oder drei aufzählen kann, zeigt, dass trotz aller Weltreiserei noch viele weiße Flecken auf meiner Landkarte bestehen. Und alleine die Provinz Hainan, eine der kleinsten Provinzen Chinas, hat so viele Einwohner wie ganz Österreich.

Links:
- Wie ich überhaupt nach Wien kam, das erfahrt Ihr in diesem Artikel.
- Und wenn ich mal nach China fahre, dann auf jeden Fall mit dem Zug. Ich habe schon ein Sparschwein für das Zugticket, aber jede Unterstützung für diesen Blog würde helfen.
Meine Kollegin war mal mit ihrem Ingeniersmann irgendwo in Asien auf einer Tagung, dort kam man morgens beim Frühstück im Hotel mit anderen Tagungsteilnehmern ins Gespräch. Ein nettes Paar aus Singapur fragte freundlich, woher man käme. Sie seien aus Deutschland, sagte meine Kollegin, mit dem ganzen Gepäck des zweiten Weltkriegs im Hinterkopf. Das Paar sah sich hilflos lächelnd an. Sie sagte dann, man müsse entschuldigen, Deutschland sei nahezu unbekannt, sei das nicht möglicherweise da irgendwo in Nordeuropa….
Tja, wir sollten uns nicht immer so wichtig nehmen.
Vor wenigen Jahren hat mich in Nordamerika jemand gefragt, ob es noch immer zwei Deutschlands gäbe.
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