Pizzaberatung

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Ich rief bei der Pizzeria an, um eine Big-American-Pizza zu bestellen.

Die Frau von der Pizzeria nahm die Bestellung nicht, wie sonst üblich, mit Freude entgegen, sondern wurde sehr ernst:

„Also, zu der Big American, da muss ich Ihnen etwas sagen.“

„Ja?“

„Das ist eigentlich keine Kreation von uns. Wir haben die von den vorherigen Eigentümern übernommen. Wir führen sie nur noch auf der Speisekarte, weil wir Kunden haben, die sie noch immer bestellen.“

Ja, das würde ich auch gerne machen, dachte ich.

Aber die Frau warnte mich: „Auf dieser Pizza ist alles drauf, wild durcheinander, vollkommen überfrachtet.“

Ich wusste das, hatte mich anhand der Speisekarte dementsprechend informiert und die Entscheidung aufgrund großen Hungers getroffen.

Noch während ich überlegte, worauf sie hinauswollen könnte, wurde sie deutlich: „Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen gerne eine Big-American-Pizza zubereiten. Es ist Ihre Entscheidung. Aber ich glaube einfach nicht, dass diese Pizza zu Ihnen passt.“

Ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, dass sie mich gut kannte, denn wir hatten uns nur kurz ein paar Mal gesehen, als ich vorherige, übrigens unproblematisch bestellte, Pizzas abgeholt hatte. Ich mache das immer selbst, weil ich diese ganze Lieferei als überheblich-großbürgerlich empfinde. Es gibt kaum eine sichtbarere Herabwürdigung eines Menschen zum reinen Arbeitstier, als jemanden Essen durch Sturm und Wind herumfahren zu lassen, ungeduldig die Tür zu öffnen, einen kurzen Einblick in die warme Stube zu gewähren, und ihn nach Entwendung des warmen Kartons unverzüglich in die menschliche und meteorologische Kälte hinauszuschicken. Zudem wohne ich hier auf Faial an einem sehr steilen Weg, den ich keinem Fahrradboten zumuten will, zumal der Pizzalieferant, sollte er das derzeit von mir okkupierte kleine Häuschen verpassen, geradewegs auf einen gefährlichen Vulkan zusteuern würde. Ich bin nicht der Meinung, dass meine Zeit wertvoller ist als die eines anderen Menschen, und deshalb soll sich niemand anders abstrampeln, nur damit ich mir eine halbe Stunde Fußweg spare. Außerdem mag ich es nicht, zuhause zu warten und in der Zeit nicht entspannt auf die Toilette gehen zu können.

„Wie gesagt, es ist Ihre Entscheidung“, unterbrach die Pizzabäckerin meinen sozialkritischen Gedankengang.

Ich orderte dann eine Bacon-Pizza, holte sie ab, ging damit auf ein Feld, lehnte mich an einen Heuballen und aß sie genüsslich beim Blick aufs Meer und auf die den Bacon geliefert habenden Kühe.

happy cows on Faial

Wahrscheinlich war in der Pizzeria nur der Mais ausgegangen.

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Über Andreas Moser

Travelling the world and writing about it. I have degrees in law and philosophy, but I'd much rather be a writer, a spy or a hobo.
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10 Antworten zu Pizzaberatung

  1. Also wenn ich Bacon bestellte, käme der immer vom Schwein 😂 Aber schöne Geschichte!

    • Andreas Moser schreibt:

      Apropos Tiere: Vor kurzem sah ich beim Wandern ein süßes kleines Tier und dachte mir „ach, ist das ein putziges kleines Schaf“, und natürlich wieder schön vor Meereshintergrund.
      Erst später fiel mir ein, dass es vielleicht eine Ziege war.
      Ich muss da wohl nochmal hin, um es zu fotografieren und die zoologisch versierte Leserschaft zu befragen.

      Aber ich sehe hier auf Faial nur Kühe und Pferde, keine Schweine. Deshalb dachte ich, dass der Speck auch vom Rind kommen muss.
      Das wäre dann auch halal und koscher!

    • Meinst du, die Menschen ernähren sich nur regional von Inselprodukten? Das wäre löblich. Aber ob es genug Felder für das ganze Weizenmehl gibt? fragt sich frauheming, die ja dort noch nicht war.

    • Andreas Moser schreibt:

      Auf jeden Fall wird Tabak für azorische Zigaretten angebaut.
      Aber nachdem der Laden regelmäßig Coca Cola und Milka hat, kommt anscheinend doch einmal in der Woche ein Schiff mit Versorgung vom Kontinent. Und da sind dann vielleicht auch die Speck-Schweine dabei.

  2. Linsenfutter schreibt:

    Das kann nicht wahr sein. Da wackelt wohl ein Job ….

    • Andreas Moser schreibt:

      Ich hoffe nicht, dass jemandes Job in Gefahr ist.
      Und ganz ehrlich, die Bacon-Pizza war wirklich gut und absolut ausreichend. Alles andere wäre zu viel gewesen.
      (Vielleicht sah ich einfach schon zu füllig für eine reichlich belegte Pizza aus.)

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