Wenn ich von meinen Eisenbahnreisen um die Welt erzähle, von der Kanada-Durchquerung, der Fahrt im Orient-Express oder von der Fahrt fast bis zum Nordkap, dann glänzen die Leseraugen sehnsuchtsvoll. Manche tippen sogleich die Kündigung, um am nächsten Montag mit dem Vorortzug nicht in die Fabrik, sondern zu einer Zugreise um die Welt aufzubrechen. Andere hauen ihre ganzen Ersparnisse für das 49-Euro-Ticket auf den Kopf, um wenigstens einmal die Nord- oder den Bodensee zu erleben.
Aber dies ist ein realistischer Reiseblog. Deshalb möchte ich Euch nicht vorenthalten, dass eine Zugreise auch Momente umfasst, an denen Ihr an einem Oktobermorgen noch vor 6 Uhr am Bahnhof von Žiar nad Hronom in der Slowakei (deutscher Name des Ortes: Heiligenkreuz an der Gran) steht und auf den Zug nach Šurany (deutscher Name des Ortes: Schuran) sowie die aufgehende Sonne wartet.
Hier habe ich mal wieder gemerkt: Die Menschen, die am frühesten aufstehen, sind Eisenbahnbedienstete und Schüler. Und natürlich Reisende wie ich, die lieber früh aufbrechen, wenn sie dafür tagsüber bummeln und Pausen einlegen können.
Die Kombination aus Frühaufstehen, frischer Luft und niedrigen Temperaturen macht übrigens so richtig wach und frohgelaunt. Kann ich sehr empfehlen!
Und falls jemand zum Aufwachen unbedingt einen Kaffee braucht: Das Restaurant auf dem Bahnhofsvorplatz in Žiar nad Hronom hat natürlich auch schon um 6 Uhr geöffnet.

Die Eisenbahninfrastruktur ist in vielen Ländern Osteuropas nämlich um Längen besser als die in Deutschland. So lauten Öffnungszeiten der Fahrkartenschalter selbst an kleineren Stationen entweder „von 4 Uhr bis 23 Uhr“ oder zumindest „immer 30 Minuten vor Abfahrt eines Zuges“.
Und bei jeder Station, an der man vorbeifährt, tritt der Stationsvorsteher aus seinem schnuckeligen Heim, um den Zug, die Kollegen und die Passagiere zu begrüßen.

Ach, wie schön könnten wir es auch in Deutschland haben, wenn wir die volkseigene Bahn nicht jahrelang kaputtgespart hätten. Wenn wir dieses großartige Transportmittel, dessen Schienenstränge mehr zur Vereinigung unseres Vaterlandes beigetragen haben als Bismarck oder Helmut Kohl, nicht als Aktiengesellschaft, sondern als Einrichtung für alle Bürgerinnen und Bürger betrachten würden. In der Slowakei äußert sich diese menschenfreundliche Einstellung auch in der erschwinglichen Preisgestaltung (5 Euro für 100 km) mit kostenlosen Fahrten für Schüler, Studenten und Senioren (letzteres auch für EU-Bürger).
Links:
- Zu allen Eisenbahn-Geschichten.
- Weitere Berichte aus der Slowakei.
Ja, die osteuropäische Bahn bietet wilde Erlebnisse. Viele Jahr bin ich mit Nachtzügen in die Slowakei gereist. Aber die mit Abstand wildesten Züge habe ich in Rumänien erlebt. Ich gestehe allerdings, dass das alles schon sehr sehr lange her ist. Aber die Lust ist groß, wieder in die alten Stapfen zu treten. Lass es Dir gut gehen!
Ohh, ich liebe CFR!
Wobei ich mit dieser Aussage bei meinen rumänischen Freunden immer auf Unverständnis gestoßen bin.
Aber die Strecken durch Harghita, wo nebenher die Pferde durch den Fluss rennen, das ist wie im Wilden Westen! Ja, es ist ein bisschen langsamer, aber dafür auch alles lockerer, zB mit während der Fahrt geöffneten Türen, damit man rauchen kann.
Bei CFR gibt es eine 6-Monats-Netzkarte für 980 EUR. Irgendwann werde ich mir das mal gönnen und kreuz und quer durch das wunderbare Rumänien fahren.
Deswegen schaue ich meine polnischen Cousins in Polen immer verständnislos an, wenn die mir erzählen, wie gern sie doch die Bahn nutzen… die polnische Bahn, versteht sich. Mit (funktionierendem) Wlan in jedem kleinen Regionalzug, kundenfreundlich und (ziemlich) pünktlich. Sowas hier bei uns, stell dir das mal vor… *träum*
Und sehr sympathische Bahnhöfe!
Ich habe mal eine Nacht in Wroclaw Glowny verbracht, was nicht nur ein wunderbares Gebäude ist, sondern auch eine Bibliothek und eine durchgehend geöffnete warme Wartestube hat, sogar mit Spielsachen für Kinder.
In Deutschland hingegen bin ich schon manchmal fast erfroren am Bahnhof: https://andreas-moser.blog/2021/04/13/unterkuehlung/
Pingback: The Romance of Railroad Travel | The Happy Hermit
Obwohl nicht Ost-Europa aber die eine Zugreise die ich in die damalige DDR gemacht habe bleibt mir noch in guter Erinnerung: Zug ueber Friedland nach Aue/Erzgebirge ueber Leipzig, im tiefsten Winter. Allerdings erinnere ich mich eigentlich nur an das rabiate Auftreten der Uniformierten: Grenzpolizei (Stasi), DR Bahnbedienstete, viele NVA Soldaten im Zug, Volkspolizei usw. Trostlose MITROPA Kioske und „Cafes“. Und dann war da viel viel Schnee natuerlich. Aber die Leute die ich besuchte / traf waren ganz fabelhaft.
Ich würde die DDR durchaus zu Osteuropa zählen, zumindest politisch. Und vielleicht sogar Ostdeutschland heute, schließlich merkt man anhand von Architektur, Städtebau u.s.w. ja doch noch viel vom Sozialismus, so wie in Tschechien oder Ungarn. Selbst die Entvölkerung einiger Landstriche nach 1990 ist genauso schlimm wie in Osteuropa.
Und Leipzig hat ja wirklich einen der fantastischsten Bahnhöfe der Welt!
Was ich allerdings nie kapiert habe: Wieso die Bahn in der DDR weiterhin „Reichsbahn“ hieß.