Die Mandantin möchte eine Scheidung.
Sie lebt seit mehr als 15 Jahren getrennt. Der Mann ist damals verschwunden, sie hat keinen Kontakt mehr. „Irgendwo in den Bergen des Balkans, Kosovo, Montenegro oder so. Den findet keiner“, sagt sie.
Außerdem sei er höchst gefährlich, irgendwas mit Bandenkrieg und Schusswaffen. Leichen pflastern den Lebensweg.
Ist klar, dass mich so etwas reizt.
Schon sehe ich mich die Gipfel des Durmitor erklimmen und die Tara-Schlucht durchschwimmen. Ich packe den Rucksack, freue mich auf Wochen des Durchfragens von Dorf zu Dorf, immer auf der Suche nach Herrn ….. und auf der Hut vor den Häschern der Heiducken.
Aber, Due Diligence muss sein, vorher suche ich den Verschollenen im Internet.
Nach wenigen Minuten habe ich ihn gefunden. Ich schreibe ihm. Er ruft sofort zurück, wir unterhalten uns angenehm. Er stimmt der Scheidung natürlich zu, alles überhaupt kein Problem.
Eigentlich schade, dass es so einfach ging.
Außerdem hätte ich gerne das Gesicht des Kostenbeamten beim Amtsgericht Hoyerswerda gesehen, wenn ich bei der Abrechnung der Gebühren drei Wochen Balkan-Reise angeführt hätte.
Links:
- Mehr von diesem trockenen Jura-Zeugs, insbesondere vom Familienrecht.
- Noch mehr Geschichten aus Jugoslawien.
- Und, wenn Ihr selbst einen spannenden Fall habt, der umfangreiche Fernreisen notwendig macht, das ist meine kleine Anwaltskanzlei.
Na sehr schade. Ich denke doch, dass du mich als journalistisches und lokalkundiges Backup mitgenommen hättest. Wäre eine abenteuerliche Reise ganz nach meinem Geschmack geworden.
Absolut!
Ich brauche ja auch jemanden, der den ganzen Rakija trinken kann, der mir in jedem Dorf angeboten werden wird. 😉
Ich hoffe, es gibt sich mal wieder so eine Gelegenheit.
Ich hoffe es auch.
Das hat mir gerade den Regennassen Freitag erhellt! Übrigens… von wegen Hoyerswerda. Kennst Du die Geschichte der Mühle im Koselbruch bei Schwarzkopf. Das ist doch dort in der Nähe? Ottfried Preussler hat sie in einen Roman verwandelt.
LG
Irene
>
Vielen Dank für den Hinweis!
Jetzt weiß ich, wo nach dem Gerichtstermin noch ein bisschen Wandern gehe.
Wenn schon das Balkan-Abenteuer ins Wasser fällt, dann wenigstens eine dubiose Mühle tief im Wald.
Im Wissen um Andreas postnapoleonische Erzählungen war im Koselbruch vielleicht nur eine frühe Zuckerproduktion. Oder eine ihrer Zeit noch weiter vorauseilende Flugtaximanufaktur.
https://www.krabat-muehle.de/ Schwarzkollm, da hat sich bestimmt ein Fehler eingeschlichen.
Köstlich !
hehe aber so 3000 Euro kost ne Scheidung schon oder
Nicht unbedingt.
Es kommt darauf an, wieviel beide verdienen und worum sie streiten.
Wenn man sich über alles einig ist, geht es ab 1.000 Euro. Wenn sich die beiden um das Haus, um die Kinder, um Unterhalt, um die Autos, um Investmentfonds, um eine gemeinsame Firma und vor allem um die Katze streiten, dann kostet es natürlich. Und dauert ein paar Jahre.
Aber wenn man wenig verdient (oder mittelmäßig verdient, aber Schulden abbezahlt), dann zahlt der Staat den Rechtsanwalt und die Gerichtskosten (Verfahrenskostenhilfe). Viele meiner Mandanten bekommen also phantastischen Service zum Nulltarif.
Hat was, die Geschichte.
Pingback: A Divorce between the Peaks of the Balkans | The Happy Hermit
Lieber Andreas, manchmal gibt es auch die Geschichten, die das Leben eben nicht schreibt. Aber im Kopf war ich mit dir schon in den Schluchten des Balkans unterwegs… Und bei deinen Recherchefähigkeiten würde es michnicht wundern, wenn bald das BKA dich um Mithilfe bei der Suche nach ein paar lange verschollenen RAF-Mitgiedern bittet.
Grüße von Rolf
Hallo Rolf,
ich hatte mir die Geschichte auch schon ausgemalt.
Der Geburtsort des Mannes war ein ganz kleines Dorf im Kosovo. Das wäre schon einmal gut gewesen, denn in einem kleinen Dorf kennt man sich ja.
Aber natürlich hätte ich erst das Vertrauen der Menschen gewinnen, also bei einer Wanderung wie zufällig vorbeikommen und dann eine Lungenentzündung vortäuschen müssen. So hätten sie mich wahrscheinlich, weil die Menschen da voll nett sind, irgendwo zum Auskurieren eingeladen, und ich hätte genug Zeit gehabt, um Albanisch zu lernen und Informationen zu sammeln.
Bei den unter- und jetzt teilweise wieder aufgetauchten RAFlern bin ich zwiegespalten (nicht juristisch-moralisch, sondern nur, was das Untertauchen anbelangt):
Einerseits Hut ab, dass sich jemand 30 Jahre in der Hauptstadt des Staates verstecken kann, der ihn sucht.
Andererseits frage ich mich: Hat da wirklich noch jemand aktiv gesucht?
Und schließlich interessieren mich die praktischen Fragen: Wenn man sich versteckt, wieso bleibt man in Kontakt mit anderen Mitgliedern der Bande? Warum geht man in eine Stadt, wo einem Bekannte, alte Freunde, Klassenkameradinnen über den Weg laufen können? Warum bleibt man in dem Land, in dem die Polizei die Telefone, die Wohnung und den Computer verwanzen dürfen? Warum nicht irgendwo anders hin, wo es schön und warm und ruhiger ist?