Immer wieder vernehme ich überraschte Reaktionen, wenn ich auf Anfragen nach Treffen, Bitten um Erledigungen von irgendwas oder Beschwerden über unbeantwortete E-Mails erkläre, dass ich keine Zeit habe. Aber ich bin wirklich extrem beschäftigt. Um dem ungläubigen Staunen über diese Erklärung entgegenzuwirken, habe ich mal einen typischen Ausschnitt aus einem typischen Arbeitstag gefilmt:
„Aber das ist doch keine Arbeit!“ höre ich die in traditionellen Denkmustern des Manchester-Kapitalismus oder der Wirtschaftswunderzeit Verhafteten rufen. Darüber könnte man streiten, denn wieso soll Lesen und Denken keine Arbeit sein (ganz abgesehen von der durchaus anstrengenden Tätigkeit ab 3:20 im Video)? Heute bin ich aber nicht zum Streiten aufgelegt, so dass ich entgegne: „Na und? Dann bin ich halt mit etwas anderem als Arbeit beschäftigt. Ist das deshalb weniger wichtig? Wohl kaum!“ Ganz im Gegenteil; mir scheint dass sich ein Leben, in dem nicht jeden Tag ein paar Stunden für Situationen und Beschäftigungen, wie ich sie hier vorführe, verbleiben, kaum von dem eines Roboters oder eines Leibeigenen unterscheidet.
Denkt mal darüber nach! Oder genießt auch weiterhin die nächsten 30 Jahre in Eurem Büro oder vor dem Computer.
Nachdem die Kamera aus war, kam ein Rehbock vorbei. Er blieb stehen und blickte mich aus etwa 10 Metern Entfernung verwundert an. Ich lächelte zurück, die Zigarre noch immer im Mund. Das Tier kam etwas näher heran und beobachtete mich weiter ohne Scheu oder Furcht, während es in einem Halbkreis um mich herumspazierte. Das Reh schien verwundert, mal einen Menschen zu sehen, der nicht läuft, geht, spricht, schreit oder schießt, sondern einfach ruhig da sitzt und das Leben genießt.
(Gefilmt in einem Wald unweit meiner Wohnung in Targu Mures in Rumänien. – To the English version.)
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Dein 23 Minuten langes Video ist schon ein bisschen provokant. Aber es zeigt, wie zufrieden du mit deiner Leben bist und dass dir Meinungen, die ggf. diese Art von Arbeit verurteilen, nichts anhaben können. Tief ins uns träumen viele von der Möglichkeit, vom Bürojob wegzukommen und ein Leben zu genießen, so wie du es zelebrierst.
Ich hätte am liebsten noch länger gefilmt, aber ich kann hier keine Filme mit mehr als 1.5GB hochladen.
Ich bin auch froh, dass mich so relativ einfache Dinge wie Natur und Literatur so zufrieden und glücklich machen.
Mich machen so relativ einfache Dinge wie Natur und Literatur auch zufrieden und glücklich. Wahrscheinlich geht es so vielen Menschen. Bei mir stellt sich „nur“ die Frage der Finanzierung.
Meine Ansprüche sind wirklich nicht hoch, ich habe weder Auto, noch Handy, noch Markenkleidung oder Ähnliches. Miete und Essen kosten trotzdem Geld, so dass ich letztendlich Arbeiten oder aber der Allgemeinheit auf der Tasche liegen muss. Letzteres kommt für mich nicht in Frage, also muss ich wohl oder übel einer Arbeit nachgehen.
Ich arbeite ja auch. Ich versuche nur, die Arbeit auf das Minimum zu reduzieren. Wenn man sich an relativ günstigen oder gar kostenlosen Dingen erfreuen kann und – wie Du und ich – vielerlei Schnickschnack nicht benötigt, dann genügt oft auch eine Teilzeitarbeit. Die gewonnene Zeit wiegt die finanziellen Einbußen auf.
Ja das stimmt. Wenn ich mutiger wäre, würde ich das auch so machen. Letztendlich bin ich einfach nur zu feige. Ich habe mir jetzt aber immerhin 3 Sabbat-Monate organisiert, die bald losgehen.
Mal gucken wie diese 3 Monate werden. Mit großer Wahrscheinlichkeit werde ich danach jedenfalls nicht mehr in meine bisherige 80-Stunden-Woche zurückkehren. Das ist es nicht wert.
Wow, Glückwunsch!
Ich glaube, dass das enorm helfen wird, wenn Du mal 3 Monate mehr Freiheit und Zeit haben wirst. Dann merkt man erst, was man sonst so alles mit seinem Leben anfangen kann.
Danke!
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