Nazis in New York

Wenn man die Großeltern auf ihre Mitläufer-, Mitwisser- und Mittäterschaft während der Zeit des Nationalsozialismus anspricht (etwas, das mir meine Eltern zur Wahrung des Familienfriedens untersagten), dann lautet eine der Ausreden gerne:

„Ja, was hätten wir denn tun sollen? Damals musste man Nazi sein!“

Das ist schon faktisch falsch, denn es bestand die Möglichkeit zumindest der inneren Emigration sowie des Widerstands im Kleinen wie im Großen. Selbst der als Entschuldigung für Mordtaten herangezogene Befehlsnotstand wurde schon lange als einer der vielen bequemen Nachkriegsmythen entlarvt.

Die angebliche Drucksituation ist aber auch untauglich und unlogisch als Erklärung.

Denn wie könnte das die Wahlergebnisse der NSDAP vor der Diktatur erklären? Woher kamen die 18%, 37% und 33% Prozent Wählerstimmen bei den Reichstagswahlen 1930 und im Sommer und Herbst 1932? Damals „musste“ man doch auch nach der Theorie der geschichtsverfälschenden Großeltern noch kein Nazi sein.

Zum Zweiten würde das nicht die nationalsozialistische Begeisterung der sicher im Ausland lebenden Deutschen oder Deutschstämmigen erklären. Selbst deutsche Auswanderer in den USA konnten 1939 in New York immerhin 22.000 Menschen zu einer doch sehr eindeutigen Versammlung zusammentrommeln.

Auch hier kein Zwang, kein Druck, keine Notlage. Stattdessen Begeisterung für Rassismus, Antisemitismus und Militarismus. Der „Führer“ des Amerikadeutschen Bundes, Fritz Julius Kuhn, wurde später übrigens wegen Veruntreuung eines Teils der Eintrittsgelder für die im Video gezeigte Veranstaltung verurteilt.


Das fiel mir jetzt wieder ein, wo die Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken für das Präsidialsystem von Recep Tayyip Erdogan stimmte.

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About Andreas Moser

I am a lawyer in Germany, with a focus on international family law, migration and citizenship law, as well as constitutional law. My other interests include long walks, train rides, hitchhiking, history, and writing stories.
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