Ein kleiner Spaziergang durch Nepal

Jeder schwärmt von Nepal. Aber aus Umweltschutzgründen will ich so wenig wie möglich fliegen, und mit dem Zug kommt man bisher nur nach Tibet.

Was also tun gegen die Nepal-Sehnsucht?

Man könnte in ein nepalesisches Restaurant gehen, aber das macht fett wie Buddha. Man könnte in guter nepalesischer Tradition ein Massaker an der Königsfamilie anrichten, aber unsere Könige haben sich schon vor 100 Jahren feige zurückgezogen. Die dritte, friedliche und cholesterinfreie Option findet sich zur Überraschung der Nepalogen in Bayern: der Nepal-Himalaya-Park in Wiesent bei Regensburg.

Schon auf dem Parkplatz prallen die Kulturen aufeinander. Die asiatischen Angestellten lieben Organisation und Regeln. Das Funktionieren der Gemeinschaft geht den Wünschen des Einzelnen vor. Mit Warnwesten und -lampen dirigieren sie die deutschen Besucherautos zentimetergenau in die zugewiesenen Parkbuchten. Den eher aufs Eigenwohl bedachten Deutschen behagt das gar nicht: „Ich will aber im Schatten parken!“ Dabei wiegt der Schatten auf der Seele doch viel schwerer, wie jeder Yogi weiß.

Sobald man durch das Tor in den Garten tritt, überkommt dann doch alle die himmlische Friedfertigkeit.

Überblick
Statue1

So stelle ich mir Parks in Japan oder China vor. Und genauso wie es dort vor Tai-Chi-Rentnern wimmelt, ist im Nepal-Garten der Altersschnitt ziemlich hoch. Rentnerrabatt auf die 10 € Eintrittspreis gibt es dennoch nicht. Ich empfehle übrigens, den zusätzlichen Euro für den Lageplan auszugeben, weil man sonst einige Teile des neun Hektar großen Geländes leicht übersehen kann.

An den Wegrändern stehen Buddhas, Schiwas, Kanakamunis und Adibuddhas. Befürworter der Restitution von Beutekunst haben hier einen schweren Gang vor sich.

Statue2
Statue3

Sogar die Kiefern haben sich angepasst und treten im Bonsai-Look auf.

Bonsai

An den Gebetsrollen gehen die nepalerfahrenen Besucher mit dem Spruch „om mani padme hum“ vorbei.

Nur Tiere aus Nepal fehlen. Ein Yak und ein Yeti, das wäre die Sensation. Aber gerade als ich das denke, hüpfe ich von Stein zu Stein über einen Teich und erblicke Koi, die so fett sind wie Isonade.

Viel gefährlicher als das japanische Meeresungeheuer ist der japanische Garten mit Kies. Denn mittlerweile hat sich diese Kies- und Schotterunsitte weit in die grauen und grauenhaften deutschen Spießergärten vorgefressen, nur dass das Grün hierzulande oft ganz weggelassen wird.

japanischer Garten.JPG

Das Herzstück des Parks ist der Pavillon.

Tempel hoch

Wie zum Asura kommt so etwas nach Bayern?

Ihr erinnert Euch an die Expo, die 2000 in Hannover stattfand? Sie sollte an das gute alte Konzept der Weltausstellungen anknüpfen und stand nur deshalb nicht in einer Reihe mit Paris 1889 oder Brüssel 1958, weil im Zeitraum zwischen Planung und Eröffnung das Internet erfunden worden war und die Menschen plötzlich nicht mehr aus dem Haus gehen mussten, um sich Neuheiten aus aller Welt anzusehen.

Zu dieser Weltausstellung hatte Nepal den famosen Pavillon aufgebaut. Nach Expoende fragte man sich, was man sich eigentlich auch vorher hätte fragen können: „Was nun mit der Bude?“ Aus Fairness gegenüber Nepal muss man sagen, dass auch die anderen 154 vertretenen Länder keine Pläne dafür hatten. Der britische Pavillon steht noch immer leer, weil keine Einigkeit über die weitere Nutzung besteht. Der chinesische Pavillon beherbergt mittlerweile eine Autolackiererei Der spanische Pavillon brannte aus Frust vollkommen ab. Der litauische Pavillon hat auch schon zwei Brandversuche hinter sich.

Etwas besser traf es die Pavillons aus Kolumbien (jetzt ein Restaurant im Allerpark) und aus Mexiko (jetzt eine Hochschulbibliothek in Braunschweig). Aber das große Glückslos der Nachnutzungslotterie zog der Nepal-Pavillon. Dem Ehepaar Margit und Heriberth Wirth hatte die Hütte aus Nepal beim Besuch der Expo so gut gefallen, dass sie sogleich fragten: „Gibt’s den auch zum Mitnehmen?“

Der Tempel selbst war begeistert, denn er wollte keinesfalls nach Nepal zurück, wo die Wettervorhersage starke Erdbeben ankündigt hatte. Ebenfalls froh über den Umzug nach Bayern waren 28 nepalesische Handwerker, die den Pavillon zerlegen, sherpamäßig transportieren und wieder aufbauen mussten. Denn ihre Alternative wäre noch schlimmer als ein Erdbeben gewesen, sie wären nach Katar zur Sklavenarbeit für den Fußball gegangen.

Nepalese

Kenner werden es erblickt haben: Der Pavillon vereint buddhistische und hinduistische Elemente. Die runde Form des Stupa ist buddhistisch, der quadratische Teil ist hinduistisch. Nepals dritte Religionsgruppe, die Kommunisten, sind durch Hämmer und Sicheln in den Händen der filigran aus Salholz geschnitzten Figuren repräsentiert.

Pavillon

Aus den Lautsprechern kommt ein Summen, das meditativ machen soll. Liegestühle zum Einschlafen stehen bereit wie auf einem Kreuzfahrtschiff (ob das original nepalesisch-tempelisch ist?). Von den Liegen blickt man auf Holzschnitzereien von Totenköpfen und Schlangen und sechsarmigen Monstern, was im Falle des Einnickens abstruse Alpträume verspricht.

Wasser

Die Schnitzarbeiten sind aber sowas vom Feinsten, dass ich mich allein in deren Details eine Stunde verlieren könnte.

Schnitzereien mit Totenkopf
Schnitzereien Schlangen

In der Schatzkammer des Pavillons liegt so viel Gold wie in Fort Knox. Von wegen buddhistisch-hinduistische Bescheidenheit! Das geht hier nicht weniger prunkvoll zu als in barocken Kirchen.

Gold1
Gold2

Der große Garten mit den Brücken, von denen jede anders gestaltet ist, wäre wirklich paradiesisch, wenn man denn Zigarren rauchen dürfte. Aber hier sind nur Räucherstäbchen gestattet.

Garten2
Garten3
Bogenbrücke
Garten1

Die Gespräche vieler Besucher entlarven sie als fanatische Rhododendron-Liebhaber. Anscheinend haben sie dessen Blüte knapp verpasst und tauschen frenetisch Tipps aus, wo in Europa man die Pflanze vielleicht noch erspähen könnte. Ich verstehe nicht, was so besonders sein soll an diesem Rhododendron. Dafür blüht doch ansonsten allerlei.

Blumen1
Blumen2

Was der Typ von der Osterinsel hier macht, wird mir allerdings nicht klar. Eine Verbindung zwischen Asien und der Insel im Südpazifik herstellen zu wollen, ist ein klares Sakrileg gegen die Heyerdahl-These. Und außerdem sieht es nach einem Sammelsurium von Restposten aus dem Baumarkt aus.

Osterinsel

Je weiter der Nachmittag vorrückt (der Park ist nur von 13 bis 17 Uhr geöffnet, und das nur sams-, sonn- und montags), umso mehr muss ich mein Urteil über das Alter des Publikums revidieren. Mittlerweile sind auch die mittelalten Menschen aufgewacht. Vielen Besuchern ist die Affinität zu Asien schon an den Tätowierungen anzusehen. Chinesische Schriftzeichen, Yin & Yang, Yakuza, alles ist dabei, die Tradition der europäischen Asien-Begeisterung seit dem 17./18. Jahrhundert fortführend. Dabei wird natürlich vieles vereinfacht, verfälscht und glorifiziert, aber das ist in Asien bei der Begeisterung für Mitteleuropa nicht anders. Dort werden ganze österreichische Dörfer nachgebaut, das ist noch krasser.

Und für noch jemanden ist dieser Kulturtransfer wertvoll. Das bayerische Regionalfernsehen kann hier seine Samurai-Filme drehen.

Fernsehen

Ich schreibe schon am Drehbuch für „Kill Bier 3“ und „Die sieben Schnitzel“. Der leere Magen hat anscheinend die Kontrolle über die Kreativität übernommen.

Schreiben

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Über Andreas Moser

Travelling the world and writing about it. I have degrees in law and philosophy, but I'd much rather be a writer, a spy or a hobo.
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10 Antworten zu Ein kleiner Spaziergang durch Nepal

  1. J. D. Bennick schreibt:

    Vielen lieben Dank für die immerwährende Inspiration. Übrigens entdecke ich wegen Ihnen gerade Osteuropa für mich und meine Familie. Wunderschön. 😉 Diesen Park werden wir natürlich auch besuchen. Danke.

    • Andreas Moser schreibt:

      Das freut mich sehr!
      Wo sind Sie denn unterwegs?

      Ich war vor kurzem in Marienbad in Tschechien und war absolut begeistert. (Ich arbeite schon an dem Artikel, aber das wird wieder etwas Längeres.)

    • J. D. Bennick schreibt:

      Hallo,
      zunächst führte uns unsere Reise nach Tschechien, wo wir in Pilsen einen Tag und eine Nacht verbrachten. Mit den Kindern waren wir im Dino-Park und den gekoppelten Zoo. Wir haben auch das technische Museum und das 3D Planetarium besucht, wirklich sein Geld wert. Wir haben dort völlig die Zeit vergessen. Am Abend haben ich original tschechisches Pils getrunken (obwohl ich Wein definitiv bevorzuge) und wirklich exzellentes Essen am Abend in der Innenstadt, nahe des bekannten Marktplatzes, genossen. Ich merke schon, das wird zu ausführlich. Kurze Beschreibung er Etappen: Pilsen, Prag, Brünn, Bratislava. Final Destination ist Budapest. Wir reisen mit dem Familienauto. Ohne Ihre Reiseberichte hätte ich meine Frau nie überzeugen können, mal gen Osten zu düsen. Sie ist eher so der Floridatyp 🙂

      Von daher werden Sie immer Teil unserer Osttouren/Erfahrungen sein.

      Liebe Grüße und weiterhin alles Gute.

    • Andreas Moser schreibt:

      Das ist eine tolle Reise!
      Intensiv kenne ich nur Pilsen und Prag. Wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind, kommen Sie zudem noch in den Genuss der Landschaft, vielleicht ein paar kleiner Städtchen, von Burgen und Seen.

      Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es oft ist, Menschen von Osteuropa zu überzeugen – bis sie es dann mal wagen und meist positiv überrascht sind. Ich wohne ja in Amberg, nur 60 km von Tschechien, aber für die meisten Menschen hier ist das gar keine Reiseoption. Man fährt und blickt nach Westen, Süden, Norden, aber keinesfalls nach Osten.

      Umso mehr freut es mich, dass Sie Ihre Frau überreden konnten, und hoffe auf einen gelingenden Urlaub! Dann bekommen Sie das nächste Mal vielleicht sogar die Zustimmung für Rumänien oder Albanien. 😉

  2. C schreibt:

    Erinnert mich daran, dass ich endlich den japanischen Garten in Cowden besuchen muss 🙂
    https://www.cowdengarden.com/

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  4. Pingback: Der Bodhi-Baum | Der reisende Reporter

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