Blogs schreibt man eigentlich nur in der Hoffnung, von einem Fernsehsender oder einem Verlag entdeckt zu werden. Das hat bei mir bisher noch nicht geklappt, weil man dafür anscheinend diese sogenannte Eigeninitiative entwickeln muss, was mir viel zu aufdringlich und zuwider ist.
Aber vor kurzem klingelte früh am Morgen, als ich gerade die Tauber entlang wanderte, das Telefon, und ich wurde eingeladen, einen Vortrag zu halten. Und zwar in Mössingen.
Das ist im Landkreis Tübingen und weltbekannt. Denn hier fand der deutschlandweit einzige Versuch statt, die Machtübernahme Hitlers im Januar 1933 durch einen Generalstreik zu vereiteln. Weil sich der Rest der Arbeiter-, geschweige denn der Angestellten- oder gar Beamtenschaft nicht anschloss, blieb der Generalstreik örtlich begrenzt und ist seither als Mössinger Generalstreik in der Geschichte untergegangen.

Die Mehrheit verschweigt eben gerne, dass eine Minderheit sich zum Widerstand getraut hat, denn so kann man viel leichter bei der „Ja, was hätte man den tun sollen?“-Linie bleiben. Die Mitläufer jammern dann gerne, dass sie beim geringsten Aufmucken selbst ins Konzentrationslager gekommen wären, obwohl sie an anderer Stelle steif und fest behaupten, dass man von der Existenz der Konzentrationslager gar nichts wissen konnte. So läuft das mit der Vergangenheitsbewältigung.
Außerdem wurde der Mössinger Generalstreik totgeschwiegen, weil er von der Kommunistischen Partei initiiert worden war. Und die Kommunisten waren ja verboten, zuerst von den Nazis, dann von Senator McCarthy, und später vom Bundesverfassungsgericht.
Das alles wusste ich natürlich nicht.
Aber als die Dame aus Mössingen mir die Geschichte erzählte, dachte ich: „Das ist interessant. Da fahre ich mal hin.“ Außerdem ist in der Nähe Schloss Grafeneck, worüber ich gerade einen bewegenden Podcast gehört hatte.

Und dann ist dort in der Ecke auch noch die Hohenzollern-Burg, wo unsere hochwohlgeborenen Könige und Kaiser herkommen.

Und da sind wir auch schon beim Thema. Denn die Damen und Herren von LiSt (Linke im Steinlachtal) und VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) hatten meinen Artikel zu den Hohenzollern gelesen, sich herzlich amüsiert, und wünschten sich diese Art der niveauvollen Unterhaltung auch vor Ort.
Hier die Ankündigung:
Der Kampf gegen Reaktion und Faschimus gestern und heute
Anfang der zwanziger Jahre hängten die linken Mössinger Gemeinderäte die Fürstenbilder im Rathaus ab. „Wir haben Republik!“, sagten sie. Später mischten sie beim Volksbegehren zur Fürstenenteignung mit. Heute stellen die Hohenzollern in Geheimverhandlungen unverschämte
Entschädigungsansprüche, die der sogenannte Prinz Georg Friedrich von Preußen erhebt. Ja, spinnen die?
Am Donnerstag, den 29. September 2022, um 19. 30 Uhr
in der Pausa-Tonnenhalle am Löwenstein-Platz
LiSt erzählt aus der Lokalgeschichte mit Blick auf die Burg Hohenzollern. Andreas Moser, freier Journalist, widmet sich den heutigen Hohenzollern und ihrem Streben nach Penunzen.
Ich habe zwar noch keine Ahnung, was ich da erzählen werde, aber ich gebe die Einladung einfach mal weiter. Je mehr Leute kommen und Fragen stellen, umso besser. Ich antworte nämlich viel lieber spontan auf Fragen, als dass ich mich Monate mit einem Vortragskonzept rumbalge (das ich dann eh auf den letzten Drücker im Zug komplett umschreibe).
Links:
- Der Artikel über die Hohenzollern, der mich in diese Bredouille gebracht hat.
- Um die Zeit bis zum September zu überbrücken, gibt es auf diesem Blog tonnenweise Geschichte.
- Die Organisatoren LiSt und VVN-BdA.
- Eigentlich halte ich Vorträge ja lieber auf Englisch.
- Der Eintritt ist gratis (so ist das bei den Linken), aber ich freue mich natürlich über Spenden.
Hat dies auf Weltbuerger- World Citizen-Ciudadano del mundo rebloggt.
Viel Zuspruch wünsche ich!
Vielen Dank!
Ich wünsche mir ja einerseits Zuspruch, aber dann auch eine monarchistische Kavallerie-Einheit, die den Saal stürmt, woraufhin es zu bürgerkriegsähnlichen Szenen kommt und die Halle abbrennt.
Oder, wenn das nicht drin ist, wenigstens eine große Currywurst mit Pommes.
Hochinteressant, aber ein wenig solltest Du dich doch vorbereiten, also ein bisschen, vielleicht … 🙂
Ist das eine Androhung, dass du auftauchen und detaillierte Fragen stellen wirst? 😉
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Der Vortrag war sehr informativ und unterhaltsam!
Vielen Dank!
Es hat mir auch großen Spaß gemacht.
Wirklich schön, dass man 40 oder 50 Leute mit stundenlangen Ausführungen zum Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz bei Laune halten kann. 🙂
Wäre auch gerne länger geblieben.
Aber der letzte Zug nach Tü war knapp danach und mußte los.
Ayer.