Vor ein paar Tagen, am 24. April, war der Gedenktag für die Opfer des Völkermordes an den Armeniern. Das habt Ihr wahrscheinlich nicht mitbekommen, denn wo nicht gerade eine armenische Diaspora ansässig ist, geht das meist unter. Und die armenische Diaspora sitzt eigentlich nur dort, wo Wein und Cognac in Strömen fließen, also Paris, Kalifornien und Südaustralien.
Außerdem ist die Welt derzeit abgelenkt von einem Krieg, bei dem man darüber streiten kann/muss, ob er nicht auch genozidale Züge trägt. Das ist eine schwierige juristische Frage, in die die Herren Lauterpacht und Lemkin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts etwas Klarheit gebracht haben. Beide begannen ihre Karriere an der Universität in Lwiw/Lemberg, das jetzt von russischen Raketen beschossen wird.

Aber, Ihr ahnt es schon, wenn Ihr die aktuelle Folge der Reihe „Vor hundert Jahren …“ druckfrisch in den Händen haltet: Vor hundert Jahren war dieses Thema durchaus aktuell.
Genau genommen am 17. April 1922, als Aram Yerganian und Arschawir Schiragjan, die als Armenier verständlicherweise ein bisschen sauer wegen des Völkermordes waren, in Berlin zwei hochrangige Verantwortliche für eben jenen Völkermord erschossen.

Cemal Azmi war dafür von einem türkischen Gericht zum Tode verurteilt worden. Bahattin Şakir war in Malta wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt worden. Aber beide flohen nach Berlin, wo sie sich ziemlich sicher fühlten. „Kein Sorge, Bahattin“, sagte Cemal Azmi, „Deutschland will immer mit allen Seiten Geschäfte machen. Das mit den Menschenrechten ist bei denen nur Bla-Bla.“
Damit hatte er nicht nur Recht, sondern auch die Leitlinien der deutschen Außenpolitik für die folgenden 100 Jahre skizziert. Aber gut, mit Prinzipientreue wird man nicht Exportweltmeister.
Ein noch zweifelhafteres Vergnügen, als sich von Wladimir Putin belügen zu lassen, ist es, mich persönlich kennenzulernen. Ich lüge zwar nicht, aber zu vielen Themen sage ich nur: „Da habe ich mal einen Artikel darüber geschrieben.“ Schließlich war einer der Hauptgründe für diesen Blog, dass ich die gleichen Geschichten nicht dutzend- oder gar hundertfach erzählen muss. Manche finden das unpersönlich. Ich finde es praktisch.
Je mehr man geschrieben hat, umso öfter kann man darauf verweisen. Und so bleibt es nicht aus, dass auch innerhalb dieser Geschichtsreihe rohstoffsparend recycelt wird. Ich empfehle deshalb zum Völkermord an den Armenien, zur Operation Nemesis und zu den juristischen Konsequenzen ganz effizient meinen Artikel über den März 1921.
Viel Vergnügen beim (erneuten) Lesen!
Der damalige Prozess gegen Soghomon Telirian in Berlin war es übrigens, der Raphael Lemkin in Lemberg dazu brachte, sich mit dem Thema des Völkermordes zu befassen und von der linguistischen auf die juristische Fakultät zu wechseln. So ist, wie so oft, alles mit allem verbunden.
Und keine Sorge, selbstverständlich wird es für April 1922 noch eine vollwertige Folge geben.
Links:
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- Mehr Geschichten aus und über Armenien.
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