Sonnenuntergang an der Trambahnhaltestelle

Gestern Abend habe ich mal wieder gemerkt, warum ich kein Fotograf bin: Man muss da nämlich vorausplanen. Und Planung, insbesondere die im Voraus, widerstrebt meiner Lebensauffassung ganz beträchtlich.

Es muss ein wunderbarer Sonnenuntergang gewesen sein. Ich habe ihn nicht direkt gesehen, weil Bäume, Häuser, Hügel und die ganze Stadt dazwischen waren. Ein richtiger Fotograf hätte eben vorher in den Sonne-, Mond- und Sternenkalender geguckt, hätte sich notiert, wann die Sonne untergeht, und wäre dann auf den Adelsberg, auf den Aussichtspunkt im Zeisigwald oder zu einem Bekannten, der im 10. Stock mit Blick nach Westen wohnt, gefahren.

Ich selbst stand, zwischen zwei Terminen und schon reichlich aber nicht untypisch verspätet, an der Straßenbahnhaltestelle Treffurthstraße. Linie 5, vielleicht meine Lieblingsstraßenbahnlinie in Chemnitz.

Es muss ein wahnsinniger Sonnenuntergang gewesen sein. Denn überall verbreitete er gleißendes, wohliges Licht, so ein Licht, das alle Sorgen vergessen lässt. Die Farben wandelten zwischen goldgelb wie bei perfekt herausgebackenen Kartoffelschnitten und rostbraun wie bei einem alten Chevrolet-Pickup, den man nach 70 Jahren in der Scheune des Großvaters in Wyoming findet.

Schöne Motive hatte ich keine, nur ein paar Fabriken. Aber das Licht! Und die Wolken! Und die Wärme!

Also habe ich trotzdem versucht, die Stimmung einzufangen:

Ihr könnt Euch das Ganze ja mit einem romantischen Schloss oder am Meer vorstellen. Oder Euch daran erinnern, jeden Abend auf den Sonnenuntergang zu achten und einfach mal eine Viertelstunde innezuhalten. Den Stift weglegen, den Computer zuklappen, das Fließband anhalten, auf den Balkon oder in den Garten spazieren und einfach genießen.

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Über Andreas Moser

I am a lawyer in Germany, with a focus on international family law, migration and citizenship law, as well as constitutional law. My other interests include long walks, train rides, hitchhiking, history, and writing stories.
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14 Antworten zu Sonnenuntergang an der Trambahnhaltestelle

  1. hanselmar schreibt:

    Chemnitz, das zu Zeiten des Sozialismus Karl-Marx-Stadt hiess hat sicherlich seine schoene Seiten. Es liegt einzig und allen im Auge des Betrachters wo er die Schoenheit erkennt. Die gezeigten Gebaude stammen sicherlich noch aus der Zeit wo die Stadt einen anderen Namen hatte. Mit Plattenbauten kannte man sich aus. Als ich 1991 dort war fuhr sogar noch die Strassenbahn, auch Tram genannt aus sozialistischen Zeiten. Das wird wahrscheinlich jetzt anders sein. Trotzdem kann man den wahren Sozialismus immer noch in mitteldeutschen Stadten entdecken. Der selige Erich(Honecker) wuerde wahrscheinlich sagen:“Den sozialistischen Wohnungsbau in seinem Lauf haelt weder Ochs noch Esel auf.“

    • Andreas Moser schreibt:

      Die ganz alten Straßenbahnen fahren nur mehr in Görlitz, und auch da brauchen sie schon ständig eine Ausnahmegenehmigung.
      (Eigentlich nicht wegen des Alters der Bahn, sondern weil die steilen Stufen für viele Passagiere nicht erklimmbar sind. Insbesondere nicht für Rollstühle und Kinderwägen. Obwohl man sich auch mal fragen muss, wie die Kinder laufen lernen sollen, wenn sie immer in so luxuriösen Wagen herumkutschiert werden.)

    • hanselmar schreibt:

      Uralte Strassenbahnen sind sicherlich eine Touristen Attraktion. Das hat man schon in vielen anderen Staedten erkannt. Bei uns in Malta sind das die uralten Omnibusse die zwar nicht mehr regular eingesetzt werden aber immer mehr fuer Touristen angeboten werden. Wenn ich mich nicht irre habe ich diese Angebote sogar auf dem Reiseangebot von „Get Your Guide“ gesehen. Es wird alles vermarktet was moeglich ist. Da spricht auch nichts gegen die Strassenbahnen der DDR. Danke fuer den Hinweis dass diese noch in Goerlitz fahren.

  2. Xeniana schreibt:

    Besonderes Licht. War auch hier so. Ich beginne Karl- Marx Stadt allmählich zu mögen

    • Andreas Moser schreibt:

      Überhaupt gibt es hier oft so schöne Sonnenuntergänge, dass ich mich frage, ob vielleicht noch etwas von den ganzen Fabriken und Industrieanlagen in der Luft liegt und das Licht so besonders macht.

  3. Anonymous schreibt:

    In Naumburg und in Gotha fahren die alten Straßenbahnen auch noch. Beide Städte wären auch mal eine Reise wert!

    • Andreas Moser schreibt:

      In beiden war ich tatsächlich noch nicht. 😦

      Ganz Mitteldeutschland strotzt einfach so vor interessanten Städten!

    • Anonymous schreibt:

      Mit der Thüringerwaldbahn in einem Straßenbahnwagen von Gotha aus in den Thüringer Wald zu zuckeln, ist ein besonderes Erlebnis. Ich liebe solche Fahrten mit alten Bahnen, die nicht Museumszwecken dienen, sondern in den Linienfahrplan integriert sind. Mir fällt gerade ein, dass auch in Brandenburg an der Havel noch die alte Straßenbahn existiert. Und auch die Oberweißbacher Bergbahn versieht ihren Dienst wie eh und je. Ich denke dabei auch daran, dass z.B. auch Regensburg einst eine Tram hatte.

    • Andreas Moser schreibt:

      Manchmal sehe ich in Chemnitz auch die alten Wagen im Einsatz. Aber ich weiß nicht, ob das ein besonderes Spektakel ist oder ob von den neuen gerade eine ausgefallen war.

  4. Kasia schreibt:

    Und die Zigarre…

    Ein Fotograf bist du vielleicht nicht, aber du verstehst dich darauf, die Stimmung in Worte zu kleiden. Und schön geworden sind die Bilder ja trotzdem 🙂

  5. Sebastian schreibt:

    Wenn die Sonnenstrahlen ihren Weg durch eine so dicke Wolkendecke finden, fühlt man sich doch direkt erleuchtet…

    Muss dann immer hieran denken:

    https://youtu.be/Bj4ax1BRPqo?feature=shared

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