Gerade in Berlin angekommen, steige ich in die S3 nach Köpenick.
Ich teile die Sitzgruppe mit einer Familie: Vater, Mutter, Sohn.
Alle drei haben ein Bier in der Hand.
„Gib mir mal dein Handy“, bittet der schätzungsweise 15-jährige Sohn die Mutter höflich. Er benötigt es, um die zweite Flasche zu öffnen. Die S-Bahn verfügt nicht einmal über die rudimentärsten Utensilien, alles muss man selbst mitbringen.
Sie diskutieren, ob die Mutter bald die angedrohte Haftstrafe antreten muss. Ich erfahre nicht, worum es geht, aber wahnsinnig besorgt scheint keiner der drei zu sein. Es ist Ende Januar, das Wetter ist grau, kalt und regnerisch, da kann man genauso gut in den Knast gehen. Vielleicht gibt es dort wenigstens Flaschenöffner.
Die anderen Passagiere erzählen von Reiseträumen in den Süden, in die Sonne, an den Strand. Thailand scheint dieses Jahr ein beliebtes Ziel zu sein.
Die eingangs erwähnte Familie war nicht in Thailand, sondern auf der „Grünen Woche“, einer Landwirtschaftsausstellung. Vielleicht haben sie von dort das Bier.

Sie unterhalten sich über die verschiedenen Stände, die Pavillons, die Ausstellungen und vor allem über all das Essen, das man überall probieren muss.
„Aber wenn man in der nächsten Halle die kleinen Schweine sieht und sich denkt, dass man die gerade gegessen hat, das ist schon komisch“, wirft der Sohn ein, der anscheinend den ganzen Nachmittag über dieses Dilemma nachgedacht hat. Denn jetzt verkündet er fest seine Entscheidung: „Ich glaube, ich werde Vegetarier.“
„Dann fahren wir das nächste Mal in den Botanischen Garten“, antwortet der Vater trocken.
😉 😉 🙂 lange nicht mehr so herzhaft gelacht ,danke danke danke. dafür geb ich dir extra ein aus ….. gruß mita
Es ist wirklich schön, wieder in einer Stadt zu sein, wo man gar nicht selbst kreativ werden muss, sondern sich einfach in die Öffis setzen und zuhören kann. 🙂
War nie auf der „Grünen Woche“, habe aber gehört, da gehen Leute hin, um sich durchzufuttern. Und zu trinken. Wenn sie nicht aufpassen, haben sie aber auch den einjährigen Ins-Haus-Liefervertrag beim Weingut gleich mitunterschrieben. Ob das Bier von der Brauerei, in diesem Fall, auch in den Knast geliefert werden kann? 😉
Fast bei dir ums Eck gibt es ja ein Gefängnis, das dieses Problem kreativ löst und eine eigene Brauerei führt:
https://www.welt.de/print/wams/lifestyle/article11263555/Schwere-Jungs-leicht-Gehopftes.html
Interessant, grazie! Der Artikel ist von 2010, aber ich hab mal geschaut, dieses in 2008 geschaffene Projekt Brauerei im Gefängnis besteht noch. Dieselbe Kooperative führt auch eine Kaffeerösterei und eine Bio-Bäckerei in anderen Gefängnissen.
Da kann man nur hoffen, dass man bei der Verhaftung ein Wunschgefängnis angeben kann. 😉
So eine Unterhaltung von/über Knasties habe ich auch mal mit angehört. Da es aber schon Nacht war, habe ich die Flucht in einen anderen Waggon ergriffen.
Lustig, dass du drüber schreibst!
Ich finde ja, man sollte Knast als normale Lebensphase betrachten, so wie Jugend oder Studium oder Militärdienst oder Rente.
Irgendwann ist jeder dran.
Und wenn man es verpasst hat, steht man beim Grillabend doof da, wenn die Sprache auf dieses Thema und die persönlichen Erlebnisse damit kommt.
Och nö! Man muss nicht jede Erfahrung machen…