Es gibt nicht viele Dinge, von denen ich abhängig bin. Monate können ins Land ziehen, in denen ich keine einzige Zigarre rauche. Bei Schokolade halte ich es nicht ganz so lange aus, etwa eine Woche maximal. Aber nach spätestens drei Tagen ohne Cola (egal welcher Marke, meist tut es die billigste) laufe ich lechzend zum nächsten Laden.
Man könnte sich vorstellen, dass dies auf tagelangen Wanderungen im Urwald oder in der Wüste zu Entzugserscheinungen führt. Aber nein! Zumindest nicht in Südamerika. Denn hier, wo das Coca für die Cola herkommt, gibt es tatsächlich überall, wo zumindest ein Einsiedler wohnt, eine Coca-Cola-Verkaufsstelle. Wie hier in Titicachi, einem zu Unrecht nur selten besuchten Weiler am Ufer des Titicaca-Sees in Bolivien:

Der Titicaca-See selbst wird übrigens auch von Coca Cola gesponsort.

Im Titicaca-See liegt die Isla del Sol, auf der es keine Autos, keine Motorräder, ja nicht einmal Fahrräder und in einigen Nächten keinen Strom gibt. Aber dafür – Ihr habt es schon erraten – das wohltuende Erfrischungsgetränk. Und zwar nicht nur in den wenigen Ortschaften auf der Insel, sondern auch in diesem Laden, an dem nur selten jemand vorbeikommen dürfte.




Die um meine Ernährung besorgten Leser erkennen und anerkennen hoffentlich die zwei Äpfel, in Bolivien eine wesentlich größere Rarität als eine Flasche Cola. Übrigens hätte es an diesem entlegenen Ort auch Bier und Kohlberg-Wein gegeben.
In Chile sieht man in der Atacama-Wüste während zwei Tagen Fahrt keinen einzigen Baum, Wassertropfen oder Menschen, aber irgendjemand hat in mühe-, liebe- und hingebungsvoller Kleinstarbeit Zehntausende von Kieselsteinen so zusammengetragen, dass sie zum 125. Geburtstag von Coca Cola den berühmten Schriftzug in einer Größe abbilden, die in Südamerika sonst nur Jesusstatuen vorbehalten ist.

Man erkennt hier die religionsähnliche Verehrung von Coca Cola (und nebenbei den Mangel an Regenfällen seit 2011, die den Schriftzug verwaschen hätten können), die sich auf den Friedhöfen fortsetzt. Cola-Flaschen dienen als Grabbeigabe, damit sich die Toten noch stärken und laben können, wie hier auf dem Friedhof von La Paz in Bolivien.



Auf dem letzten Foto erkennt Ihr, dass die Flasche geöffnet ist, damit der Verstorbene die Cola auch tatsächlich genießen kann. Im Gegensatz zu Weihwasser ist die Wirkung von Coca Cola wenigstens wissenschaftlich erwiesen.
Die entlegenste und überraschendste Coca-Cola-Tankstelle fand ich jedoch in Brasilien, im Nationalpark Chapada Diamantina. Das ist so etwas wie der Grand Canyon, nur in Grün und mit Wasserfällen.

Dieses Tal ist mit dem Auto nicht zu erreichen. Man muss über eine der beiden Bergketten steigen, wofür man etwa einen Tag benötigt. Dann kann man sich im Tal an den Flüssen orientieren, muss aber am Ende wieder über eine Bergkette, um in die Zivilisation zu kommen. Genau das habe ich gemacht, drei Tage lang.
Das Interessante an der Chapada Diamantina, neben der Natur natürlich, ist die Geschichte. Von 1850 bis 1880 gab es einen Diamantenboom, daher auch der Name. Damals lebten hier circa 50.000 Diamentenschürfer. Jetzt gibt es noch 9 „Dörfer“, wobei jedes Dorf nur aus drei oder vier Häusern und meist nur aus einer Familie besteht. An zwei dieser Stützpunkten komme ich vorbei, was praktisch ist, weil ich ja zweimal übernachten muss. Ein Häuschen, so rudimentär es auch ist, schützt wenigstens ein bißchen gegen Schlangen, Spinnen und Jaguare.
Die erste Nacht in Ruinha bleibe ich trocken, aber bei der Ankunft in Prefectura, vollkommen kaputt und verschwitzt, blitzen meine Augen auf als ich auf einem Holzschild lese, dass es hier Bier und Coca Cola gibt.

Egal wieviel die Cola kosten soll, wer sie tagelang zu Fuß oder mit dem Maultier hierherschleppt, verdient es, fair entlohnt werden. Überraschung: Die Dose kostet 5 R$, wenig mehr als einen Euro. Nicht mehr als an der Tankstelle, an der die Getränke mit dem LKW vor die Tür gefahren werden.
Also setze ich mich unter die Mangobäume auf der Wiese vor dem „Dorf“ und betrinke mich mit gleich zwei Dosen. Berauscht werde ich allerdings mehr von dem Anblick, den ich dabei auf den Morro do Castelo habe – und bereue, keine Zigarren eingepackt zu haben.

Für die höchstgelegene Coca-Cola-Werbung, wahrscheinlich weltweit, kehren wir aber wieder nach Bolivien zurück. Auf 5.200 m steht diese Alpenvereinshütte unterhalb des Gipfels des Chacaltaya.

Dass ich mich auf der 3700 km vom Festland entfernten Osterinsel nach einer ganztägigen Wanderung in dieser Bucht mit einer Cola erfrischen konnte, wird jetzt niemanden mehr überraschen.

(Ja, alle Fotos sind von mir. Und zu allen gäbe es noch wesentlich ausführlichere Geschichten zu erzählen. Schreibt doch bitte, was Euch am meisten interessiert, damit ich mich als erstes dranmachen kann.)
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