Im vergangenen Jahr bin ich ganz schön herumgekommen. Am Ende fiel sogar mein Pass auseinander, so oft habe ich ihn vorzeigen müssen. Aber anstelle von exotischen Souvenirs habe ich nur Notizbücher mitgebracht, prall gefüllt mit Geschichten, die erzählt werden wollen, und dazu ein paar Fotos. (Ein paar von Euch haben tatsächlich Souvenirs bekommen, aber das ist dem elitären Zirkel der Unterstützer dieses Blogs vorbehalten.)
2018 wird ein viel ruhigeres Jahr werden, mit einem Schwerpunkt auf dem Studium und der Veröffentlichung von Artikeln über vergangene Reisen. Hier gebe ich Euch einen Überblick über das, was 2017 so passiert ist, und Ihr könnt mir gerne mitteilen, was Euch am meisten interessiert.
Begonnen habe ich das Jahr 2017 an einem der schönsten Orte der Welt, am Titicaca-See in Südamerika. Zuerst in Puno auf peruanischer Seite, dann in Copacabana auf der bolivianischen Seite.
Und Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie glücklich ich war, wieder in Bolivien zu sein. Es bleibt bis heute mein Lieblingsland. Wenn ich mich jemals entscheiden müsste, mein ganzes Leben in einer Stadt zu verbringen, fiele die Wahl auf Cochabamba. Aber da ich diese Stadt des ewigen Frühlings schon gut kannte, zog ich 2017 für ein paar Monate nach La Paz. Dort habe ich zwar ewig gefroren, aber wohl gefühlt habe ich mich trotzdem.
In die Zeit meines dortigen Aufenthalt fiel auch der 21. Februar, der Jahrestag des Verfassungsreferendums, mit Demonstrationen von beiden Seiten. Ich war natürlich mittendrin.
Überhaupt habe ich noch nie so viele Proteste, Demonstrationen und Streiks erlebt wie in La Paz. Jeden Tag gab es zwei oder drei davon, und da ich ziemlich zentral wohnte, wurde ich oft von Trommelschlägen und Feuerwerk geweckt bzw. am Einschlafen gehindert.
Leider fast zu spät hingegen fand ich eine sympathische Wandergruppe, Free Trek, mit der ich deshalb nur einmal unterwegs war. Das Valle de las Animas sieht aus wie aus einer anderen Welt, dabei beginnt es nur einen kurzen Fußmarsch von der Stadt entfernt.
Aber das größte Abenteuer in dieser Zeit war mein Aufstieg auf den Chacaltaya.
Im April flog ich dann nach Kolumbien, wo mich Bogotá wirklich überraschte. Eine fahrradfreundliche, grüne und kulturell reichhaltige Stadt voller Buchhändler, Ausstellungen und Schachspielern auf den Straßen.
Aber nach ein paar Tagen musste ich weiterziehen, weil ich schon ein schnuckliges Häuschen im Grünen gemietet hatte.
Da ich Kolumbien und Südamerika mit dem Schiff verlassen würde, musste ich noch nach Cartagena, der Hafenstadt in der Karibik. Cartagena sieht schön aus, ist aber das genaue Gegenteil von Bogotá: heiß und schwül statt mild und angenehm, hedonistisch statt intellektuell, oberflächlich statt kultiviert. Was in Bogotá die Schachspieler sind, sind in Cartagena die Schönheitsköniginnen.
Im Mai freute ich mich dann schon wieder auf Europa und auf die Kreuzfahrt. Zwei Wochen auf hoher See waren ein verlockender Ausblick, aber es war dann nicht so entspannend wie meine erste Kreuzfahrt. Vielleicht war es zu viel Cartagena und nicht genug Bogotá.
Aber so kam ich immerhin auf ein paar Inseln, die ich ansonsten niemals besucht hätte. Auf Sint Maarten/Saint Martin empfing mich sogar eine Freundin, die mir die Insel zeigte und eine Menge Informationen über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und damit einen Blick hinter die Fassade von Sandstrand und Palmen bot. Als wir die Grenze von Sint Maarten nach Saint Martin überfuhren, war ich schon in der EU – und das mitten in der Karibik!
Ein paar Wochen darauf zerstörte der Hurrikan Irma alles.
Fast das gleiche Schicksal befiel Antigua, wo ich überrascht war, wie britisch-kolonial alles noch aussah, obwohl fast alle Bewohner Nachfahren von Sklaven sind, die übrigens in den 1730er Jahren eine Revolte anzettelten. Das erfuhr ich im Museum in St. John’s, wohin ich mich auf der Flucht vor der Mittagshitze verzogen hatte.
Der letzte Inselstopp auf der Kreuzfahrt war Madeira. Die Rückkehr nach Europa war so schön wie erhofft, mit einem milden Klima, blühenden Bäumen und endlich einer Stadt, in der man im Park die Zeitungen lesen konnte, ohne der Wumm-wumm-wumm-Musik aller umliegenden Nachbarn in unmenschlicher Lautstärke ausgesetzt zu sein. Am liebsten hätte ich die Kreuzfahrt da schon beendet und wäre länger in Funchal geblieben.
Aber dann blieb ich doch an Bord, bis wir das Festland von Portugal erreichten. Von Lissabon bekam ich nur einen kurzen aber positiven Eindruck, aber Sintra verschlug mir den Atem. Schlösser, Burgen und Klöster, versteckt im Wald oder auf Bergkuppen thronend, alle verbunden mit Wanderwegen, und mit wunderschönen Parks, romantischen Teichanlagen und mysteriösen Tunnels. Ein magischer Ort!
Und dann war ich plötzlich wieder in Deutschland. Naja, wenigstens war Sommer, so dass es sonnig, grün und perfekt zum Wandern war. Es war schon eine Erleichterung, dabei einmal nicht auf Anacondas und Piranhas achten zu müssen. Dass manche Leute hier vor Wölfen Angst haben, zeigt ja, dass es keine ernsthaften Gefahren gibt.
Aber immer, wenn ich ein paar Wochen in Bayern bin, erkenne ich mit Erschaudern, dass ich schon disproportional viel Lebenszeit dort verbracht habe. Dann muss ich wieder weg, denn nichts ist mir so unangenehm wie das Gewohnte und Bekannte. Im Juli bot mein Geburtstag den passenden Anlass für eine Reise in den Kaukasus.
In Tilis in Georgien hatte ich das Glück, in einem Stadteil zu wohnen, der noch nicht modernisiert geworden war. Schöne Innenhöfe mit großen Bäumen, Holzbalkone, Elemente persischer Architektur.
Es kam mir sofort wie eine Stadt vor, in der ich mir vorstellen könnte, eine Weile zu leben. Aber auch Kutaisi und Zugdidi waren sehr nett.
Jerewan war mehr Beton als grün, hatte aber auch eine sehr kulturelle Atmosphäre. Das Wanderparadies in Armenien war jedoch Dilijan.
In Ganja in Aserbaidschan war ich fast erschlagen von der Wucht und dem Kontrollwahn der Familienautokratie, während Göygöl, das ehemalige Helenendorf, vollkommen anders war und mich allerfreundlichst empfing.
Aber die größte Überraschung während der Kaukasusreise war Abchasien. Die Hauptstadt Sochumi verfügt noch immer über die Pracht eines Badeortes am Schwarzen Meer mit langer Tradition. Wegen Krieg, Flucht und Vertreibung ist die Bevölkerung allerdings so dezimiert, dass es selbst zum Höhepunkt der Touristensaison im Sommer niemals überfüllt war.
Schon länger spiele ich mit dem Gedanken, in ein russischsprachiges Land zu ziehen, um Russisch zu lernen. Da niemand in Abchasien von Ausländern erwartet, dass sie Abchasisch lernen und fast niemand Englisch spricht, erscheint es mir als der perfekte Ort für solch ein Sprachstudium. (Transnistrien wäre eine Alternative.)
Zurück in Deutschland traf ich einen ehemaligen Klassenkameraden, der damals in Großbritannien lebte. Es war schön, zu sehen, wie gut man sich noch verstehen kann, auch wenn man sich mehr als zehn Jahre nicht gesehen und gesprochen hat, und er lud mich ein, ihn in Lytham St. Annes zu besuchen.
Dieser kleine Ort in Lancashire ist laut seinen Worten eine „Blase der Glückseligkeit“, aber wir hatten auch Zeit, uns das etwas zwielichtige Blackpool und eine Flugschau in Southport anzusehen
sowie im Lake District Wandern zu gehen.
Erneut fiel mir auf, wie perfekt Großbritannien für Wanderungen ist. Nicht nur die sanft geschwungene Landschaft, sondern auch eine gute Infrastruktur mit Bus- und Bahnverbindungen an fast jedem Ort, Pubs selbst im kleinsten Dorf, und sogar entlang der Wege stellen freundliche Menschen Aufputschmittel für die Wanderer bereit.
Im Oktober wurde ich dann Student, und es war aus mit dem Reisen. Zumindest mit den Fernreisen. Immerhin kam ich so mal für eine Woche nach Hagen, angeblich die langweiligste Stadt Deutschlands. Ich fand es ehrlich gesagt gar nicht so schlecht. Aber das lag wahrscheinlich daran, dass ich die ganze Woche Geschichtsvorlesungen- und Seminare hatte.
Jetzt wo sie Rentnerin ist, findet meine Mutter wieder mehr Gefallen am Reisen. So schlug sie spontan vor, im Herbst ein paar Tage nach Prag zu fahren. Es stellte sich als die perfekte Zeit heraus: noch spätsommerlich warm, aber schon alles voll goldener und roter Herbstblätter. Prag ist eine der Städte, die mir nie langweilig wird, egal wie oft ich schon da war.
In Deutschland hingegen wurde es ab November zunehmend deprimierender. Ich musste mal wieder die Flucht ergreifen, und zog für drei Monate nach Kotor in Montenegro. Es hatte mir bei einem früheren Tagesausflug gut gefallen, aber dieser längere Aufenthalt bestätigte, dass Kotor tatsächlich eine der schönsten Städte der Welt ist – sogar im Winter.
So, und jetzt seid Ihr gefragt. Schreibt mir, was Euch am meisten interessiert, und ich mache mich an die Artikel, Fotos und Videos.
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Sehr geehrter Herr Moser,
wenn sie schon so nett fragen: Mich interessiert am meisten das Thema „Lake District“ und wandern.
Und herzlichen Dank für die interessanten Artikel.
R.
PS: Kotor ist toll, wenn kein Kreuzfahrtschiff vor Ort ist
Vielen Dank für die Rückmeldung!
Und ja, ich war tatsächlich froh, dass ich im Winter in Kotor war. Bis Anfang Januar kamen sogar noch manchmal Kreuzfahrtschiffe, aber wenigstens nur eins pro Tag. Aber selbst dann war der Weg zur Festung über der Stadt wie eine Massenprozession. Am Abend, wenn das Schiff zum Abmarsch bläst, kehrt dann wieder Ruhe ein und die Kotorianer sind unter sich.