In Ammerthal, dem Dorf, in dem ich mich zwischen meinen Reisen ausruhe und dem Studium widme, gibt es einen Gasthof, der ganz kreativ „Ammerthaler Hof“ heißt. So heißt er wohl schon seit dem Mittelalter.
Vor ein oder zwei Jahren geschah jedoch etwas Wunderbares, denn eine griechische Familie übernahm die Pacht und versorgt seitdem das Dorf mit griechischem Essen, bekanntermaßen dem besten und gesündesten Essen der Welt. Ihr kennt ähnliches vielleicht aus anderen Landesteilen: Selbst in den kleinsten Dörfern in Deutschland findet man oft ein griechisches Restaurant, während man in Millionenstädten anderer Länder vergeblich nach einem Tempel des gut gegrillten und gewürzten Fleisches sucht. Warum ist das so?
Alles begann, wie Thomas Mann es formulierte, mit „dem großen Kriege, mit dessen Beginn so vieles begann, was zu beginnen wohl kaum schon aufgehört hat.“

Während des Ersten Weltkriegs geriet Griechenland durch irgendein Kuddelmuddel mitten in die Kampfhandlungen. Bulgarische Truppen marschierten 1916 in Griechenland ein. Mit den Bulgaren kamen deutsche Verbindungsoffiziere, die aus der Klatschpresse wussten, dass der griechische König Konstantin I. vor der Königskarriere als Gastarbeiter in Deutschland tätig gewesen war und dort, wie das halt so passiert, die Schwester des deutschen Kaisers Wilhelm II. geheiratet hatte. Die Deutschen dachten sich, „vielleicht müssen wir ausnahmsweise mal nicht die gesamte Zivilbevölkerung massakrieren, sondern können uns irgendwie arrangieren.“ Das traf sich sehr gut mit der Weigerung der griechischen Armee, zu kämpfen. Wahrscheinlich ein Streik um das 16. Monatsgehalt oder die Rente mit 27.
Jedenfalls einigte man sich für einen Weltkrieg erstaunlich friedlich. Der Kommandeur des IV. Griechischen Armeekorps wandte sich an Generalfeldmarschall Hindenburg und schlug vor, die griechischen Soldaten nach Deutschland zu transportieren, wo sie das Ende des Weltkriegs abwarten könnten. Sie wollten aber keine Kriegsgefangenen sein, sondern ihre Waffen behalten und sich frei bewegen dürfen. Außerdem müsse Deutschland die Unterkunft und Verpflegung bereitstellen.

Hindenburg dachte, „das ist ein fairer Vorschlag“ und willigte ein. So fuhren im September 1916 zehn Eisenbahnzüge mit über 6.000 griechischen Soldaten von Thessaloniki nach Görlitz (Fahrtzeit: 12 Tage), das Hindenburg als Ort für die Flüchtlinge auserkoren hatte. Denn, so Hindenburg in einer seiner vielen Fehleinschätzungen, „die Ossis sind gastfreundlich“.

Aus Protest gegen die Aufnahme der „Pleitegriechen“ gründete sich sogleich die AfD-Vorläuferorganisation NSDAP, die auch heute noch in Görlitz eine ihrer Hochburgen hat. Offiziell wurden die Griechen allerdings herzlichst willkommen geheißen, mit Musikkappelle, mit Parade zum Flüchtlingsheim und mit „Χαίρετε“-Transparenten. Das Lager der Griechen erhielt sogar exterritorialen Status mit griechischer Gerichtsbarkeit. Die Griechen erhielten ihren Sold fortan von Deutschland, bekamen Sprachunterricht und durften kostenlos Post nach Griechenland versenden. (Anfang Januar 1917 warf ein deutscher Zeppelin über Larissa 15 Säcke mit Post von Görlitzer Griechen ab, um die Zensur an den Grenzen zu umgehen.)



So konnte man den Krieg aushalten.
Die Griechen integrierten sich schnell, fanden Arbeit, eröffneten Geschäfte und natürlich Restaurants. Zuerst nur für sich selbst, weil man nur mit Gaststättenerlaubnis Ouzo importieren durfte, aber bald fanden Souvlaki und Bifteki auch bei den hungrigen und im weiteren Verlauf des Krieges zunehmend ausgehungerten Deutschen Gefallen.

Das griechische Futter wurde so beliebt, dass Vertreter aus ganz Deutschland nach Görlitz kamen, um Griechen abzuwerben. Auch die polnischen Nachbarn blickten neidisch über den Fluss und wollten ebenfalls griechische Restaurants haben. Ihre Chance erhielten sie ab 1946, als Polen etwa 15.000 griechische Bürgerkriegsflüchtlinge aufnahm, von denen die meisten nach Görlitz-Ost (Zgorzelec) kamen.
Und so kam es, dass auch in Eurer Kleinstadt mindestens ein griechisches Restaurant auf Euch wartet. Guten Appetit! καλή όρεξη!
Links:
- Mehr Artikel über den Ersten Weltkrieg.
- Mehr Artikel über Griechenland.
- Und weitere kulinarische Artikel.
- Podcast über die Griechen von Görlitz.
- Buch über die Griechen von Görlitz.
- Wolfgang Thierse sagt übrigens, Görlitz sei die schönste Stadt Deutschlands. Das muss ich mir wohl mal ansehen.
Das ist wieder mal typisch! Diese Gastarbeiter kommen zu uns und stehlen uns die Schwestern unserer Kaiser!
Andererseits, ohne Gastarbeiter und Erasmus-Semester wäre die Inzucht im Adel noch schlimmer.
Auch die Hohenzollern haben das schon gemerkt und wildern auf fremden Kontinenten: http://prinz-frederic.com/de/images/stories/Alex/freizeitrevue.jpg (Vorsicht, sehr peinlicher Link)
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Soweit ich weiß, ist das Essen in Griechenland tatsächlich gesund, wobei das griechische Essen hier in Deutschland oft sehr fettig und fleischlastig ist, mit riesigen Portionen.
Ich finde auch Souvlaki und Gyros sehr gesund, denn es macht glücklich => und glücklich ist wichtig für die Gesundheit. 🙂
Aber du hast Recht, danach benötige ich zur Verdauungsförderung immer einen Ouzo und eine Zigarre.
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